Kommission gegen Rückgabe der Plakatsammlung Sachs

Von Carsten Probst |
Hans Sachs trug eine einzigartige Plakatsammlung zusammen. 1937 wurde er von den Nazis enteignet und floh in die USA. Die Sammlung befindet sich heute im Besitz des Deutschen Historischen Museums in Berlin. Der Sohn von Hans Sachs fordert die Rückgabe der wertvollen Plakate. Doch eine Kommission unter Leitung von Jutta Limbach plädierte für den Verbleib in dem Berliner Museum.
Wer heute zum Thema der Sammlung Sachs die Forenseiten verschiedener deutscher Tageszeitungen im Internet anklickt, kann sich nur die Augen reiben. Die Hälfte aller Foreneinträge bezichtigt Peter Sachs, den Erben des bedeutenden Sammlers historischer Plakate Hans Sachs, der Raffgier und der Gerissenheit. Das Wort Geld- oder Raffjude fällt zwar nicht, ist aber erkennbar gemeint. Peter Sachs hat es nämlich gewagt, noch 60 Jahre nach dem Ende des Dritten Reiches zu hinterfragen, ob die Sammlung seines Vaters oder das, was von ihr übrig ist, sich tatsächlich rechtmäßig im Besitz des Deutschen Historischen Museums befindet oder nicht.

Nicht wenige ziehen jetzt einen direkten Vergleich zum Fall des Anfang Dezember vom Berliner Senat an eine Erbengemeinschaft zurückgegebenen Gemäldes "Straßenszene" von Ernst Ludwig Kirchner, das dann bei einer New Yorker Auktion für 36 Millionen Dollar verkauft worden war. Und auch Peter Sachs dürfte doch inzwischen entdeckt haben, dass die Sammlung historischer Plakate vom Ende des 19. Jahrhunderts, die seinem Vater von den Nazis geraubt worden waren, heute einige Millionen Euro wert sein dürfte, während die Entschädigung, die die Familie Anfang der 70er Jahre von der Bundesrepublik dafür erhalten hatte, "nur" 225.000 D-Mark betrug. So liegt der – offenkundig also gar nicht so seltene – Verdacht anscheinend auf der Hand, Erben wollten sich nachträglich an deutschem Museumsgut bereichern. Ein Verdacht, der an Dummheit und Bösartigkeit kaum zu überbieten ist. Generös wird ausgeblendet, dass der Geldfaktor für diese Restitutions-Entscheidungen nicht die geringste Rolle spielt. Auch ist unerheblich, wann sich Erben, die das Naziregime ihres Besitzes beraubt hat, melden.

Da Deutschland mit dem Washingtoner Abkommen Ende der 90er Jahre eine moralische Verpflichtung unterzeichnet hat, alle Restitutionsansprüche von zur NS-Zeit enteigneten Familien weiterhin zu prüfen und Gerechtigkeit walten zu lassen, erübrigen sich alle Ressentiments. Hätte es damals keine Entschädigung an die Familie Sachs gegeben, das Deutsche Historische Museum hätte die Plakatsammlung herausgeben müssen. In diesem Fall aber entschied die Kommission unter Vorsitz der ehemaligen Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, dass die 225.000 D-Mark Anfang der 70er Jahre einen angemessenen Zeitwert der Sammlung widerspiegelten und somit heute keine weiteren Ansprüche des Erben bestehen. Das Urteil erscheint ausgewogen, weil nicht zuletzt der Sammler Hans Sachs selbst an seinem amerikanischen Wohnort damals in einem Brief die Entschädigung als großzügig bezeichnet hatte. Er war also zufrieden gestellt.

Auch alle Tiraden gegen die angebliche Arroganz des Deutschen Historischen Museums, dererwegen man sich angeblich schämen müsse, ein Deutscher zu sein, erübrigen sich. Was fehlt, ist nach wie vor eine gut durchfinanzierte Provenienzforschung in den Museen, die lange Zeit wohlweißlich nicht betrieben wurde. Und es fehlen transparente Verfahren, die auf der Basis nüchterner rechtlicher Würdigungen über die Restitution oder Verbleib von Kunstwerken in Deutschland entscheiden. Die Limbach-Kommission ist dafür vielleicht ein guter Anfang – mehr als ein Provisorium bisweilen freilich auch noch nicht.
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