Meinung
Donald Trump als Beispiel für eine andere Außenpolitik: Diplomatie ist ein Mittel der Politik, kein Endzweck, findet der Journalist Jörg Lau. © picture alliance / Newscom / Samuel Corum
„Mehr Diplomatie ist gut“ – ein irreführendes Klischee
04:39 Minuten

Wie Trump Diplomatie praktiziert, zeigt die Schlichtheit der deutschen Debatte. Diplomatie ist nicht per se gut. Sie ist ein Teil von Machtpolitik. Erfolgreiche Diplomatie braucht Zwangsmittel im Hintergrund, wie die Androhung militärischer Gewalt.
Wenn derzeit in Deutschland von Diplomatie oder einer diplomatischen Lösung die Rede ist, dann klingt immer eine Art Heilserwartung an. „Diplomatie“ schwebt in einer Begriffswolke mit Frieden, Verständigung, Ausgleich.
Wer mehr diplomatische Anstrengungen fordert, signalisiert politische Tugendhaftigkeit. Wer sich dafür ausspricht, stellt sich auf die Seite des Guten und rückt die Gegenseite ins Zwielicht: Ihr wollt ja nur immer weiter Waffen liefern, ihr glaubt an eine militärische Lösung!
So hat sich ein Gegensatz herausgebildet: Diplomatie schafft Gerechtigkeit und Frieden, Waffenhilfe verlängert das Leiden und Sterben. „Diplomatie“ ist so zu einem moralisch aufgeladenen Kampfbegriff geworden.
Trump verbündet sich mit dem Agressor Russland
Nach drei Jahren Ukrainekrieg wird jetzt tatsächlich verhandelt, aber nicht durch die, die die ganze Zeit mantrahaft „mehr Diplomatie“ gefordert haben. Sondern durch Donald Trump, wie der es ja auch bereits im Wahlkampf versprochen hatte. Und wie sehen diese Verhandlungen aus?
Trump verbündet sich de facto mit dem Aggressor Russland. Die Ukraine hingegen setzt er unter Druck: keine NATO-Mitgliedschaft, keine Waffen mehr, auch keine US-Friedenstruppen und keine Sicherheitsgarantien – dafür aber verlangt er Bodenschätze im Wert Hunderter Milliarden US-Dollar von der Ukraine.
Das überfallene Land soll Reparationen zahlen, der Aggressor wird mit Zugeständnissen belohnt. Eine Umkehrung aller Werte bisheriger westlicher Politik – im Zeichen der Diplomatie!
Doch wie Trump Diplomatie praktiziert, das zeigt die Schlichtheit unserer moralisierten deutschen Debatte. Nein, Diplomatie ist nicht per se gut. Sie ist ein Mittel der Politik, kein Endzweck. Sie kann ihre Wirkung im Übrigen nur entfalten, wenn auch andere Instrumente staatlicher Machtausübung vorhanden sind. Erfolgreiche Diplomatie braucht Zwangsmittel im Hintergrund – etwa Sanktionen, und für den Ernstfall eine glaubhafte Androhung militärischer Gewalt.
Militär und Diplomatie sind keine Gegensätze
Nur wer auch in der Lage und bereit ist, seinen Willen undiplomatisch durchzusetzen, kann diplomatische Erfolge erzielen. Militär und Diplomatie sind keine Alternativen, zwischen denen man sich ein für alle Mal entscheiden kann. Wer nicht bereit und in der Lage ist, der Gegenseite Grenzen gewaltsam aufzuzeigen, der wird auch in Verhandlungen nicht gehört.
Das ist die ernüchternde Erfahrung der Europäer in diesen Tagen, über deren Köpfe hinweg die Zukunft unseres Kontinents entschieden wird. Erstaunlich, dass so viele davon entsetzt und überrascht sind. Denn aus der jüngeren europäischen Geschichte könnte man es besser wissen.
Es war kein Zufall, dass die Entspannungspolitik der 70er-Jahre von historisch hohen Rüstungsausgaben begleitet war. Während der Kanzlerschaft des Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt stiegen die Rüstungsausgaben von 3,2 auf 3,5 Prozent der wirtschaftlichen Gesamtleistung.
Diese Tatsache ist aus der Erinnerung der Sozialdemokratie offenbar gelöscht worden. Willy Brandt wusste, dass man nur aus einer Position der Stärke erfolgreich verhandeln kann.
Diplomatie als Teil von Machtpolitik
Wir aber müssen schmerzhaft neu lernen, Diplomatie als Teil von Machtpolitik zu verstehen. Denn Verträge, die Diplomaten – wenn es gut geht – aushandeln, müssen ja von Instanzen überwacht und garantiert werden, die härtere Mittel zur Verfügung haben als nur den zwanglosen Zwang des besseren Arguments.
Sind die Machtverhältnisse zwischen zwei Parteien so ungleich, dass eine Seite ihre Ziele am Verhandlungstisch ohne Zugeständnisse erreicht, dann läuft Diplomatie auf den Vollzug einer Kapitulation hinaus. Die grundsätzliche, bittere Erkenntnis bleibt: Die Fähigkeit und Bereitschaft, nötigenfalls undiplomatisch vorzugehen, ist Voraussetzung des Erfolgs von Diplomatie.