Kommunikationsforscher: Bundeswehr verfehlt mit neuem Slogan ihr Ziel
Mit ihrem neuen Slogan "Wir.Dienen.Deutschland" betreibe die Bundeswehr Nabelschau und sehe nicht ihre eigentlichen Adressaten, sagt der Kommunikationswissenschaftler Hans-Jürgen Arlt. Verteidigungsminister de Maiziere lege offenbar sein Verständnis der Bundeswehr zu Grunde.
Jan-Christoph Kitzler: "Wir.Dienen.Deutschland" – diesen Slogan werden wir ab heute wohl des Öfteren lesen. An Plakatwänden und in Zeitungen wirbt die Bundeswehr um Freiwillige, auch in den elektronischen Medien natürlich. Heute beginnt die Kampagne und heute will Verteidigungsminister Thomas de Maizière die ersten Freiwilligen sozusagen per Handschlag begrüßen. Die Wehrpflicht ist seit Juli praktisch abgeschafft und deshalb muss die Bundeswehr auf einmal interessant werden für junge Leute und Männer, die sich eine Zeit lang für die Bundeswehr entscheiden, nicht nur, weil sie müssen. Rund 5000 Freiwillige sollen in Zukunft zur Bundeswehr gehören. Ob diese Zahl erreicht wird, ist zurzeit noch unklar. Wann, was kann die neue Kampagne für die Bundeswehr bringen und ist das überhaupt ein gutes Umfeld für eine solche Kampagne? Das will ich jetzt mit dem Kommunikationswissenschaftler Hans-Jürgen Arlt besprechen. Schönen guten Morgen!
Hans-Jürgen Arlt: Guten Morgen!
Kitzler: Herr Arlt, beginnen wir mal mit dem Slogan: "Wir.Dienen.Deutschland" – wird der denn viele Menschen für die Bundeswehr begeistern?
Arlt: Also ich glaube, man muss zunächst diesen Slogan einordnen. Dieser Slogan ist nicht einfach das Motto einer Kampagne, also einer Rekrutierungskampagne, sondern dieser Slogan ist ja Bestandteil, soll künftig Bestandteil des Logos, des Markenkerns der Bundeswehr sein. Also das sind unter Kommunikationsgesichtspunkten zwei sehr verschiedene Dinge, und ich finde, dass die Deutsche Presseagentur da richtig irreführend diesen Slogan eingeführt hat, weil sie nämlich gesagt hat, dass das ein Slogan ist – "Wir.Dienen.Deutschland" –, damit will die Bundeswehr nach dem Aussetzen der Wehrpflicht um Nachwuchs werben. Das ist ein Nebengesichtspunkt. Mit diesem Slogan will die Bundeswehr sich in der Öffentlichkeit neu präsentieren. Die Bundeswehr weiß und sieht, sie kann nicht mehr einberufen, sie kann nur noch rufen, mit dem Risiko auch, ein Rufer in der Wüste zu sein. Sie muss sich neu positionieren, sie muss sich wie alles andere auch, was auf dem Markt sich präsentieren muss, als Marke etablieren - als Marke ist sie etabliert -, verfestigen, sich neu präsentieren.
Kitzler: Das heißt, "Wir.Dienen.Deutschland", das ist auch sozusagen eine Imagewerbung für die Bundeswehr.
Arlt: Es ist im Kern Image, und es ist nicht im Kern Moment einer Rekrutierungskampagne.
Kitzler: Ist denn dieses Image, dieses neue Image oder dieses verfestigte Image, von dem Sie sprechen, nötig, damit junge Menschen das Gefühl haben, die Bundeswehr ist ein attraktiver Arbeitgeber, hier verbringe ich meine Zeit sinnvoll?
Arlt: Alsodass die Bundeswehr an ihrem Image arbeitet wie jeder andere Arbeitgeber auch, das ist ohne Frage eine sinnvolle Überlegung der Bundeswehr in dieser Situation. Und die Frage ist, ob dieser Slogan der Bundeswehr - gut, positiv, attraktiv - hilft, in der Öffentlichkeit, in der Wahrnehmung der Menschen zu präsentieren. Also positiv ist auf jeden Fall, dass die Bundeswehr sieht, in dieser Situation, in der sich für uns dramatisch etwas ändert, in der wir als Organisation in einer strukturell völlig neuen Situation sind, müssen wir auch unsere Kommunikation umstellen.
Kitzler: "Wir" und "Deutschland", das mache ich mit. Aber dienen ist natürlich ein Wort, was ein bisschen aus der Mode gekommen ist. Ist das trotzdem eins, was junge Menschen hinterm Ofen hervorlockt?
