Wer braucht die Einheitswippe?
Die Debatte um das geplante Einheitsdenkmal auf dem Berliner Schlossplatz nimmt wieder Fahrt auf. Weder Ort noch Entwurf der "Einheitswippe" sind unumstritten. Unser Architekturkritiker Nikolaus Bernau schlägt vor: Alles zurück auf Anfang.
Wenn das wichtigste Argument für den Bau eines Projektes ist, dass es nun einmal beschlossen wurde und man zu seinem Beschluss stehen muss – dann sollte man dieses Projekt fallen lassen. Dann war es ein Testversuch, der uns immerhin gezeigt hat, wie es nicht geht. Aber der Mensch tendiert nun einmal dazu, trotz aller Erkenntnis des Richtigen bewusst den falschen Weg weiter zu gehen. Statt den Neuanfang zu wagen, wie er im Fall des geplanten Einheits- und Freiheitsdenkmals am Berliner Schloss schon lange nötig gewesen wäre.
Ikonografisch verunglückter Entwurf
Schon bei der ersten Vorstellung 2009 wurde der Entwurf des Stuttgarter Veranstaltungs- und Ausstellungsarchitekten Milla & Partner als "Einheitswippe", "Goldschüssel" oder gar "Bananenschale" verspottet. Es findet sich außerhalb der Gruppe der Denkmalinitiatoren praktisch niemand, der diesen Entwurf lobt: Millas Design mit der sich sacht bewegenden Schale ist ikonografisch verunglückt: Demokratie ist mehr als die Bewegung von Menschenmasse im Raum. Und die Eingriffe in den denkmalgeschützten Sockel des einstigen Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm I., auf dem das neue Denkmal entstehen soll, sind brutal. Und überhaupt: Der Ort stimmt nicht. Er hat keinerlei Verbindung zur Revolution von 1989.
Dennoch blieb der Bundestag bei seiner Entscheidung. Auch, weil der sprachgewaltige einstige Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse ihn auf Spur hielt mit der Behauptung, dass, wer gegen DIESES Denkmal sei, die revolutionäre Würde der Ostdeutschen schmälern wolle.
Es fehlt der Mut zu einem Neustart
Was für ein Unsinn. Sind denn Leipziger weniger revolutionsbewusst, weil sie ihr Denkmalprojekt schließlich zu den Akten legten, als nur noch das Argument blieb, es sei eben beschlossen worden? Es geht nicht um das Erinnern an die Friedliche Revolution, es geht um den Ort und um die Form des Erinnerns. Deswegen liegt Kulturstaatsministerin Monika Grütters eben auch falsch mit ihrer Behauptung, man dürfe nun nicht neu debattierten, sonst sei das Projekt kaputt. Kaputt ist dieser Denkmalentwurf an diesem Ort seit langem. Was fehlt, ist der Mut der Politiker im Bundestag, endlich den Totenschein auszustellen. Und neu anzufangen.
Zur Erinnerung: Bis es zum Bau des preußischen Nationaldenkmals für Friedrich den Großen Unter den Linden kam, brauchte es mehr als ein halbes Jahrhundert, viele Wettbewerbe und viele öffentliche Debatten. Es gibt keinen Grund zu hetzen, nur weil die Generation derjenigen, die 1989 den Umbruch in der DDR erfochten, langsam in Rente geht