Komödie über Leute Anfang Dreißig
In dem Zeitgeist-Stück des 1978 geborenen Ewald Palmetshofer ist das Wohnen eine existentielle Metapher. Drei, die einst eine WG gebildet haben, ziehen Bilanz und wärmen sich an politischen Idealen. "Wohnen. unter glas" ist kräftiges Theater, das Lebenslügen aufdeckt und den sozialen Loser als Shakespearschen Narren präsentiert.
Lediglich ein einziges Stück, "hamlet ist tot. keine schwerkraft" war erst von ihm aufgeführt worden, und schon ist der 1978 geborene Österreicher Ewald Palmetshofer, zur Zeit Hausautor des "Wiener Schauspielhauses", damit für den Mühlheimer Dramatikerpreis 2008 nominiert worden, eine Auszeichnung, die in der Regel nur etablierten Autoren zuteil wird.
Doch nun gibt und wird es bald allüberall "Palmetshofers" geben! Wenn es dabei so lustvoll zugeht wie in Graz, dann stehen vergnügliche Theaterabende bevor. "wohnen in glas", noch vor "hamlet ist tot" geschrieben, erweist sich im Gegensatz zu dem prämierten Stück als einfaches und fast zu übersichtlich konstruiertes Drama, kann aber das Erfolgskonzept Palmetshofers gut veranschaulichen.
Vordergründig ist es ein Zeitgeist-Stück, eine Komödie über Leute Anfang Dreißig, ein Thema also, auf das das Feuilleton ja gerne aufspringt: Babsi, Jeani und Max haben einst gemeinsam in einer Wohngemeinschaft gewohnt, vielleicht auch gemeinsame Ideale, linke Ideale mag sein, gehabt und sind nun ihrer eigenen Wege gegangen. Nach ein paar Jahren treffen sie sich wieder in einem Hotel und analysieren ihre Sehnsucht nach Nähe, ihre frühere vermeintliche Solidarität und ihren Verrat. "Wir haben einmal dazu gehört: zur Mittelschicht – zur emotionalen Mittelschicht", aber "schleichend" haben wir alles hinter uns gelassen, stellen sie fest. "Und dann. Plötzlich./ Plötzlich./ Grenze. /Armutsgrenze./ Emotional/ Emotionale Armutsgrenze/ Schleichen. Plötzlich. Drunter. / Du" wird in Ein-Wort-Sätzen skandiert.
Max, dem Hahn im Korb der Dreier-Wohngemeinschaft, ist plötzlich klar, dass er den Zenit seines Lebens schon überschritten hat, es bloß nicht gemerkt habe, da sein – nun schon vergangener - Lebenshöhepunkt ganz leise und enttäuschend öde war. Wohnen unter Glas heißt nicht das "richtige" Leben mehr spüren: Bei Palmetshofer ist Wohnen also eine existentielle Metapher und erinnert wohl auch an den Werbespruch eines Möbelhauses für 30-Jährige "Wohnst du noch, oder du lebst du schon". Irgendwann gab es vielleicht einmal Ideale, aber wo sind sie? Ein wenig scheint ein zehn Jahre älterer Text und sein Lebensgefühl bei Palmetshofer durchzuschimmern: Michel Houellebecqs "Ausweitung der Kampfzone".
Was Palmetshofers Stück so vergnüglich macht, ist sein Sound: unvollständige Sätze, oft und oft wiederholte Wendungen. Neben fast lyrischen Reflexionen – bei "wohnen in Glas" von den Frauen vorgetragen – und den Szenen im Hotel auch lange fast theoretische Monologe. Man ist an René Pollesch erinnert. Aber – in der Grazer Aufführung jedenfalls – sind es genau gezeichnete, erkennbare Figuren. Im Gegensatz zur Wien, wo das Stück lediglich im Format "Konzept", also ohne eigenes Bühnenbild und größere Probezeit im Wiener Schauspielhaus, herauskam, hat Hanna Rudoph in Graz sehr sorgfältig gearbeitet, abstinent auch bezüglich Übermalungen durch Aktionen des Regietheaters; die mögliche Larmoyanz des Stückes und Palmetshofers Transzendenzversuche (er studiert Theologie und Philosophie und will einmal Religionslehrer werden) hat sie klug umschifft und erkennbar komische Figuren, die doch bisweilen abgründig wirken, agieren lassen.
Das Schauspieltrio (Jaschka Lämmert, Ninja Reichert und Markus Schneider) ist auch vorzüglich in Fahrt und dennoch denunzieren sie ihre Figuren nicht: Max etwa, ein liebenswürdiger Egoist und Schmalspurphilosoph, der es beim Sex, ja sogar beim Kuscheln einst in der Wohngemeinschaft und auch im Hotel seine Reserven gegenüber den beiden Frauen aufbaut: mit geripptem Unterhemd unter der Lederjacke, bewaffnet manchmal mit einer Jutetasche: Markus Schneider zuzuhören ist ein Vergnügen!
