Es braucht endlich wirkliche politische Konsequenzen!
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In Hamburg ist ein jüdischer Student mit einem Spaten angegriffen worden. Was tun? Noch mehr Aufklärungsprogramme? Die bringen nach Ansicht vieler Gemeindefunktionäre wenig. Es brauche endlich mehr als folgenlose Sonntagsreden, meint unser Kommentator.
In Hamburg ist in dieser Woche ein junger Mann mit Kippa vor seiner Synagoge mit einem Klappspaten angegriffen und auf den Kopf geschlagen worden. Mit einem Klappspaten, Marke Bundeswehr! Ich besitze zufällig dieses stabile Werkzeug aus Metall und weiß, dass ist nichts für den Spielplatz oder Vorgarten.
Und in Berlin ist die Mesusa, also der Türsegen, einer Synagoge mit Hakenkreuzen geschändet worden. Seit Jahren erzählen Jüdinnen und Juden von dem Hass, den sie erlebt haben. Und es gruselt mich, wenn ich in den Archiven sehe, wann sie bereits die Davidsterne abgelegt haben und wann sie begonnen haben, die Kippa nach dem Gottesdienst zu verstecken - oder besser noch: ganz abzunehmen. Seitdem ist es nicht einfacher geworden, eine Kippa zu tragen.
Schöne Worte - folgenlos
Im August 2013 bezeichnete der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde in Berlin Teile von Neukölln und Wedding als No-Go-Area. Das war vor sieben Jahren. Der Aufschrei der Politik war groß: No-Go-Areas dürfe es nicht geben und Judenhass dürfe kein Raum gelassen werden - und überhaupt "Niemals vergessen!" und Deutschland und die historische Verantwortung… Denn so wird das hier in Deutschland gemacht: Wenn es um Juden geht, dann steht die Politik stramm und spricht feine Worte - und es findet sich immer irgendwer Jüdisches, die oder der danebensteht und nickt.
Und danach werden wieder jüdische Köpfe eingeschlagen und Synagogen angegriffen und jüdischen Kids in der Schule gedroht, die Finger abzuschneiden. Voller Hass werden Jüdinnen und Juden mit Messern, Gürteln, Fäusten, Spucke und Sprache drangsaliert, weil – ja: Weil es geht. Die schönen Worte, sie blieben ohne Konsequenzen.
Laut BKA gibt es fünf antisemitische Taten pro Tag. Zu viel für Mahnwachen – also: keine Mahnwachen. Und am Ende des Tages werden Jüdinnen und Juden mit guten Worten alleine gelassen.
Zugeben, dass jüdisches Leben egal ist
Unter der Hand geben Gemeindefunktionärinnen und -funktionäre zu, dass sie völlig desillusioniert sind, dass die Programme gegen Judenhass wenig bringen - nur laut dürfe das nicht gesagt werden. Denn die Gemeinden arbeiten mit den Behörden zusammen. So können Politikerinnen und Politiker weiterhin Sonntagsreden gegen Judenhass halten und eine Handvoll Bürgerinnen und Bürger können dann zusammenkommen und betreten schauen und Jüdinnen und Juden können bestreiten, dass sie auf gepackten Koffern sitzen. Und sobald sie unter sich sind, fragen sich dennoch viele, welches ein passables Land zum Ausweichen sein könnte.
Wir als Jüdinnen und Juden ertragen die Verfolgung der Schwestern und Brüder und Gebetshäuser hier in Deutschland. Die Politik sollte sich eingestehen, dass es nach dem Holocaust immer noch ein ernsthaftes Problem mit Judenhass gibt. Die Bürgerinnen und Bürger sollten tatsächlich aufschreien. Oder wenigstens zugeben, dass ihnen das jüdische Leben egal ist.