Documenta-Leitung

Ein Rücktritt für die Zukunft

03:46 Minuten
Am Tag nach dem Abhängen des umstrittenen Großbanners "People's Justice" des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi, bleiben auf dem Friedrichsplatz das leere Gerüst sowie die Ständer für die ebenfalls entfernten Pappfiguren zurück.
Es hätte ein Dialog mit dem Globalen Süden werden sollen - vorerst blieb ein abgebautes Kunstwerk in Kassel zurück.Wird es noch mehr Folgen geben? © picture alliance / dpa / Uwe Zucchi
Von Ludger Fittkau |
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Die Debatte um Antisemitismus hat personelle Forderungen zur Folge: Die Documenta-Leitung muss Verantwortung übernehmen. Die Entlassung der Generaldirektorin Sabine Schormann kann nur der erste Schritt sein, kommentiert Ludger Fittkau.
Der Antisemitismus-Skandal auf der Documenta 15 muss personelle Konsequenzen haben. Dass Sabine Schormann, die Generalsekretärin der Weltkunstausstellung, öffentlich um Entschuldigung gebeten hat, reicht nicht aus. Sie muss umgehend zurücktreten oder von den Trägern der Documenta – dem Land Hessen und der Stadt Kassel – abberufen werden.

Skandal mit Ansage

Denn der Antisemitismus-Skandal ist ein Skandal mit Ansage. Seit einem halben Jahr war klar, dass Teile des indonesischen Kuratorinnen- und Kuratorenteams „Ruangrupa“ die antiisraelische Boykottbewegung BDS unterstützt.
BDS steht für „Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen“ gegen Israel. Längst nicht mehr nur gegen die von Israel besetzten Gebiete richtet sich diese Boykottkampagne, sondern auch etwa gegen Künstlerinnen und Künstler aus Tel Aviv – egal, wie sie zum Nahostkonflikt stehen.

Podien nach Kritik abgesagt

Dass keine jüdisch-israelischen Künstlerinnen und Künstler zur diesjährigen Documenta eingeladen wurden, war schon vor Monaten aufgefallen. Kulturstaatsministerin Claudia Roth hatte deswegen das Gespräch mit den Verantwortlichen gesucht.
Die daraufhin vereinbarten öffentlichen Veranstaltungen bei der Documenta, in denen es auch um den Israel-bezogenen Antisemitismus der BDS-Bewegung gehen sollte, kamen jedoch nicht zustande. Die Documenta-Leitung sagte sie nach Kritik des Zentralrats der Juden an der Zusammensetzung von Podien wieder ab.

Kunst sollte sprechen

Man solle sich doch erst mal die Kunstwerke anschauen, es werde keinen Antisemitismus und keine BDS-Positionen geben, das versprach die Documenta-Generalsekretärin. Dieses Versprechen konnte sie nicht halten, also ist ihr Rücktritt unvermeidlich.
Doch das allein reicht noch nicht. Auch die Politikerinnen und Politiker von Stadt, Land und Bund in den Documenta-15-Aufsichtsgremien tragen eine große Mitverantwortung. Sie haben ebenfalls nicht genau genug hingeschaut.

Gremien müssen Verantwortung übernehmen

Ebenso wie der Documenta-Beirat aus renommierten Kulturschaffenden, die dem indonesischen Kollektiv „Ruangrupa“ die künstlerische Leitung der 15. Ausgabe der Ausstellung anvertrauten. Der Beirat sollte den weiteren „Projektprozess“ begleiten – das hat er offensichtlich nicht intensiv genug getan.
Die Gremien der Documenta mit ihrem 40-Millionen-Euro-Budget müssen Verantwortung übernehmen. So hatte es bereits Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Eröffnung gefordert. Klar ist: Steinmeier wäre nicht zur Eröffnung gekommen, wenn der Judenhass im zentralen Werk auf dem Kasseler Friedrichsplatz zu diesem Zeitpunkt schon erkannt gewesen wäre.

Kriterien neu fassen

Verantwortung übernehmen muss nun für die Zukunft der Documenta heißen: Die Aufsichtsgremien müssen professioneller arbeiten. Der Bund – in Person von Claudia Roth – muss stärker institutionell eingebunden werden. Damit kann auch der Selbstprovinzialisierung der Documenta entgegengesteuert werden.
Und: Die Kriterien für die Auswahl der künstlerischen Leitung müssen neu gefasst werden, um einen solchen Skandal künftig zu vermeiden. Sonst hat die Documenta wirklich keine Zukunft mehr.

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