Nils Markwardt ist leitender Redakteur des "Philosophie Magazins". Als Autor schrieb er unter anderen für "Zeit Online", "FAZ" und das Schweizer Online-Magazin "Republik".
Der Trumpismus ist nicht zu Ende
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Noch ist unklar, wie sich der Machtwechsel in den USA vollziehen wird. Eins steht aber fest: Trump mag gehen, der Trumpismus bleibt – in vielen Köpfen, eventuell auch in der republikanischen Partei. Das ist gefährlich, kommentiert Nils Markwardt.
Dass Donald Trump sich dieser Tage immer mehr anschickt, zum Weißen-Haus-Besetzer zu werden, vermag nicht wirklich zu überraschen. Das ist weder zynisch noch abgeklärt gemeint. Es ergibt sich fast zwangsläufig aus der Logik des Trumpismus.
Denn so wenig der noch amtierende US-Präsident auch von politischer Theorie versteht, so erratisch er im konkreten Fall auch handelt: Er hat in den letzten Jahren doch eine Art Quasi-Ideologie erschaffen. Diese ist zwar nicht komplett neu, da sie im Grundsatz dem altbekannten Playbook des Autoritarismus folgt, weist aber trotzdem einige Besonderheiten auf.
Typisch republikanisch: Trumps politische Linie
Und diese Besonderheiten sind nicht primär inhaltlicher Natur. Blickt man nämlich aufs Trumps Amtszeit zurück, folgte seine Politik programmatisch im wesentlichen jener Agenda, die die Republikanische Partei schon seit Jahren verfolgt: Steuerentlastung für die Reichen, aggressive Durchsetzung konservativer Werte, Schüren von Ressentiments gegen Einwanderer und Nicht-Weiße.
Wirklich abgesetzt vom republikanischen Common Sense hat sich Trump höchstens in der Außenpolitik, wo er mit seinem Isolationismus Light die geopolitischen Ansprüche der USA herunterschraubte.
Was den Trumpismus im Kern auszeichnet, ist vielmehr sein geradezu phobisches Verhältnis zu demokratischen Institutionen. Das wird besonders deutlich, wenn man den Trumpismus mit dem Reaganismus oder Thatcherismus vergleicht. Letztere zielten bei ihrer Implentierung marktradikaler Logiken Ende der 1980er Jahre zwar ebenfalls auf die Marginalisierung demokratischer Institutionen, wählten dabei aber einen anderen Weg.
Reagan und Thatcher forcierten, wie es der kanadische Historiker Quinn Slobodian nennt, eine neoliberale "Ummantelung" der Weltwirtschaft. Sprich: Das Recht und die staatlichen Institutionen wurden nicht einfach nur bekämpft, sondern so umgebaut, dass sie die Freiheit der Märkte vor demokratischen Eingriffen schützten.
Trump mag zwar ebenfalls versucht haben, Institutionen in seinem Sinne zu beeinflussen, etwa den Obersten Gerichtshof, aber im Grundsatz hat er vielmehr gegen oder über sie hinweg regiert. Das zeigt sich exemplarisch im Fall der Sicherheitsapparate. Im Gegensatz zum autoritären Regelfall hat Trump sich Militär und Geheimdienste kaum gefügig zu machen versucht, sondern diese vielmehr fortlaufend beschimpft und verärgert.
Kampf gegen demokratische Institutionen
Trump, der schon bei seiner Antrittsrede den Bewegungscharakter seiner Kampagne betont und eigentlich nie mit dem Wahlkampf aufgehört hatte, pflegte in den letzten vier Jahren einen volkstribunhaften Anti-Institutionalismus, der durch permanente Mobilisierung einer Massenbasis den politischen Konflikt weg von den Institutionen hinein in die Straßen und sozialen Medien trug. Und das ist brandgefährlich.
Der polnisch-amerikanische Politikwissenschaftler Adam Przeworski hat das in seinem Buch "Krisen der Demokratie" deutlich gemacht: Demokratie droht vor allem immer dann zu zerfallen, wenn die gesellschaftlichen Konflikte nicht mehr innerhalb der Institutionen bearbeitet werden können.
Werden die Republikaner zur Bewegungspartei?
Wenn der noch-amtierende US-Präsident nun also die Wahlergebnisse nicht anerkennt und sich im Weißen Haus verbarrikadiert hat, ist das keineswegs nur narzisstischer Trotz. Die Weigerung aus dem Oval Office auszuziehen, offenbart sich vielmehr als Versuch, die Republikaner vollends in eine gefügige Bewegungspartei zu transformieren, in der jeder Abtrünnige den Zorn der trumpistischen Basis fürchten muss.
Sollte das gelingen, wird Trump auch nach seinem Auszug aus dem Weißen Haus eine bestimmende Figur der US-Politik bleiben – und der amerikanischen Demokratie steht ihre wirkliche Belastungsprobe womöglich erst noch bevor.