Julia Reuschenbach (*1988) ist Politikwissenschaftlerin und seit Juni 2020 Wissenschaftliche Referentin der Direktion der Stiftung Berliner Mauer. Außerdem ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Geschichtspolitik, Erinnerungskultur, politisch-historische Bildung, deutsche Zeitgeschichte und politisches System.
Kommunikation in der Pandemie
RKI-Chef Lothar Wieler (Mitte) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauerbach (rechts) informieren zum Stand der Omikron-Welle. Julia Reuschenbach fordert von ihnen gut verständliche Erklärungen. © imago / Chris Emil Janßen
Immer neue Begriffe, schlecht vermittelt
14:28 Minuten
Inzidenz, Hospitalisierung, Krankheitslast: Die Politik erkläre die immer neuen Corona-Indikatoren nicht genug, sagt die Politologin Julia Reuschenbach. Handlungsbedarf sieht sie auch im Verhältnis zwischen Wissenschaft und Medien. Im Fokus: „Bild“.
Täglich steht Deutschland in der Omikron-Welle vor Rekordwerten bei Neuinfektionen. Doch der Krankheitsverlauf ist oftmals nicht schwer. Für die Beurteilung der Pandemie will das Robert Koch-Institut nun weniger auf die Sieben-Tage-Inzidenz als auf die so genannte Krankheitslast schauen: Anzahl und Schwere der Erkrankungen sollen also fortan wichtige Bezugsgrößen sein.
Übermüdungs- und Erschöpfungseffekt
Inzidenz, R-Wert, Hospitalisierung, Krankheitslast: Angesichts der häufig wechselnden Werte und Begriffe im Verlauf der Coronakrise komme man leicht durcheinander, sagt die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach. Der „wunde Punkt“ liege dabei in der politischen Kommunikation zur Pandemiebekämpfung: Ihrer Ansicht nach hat es die Politik bisher versäumt, ihre Aussagen klar und verständlich zu treffen. Die Folge: Bei vielen stelle sich ein Übermüdungs- und Erschöpfungseffekt ein.
Kritisch sieht die Politologin auch die Rolle des Journalismus, insbesondere der Boulevardmedien. Dass nun die „Bild“-Chefredaktion und renommierte Personen der Wissenschaft in einen Dialog getreten seien, sei ein „wichtiges Signal“. Allerdings brauche dieser Dialog auch Regeln.
Dialog zwischen "Bild" und Wissenschaft
Mit Bezug auf einen Artikel, in dem die „Bild“ Forschende als angebliche „Lockdown-Macher“ bezeichnete, meint Reuschenbach: „Wenn Zusammenhänge hergestellt werden zwischen Wissenschaftler*innen und deren Forschungsergebnissen und politischen Entscheidungen, dann wird eine rote Linie überschritten.“ Nicht die Wissenschaft in Deutschland treffe die Entscheidungen über politische Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, sondern die Politik.
Skandalisierung und Zuspitzung
Personen öffentlichkeitswirksam auf dem Titelbild „zur Schau zu stellen“ und sie damit auch zu gefährden, sei so eine „rote Linie im Diskurs“. Reuschenbach zeigt sich insgesamt skeptisch, dass sich an der Boulevard-Praxis der Zuspitzung und Skandalisierung nachhaltig etwas ändere. Immerhin sei es eine „gute Botschaft“, dass sich die „Bild“-Chefredaktion der Diskussion stelle. Und dass sich auch die Wissenschaft den Fragen des Boulevards öffne.
(bth)
(bth)