Arlt: Also wir können ja noch mal ein bisschen darüber reden, was ein guter Slogan sein könnte. Wenn Sie sich, wenn Sie in ihrem Gesicht ein bisschen kramen, "Mach mal Pause", "Atomkraft? Nein Danke", "Vorsprung durch Technik", "Nicht immer, aber immer öfter", dann merken Sie, das waren eingängige Slogans, die waren kurz, einfach, anschlussfähig, und sie waren merkwürdig in einem doppelten Sinne. Es fällt auf und es erscheint einem wert, es zu merken und in die Alltagskommunikation zu übernehmen. Das ist sozusagen die Kraft, die in einem Slogan steckt. Und ein guter Slogan weiß, dass Kommunikation ein Dreiecksverhältnis ist. Und wie die Geometrie und die Liebe uns sagen: Dreiecksverhältnisse sind außerordentlich kompliziert. Also das Verhältnis zwischen dem Absender, der Mitteilung und dem Adressaten. Und die Absender bilden sich immer ein, sie seien die Herren der Kommunikation, weil sie diejenigen sind, die über die Mitteilung bestimmen. Aber die Wirkung der Mitteilung, das, wie die Adressaten damit umgehen, das ist die Entscheidung des Publikums, der Adressaten. Ich kann hier sagen, was ich will, und kann mir einbilden, das sei das Klügste und Schönste, darüber entscheiden die Hörerinnen und Hörer.
Kitzler: Und "Wir.Dienen.Deutschland" hat dann durchaus auch Potenzial. Die Frage ist ja, wen erreicht diese Kampagne? Die Bundeswehr braucht ja einerseits Leute, die, sag ich mal, Fußvolk sind, einfach qualifiziert; andererseits braucht man ja auch hoch spezialisierte Spezialisten. Kann denn so eine Imagekampagne die ganze Breite ansprechen?
Arlt: Also ich mein … da ist jetzt genau die Frage: "Wir.Dienen.Deutschland", ich habe sehr den Eindruck, dass dieser Slogan einfach hausgemacht ist. Also, dass das wirklich Nabelschau ist, die die Bundeswehr mit diesem Slogan betreibt. Sie denkt an sich, sie sieht sich und sie sieht mit diesem Slogan eigentlich nicht ihre Adressaten. Und damit meine ich jetzt nicht nur sozusagen ihre potenziellen neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern es ist ja ein Markenzeichen. Sie will sich damit in der Gesamtöffentlichkeit positionieren und präsentieren. Und ich glaube, dass das wie gesagt sehr hausgemacht ist, und es hilft überhaupt nichts, wenn der Verteidigungsminister sich hinstellt und dann diesen Slogan interpretiert und uns deutet, wie wir diesen Slogan zu verstehen hätten. Wir verstehen diesen Slogan, wie wir ihn verstehen wollen, da hat der Verteidigungsminister keine Chance. Ich meine, er stellt sich hin und sagt, man soll im positiven Sinne, ich zitiere ihn, über das "Wir" stolpern, deshalb ist dieser Punkt dazwischen, über das "Dienen", über das "Deutschland". "Wir", das ist Kameradschaft, "Dienen" ist der Dienstgedanke, "Deutschland" steht für Patriotismus. Ich meine, das signalisiert doch sehr stark, dass er sich einbildet, sein Verständnis als Grundlage nehmen zu können, um damit alle zu erreichen. Er muss über seine Adressaten nachdenken bei einem Slogan, und nicht nur über sich selber.
Kitzler: "Wir.Dienen.Deutschland", heute beginnt die Imagekampagne für die Bundeswehr. Das war der Kommunikationswissenschaftler Hans-Jürgen Arlt. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
Arlt: Ich danke Ihnen!
Hans-Jürgen Arlt: Guten Morgen!
Kitzler: Herr Arlt, beginnen wir mal mit dem Slogan: "Wir.Dienen.Deutschland" – wird der denn viele Menschen für die Bundeswehr begeistern?
Arlt: Also ich glaube, man muss zunächst diesen Slogan einordnen. Dieser Slogan ist nicht einfach das Motto einer Kampagne, also einer Rekrutierungskampagne, sondern dieser Slogan ist ja Bestandteil, soll künftig Bestandteil des Logos, des Markenkerns der Bundeswehr sein. Also das sind unter Kommunikationsgesichtspunkten zwei sehr verschiedene Dinge, und ich finde, dass die Deutsche Presseagentur da richtig irreführend diesen Slogan eingeführt hat, weil sie nämlich gesagt hat, dass das ein Slogan ist – "Wir.Dienen.Deutschland" –, damit will die Bundeswehr nach dem Aussetzen der Wehrpflicht um Nachwuchs werben. Das ist ein Nebengesichtspunkt. Mit diesem Slogan will die Bundeswehr sich in der Öffentlichkeit neu präsentieren. Die Bundeswehr weiß und sieht, sie kann nicht mehr einberufen, sie kann nur noch rufen, mit dem Risiko auch, ein Rufer in der Wüste zu sein. Sie muss sich neu positionieren, sie muss sich wie alles andere auch, was auf dem Markt sich präsentieren muss, als Marke etablieren - als Marke ist sie etabliert -, verfestigen, sich neu präsentieren.
Kitzler: Das heißt, "Wir.Dienen.Deutschland", das ist auch sozusagen eine Imagewerbung für die Bundeswehr.
Arlt: Es ist im Kern Image, und es ist nicht im Kern Moment einer Rekrutierungskampagne.
Kitzler: Ist denn dieses Image, dieses neue Image oder dieses verfestigte Image, von dem Sie sprechen, nötig, damit junge Menschen das Gefühl haben, die Bundeswehr ist ein attraktiver Arbeitgeber, hier verbringe ich meine Zeit sinnvoll?
Arlt: Alsodass die Bundeswehr an ihrem Image arbeitet wie jeder andere Arbeitgeber auch, das ist ohne Frage eine sinnvolle Überlegung der Bundeswehr in dieser Situation. Und die Frage ist, ob dieser Slogan der Bundeswehr - gut, positiv, attraktiv - hilft, in der Öffentlichkeit, in der Wahrnehmung der Menschen zu präsentieren. Also positiv ist auf jeden Fall, dass die Bundeswehr sieht, in dieser Situation, in der sich für uns dramatisch etwas ändert, in der wir als Organisation in einer strukturell völlig neuen Situation sind, müssen wir auch unsere Kommunikation umstellen.
Kitzler: "Wir" und "Deutschland", das mache ich mit. Aber dienen ist natürlich ein Wort, was ein bisschen aus der Mode gekommen ist. Ist das trotzdem eins, was junge Menschen hinterm Ofen hervorlockt?
Arlt: Also wir können ja noch mal ein bisschen darüber reden, was ein guter Slogan sein könnte. Wenn Sie sich, wenn Sie in ihrem Gesicht ein bisschen kramen, "Mach mal Pause", "Atomkraft? Nein Danke", "Vorsprung durch Technik", "Nicht immer, aber immer öfter", dann merken Sie, das waren eingängige Slogans, die waren kurz, einfach, anschlussfähig, und sie waren merkwürdig in einem doppelten Sinne. Es fällt auf und es erscheint einem wert, es zu merken und in die Alltagskommunikation zu übernehmen. Das ist sozusagen die Kraft, die in einem Slogan steckt. Und ein guter Slogan weiß, dass Kommunikation ein Dreiecksverhältnis ist. Und wie die Geometrie und die Liebe uns sagen: Dreiecksverhältnisse sind außerordentlich kompliziert. Also das Verhältnis zwischen dem Absender, der Mitteilung und dem Adressaten. Und die Absender bilden sich immer ein, sie seien die Herren der Kommunikation, weil sie diejenigen sind, die über die Mitteilung bestimmen. Aber die Wirkung der Mitteilung, das, wie die Adressaten damit umgehen, das ist die Entscheidung des Publikums, der Adressaten. Ich kann hier sagen, was ich will, und kann mir einbilden, das sei das Klügste und Schönste, darüber entscheiden die Hörerinnen und Hörer.
Kitzler: Und "Wir.Dienen.Deutschland" hat dann durchaus auch Potenzial. Die Frage ist ja, wen erreicht diese Kampagne? Die Bundeswehr braucht ja einerseits Leute, die, sag ich mal, Fußvolk sind, einfach qualifiziert; andererseits braucht man ja auch hoch spezialisierte Spezialisten. Kann denn so eine Imagekampagne die ganze Breite ansprechen?
Arlt: Also ich mein … da ist jetzt genau die Frage: "Wir.Dienen.Deutschland", ich habe sehr den Eindruck, dass dieser Slogan einfach hausgemacht ist. Also, dass das wirklich Nabelschau ist, die die Bundeswehr mit diesem Slogan betreibt. Sie denkt an sich, sie sieht sich und sie sieht mit diesem Slogan eigentlich nicht ihre Adressaten. Und damit meine ich jetzt nicht nur sozusagen ihre potenziellen neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern es ist ja ein Markenzeichen. Sie will sich damit in der Gesamtöffentlichkeit positionieren und präsentieren. Und ich glaube, dass das wie gesagt sehr hausgemacht ist, und es hilft überhaupt nichts, wenn der Verteidigungsminister sich hinstellt und dann diesen Slogan interpretiert und uns deutet, wie wir diesen Slogan zu verstehen hätten. Wir verstehen diesen Slogan, wie wir ihn verstehen wollen, da hat der Verteidigungsminister keine Chance. Ich meine, er stellt sich hin und sagt, man soll im positiven Sinne, ich zitiere ihn, über das "Wir" stolpern, deshalb ist dieser Punkt dazwischen, über das "Dienen", über das "Deutschland". "Wir", das ist Kameradschaft, "Dienen" ist der Dienstgedanke, "Deutschland" steht für Patriotismus. Ich meine, das signalisiert doch sehr stark, dass er sich einbildet, sein Verständnis als Grundlage nehmen zu können, um damit alle zu erreichen. Er muss über seine Adressaten nachdenken bei einem Slogan, und nicht nur über sich selber.
Kitzler: "Wir.Dienen.Deutschland", heute beginnt die Imagekampagne für die Bundeswehr. Das war der Kommunikationswissenschaftler Hans-Jürgen Arlt. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
Arlt: Ich danke Ihnen!