Dass Palmetshofer sich nicht auf einen wehleidigen Zeitgeist-Befund über die "Generation 30" reduzieren lässt, macht wohl den Wert seiner Stücke aus. Die wärmenden politischen Ideale, die man vermisst - die Demos gegen die Nachrüstung oder gegen Wackersdorf, die als Film in Graz eingespielt werden – liegen ja nicht fünf, sondern schon mehr als 20 Jahre zurück, in einer Zeit, in der Palmetshofer wohl noch nicht in einer Wohngemeinschaft lebte, sondern bestenfalls den Kindergarten besuchte. ""wohnen im Glas" ist zeitloses kräftiges Theater, das – wie Ibsen meinetwegen – Lebenslügen aufdeckt und den sozialen Loser als – um hoch zu greifen – als Shakespearschen Narren, als Komiker jedenfalls präsentiert.
Doch nun gibt und wird es bald allüberall "Palmetshofers" geben! Wenn es dabei so lustvoll zugeht wie in Graz, dann stehen vergnügliche Theaterabende bevor. "wohnen in glas", noch vor "hamlet ist tot" geschrieben, erweist sich im Gegensatz zu dem prämierten Stück als einfaches und fast zu übersichtlich konstruiertes Drama, kann aber das Erfolgskonzept Palmetshofers gut veranschaulichen.
Vordergründig ist es ein Zeitgeist-Stück, eine Komödie über Leute Anfang Dreißig, ein Thema also, auf das das Feuilleton ja gerne aufspringt: Babsi, Jeani und Max haben einst gemeinsam in einer Wohngemeinschaft gewohnt, vielleicht auch gemeinsame Ideale, linke Ideale mag sein, gehabt und sind nun ihrer eigenen Wege gegangen. Nach ein paar Jahren treffen sie sich wieder in einem Hotel und analysieren ihre Sehnsucht nach Nähe, ihre frühere vermeintliche Solidarität und ihren Verrat. "Wir haben einmal dazu gehört: zur Mittelschicht – zur emotionalen Mittelschicht", aber "schleichend" haben wir alles hinter uns gelassen, stellen sie fest. "Und dann. Plötzlich./ Plötzlich./ Grenze. /Armutsgrenze./ Emotional/ Emotionale Armutsgrenze/ Schleichen. Plötzlich. Drunter. / Du" wird in Ein-Wort-Sätzen skandiert.
Max, dem Hahn im Korb der Dreier-Wohngemeinschaft, ist plötzlich klar, dass er den Zenit seines Lebens schon überschritten hat, es bloß nicht gemerkt habe, da sein – nun schon vergangener - Lebenshöhepunkt ganz leise und enttäuschend öde war. Wohnen unter Glas heißt nicht das "richtige" Leben mehr spüren: Bei Palmetshofer ist Wohnen also eine existentielle Metapher und erinnert wohl auch an den Werbespruch eines Möbelhauses für 30-Jährige "Wohnst du noch, oder du lebst du schon". Irgendwann gab es vielleicht einmal Ideale, aber wo sind sie? Ein wenig scheint ein zehn Jahre älterer Text und sein Lebensgefühl bei Palmetshofer durchzuschimmern: Michel Houellebecqs "Ausweitung der Kampfzone".
Was Palmetshofers Stück so vergnüglich macht, ist sein Sound: unvollständige Sätze, oft und oft wiederholte Wendungen. Neben fast lyrischen Reflexionen – bei "wohnen in Glas" von den Frauen vorgetragen – und den Szenen im Hotel auch lange fast theoretische Monologe. Man ist an René Pollesch erinnert. Aber – in der Grazer Aufführung jedenfalls – sind es genau gezeichnete, erkennbare Figuren. Im Gegensatz zur Wien, wo das Stück lediglich im Format "Konzept", also ohne eigenes Bühnenbild und größere Probezeit im Wiener Schauspielhaus, herauskam, hat Hanna Rudoph in Graz sehr sorgfältig gearbeitet, abstinent auch bezüglich Übermalungen durch Aktionen des Regietheaters; die mögliche Larmoyanz des Stückes und Palmetshofers Transzendenzversuche (er studiert Theologie und Philosophie und will einmal Religionslehrer werden) hat sie klug umschifft und erkennbar komische Figuren, die doch bisweilen abgründig wirken, agieren lassen.
Das Schauspieltrio (Jaschka Lämmert, Ninja Reichert und Markus Schneider) ist auch vorzüglich in Fahrt und dennoch denunzieren sie ihre Figuren nicht: Max etwa, ein liebenswürdiger Egoist und Schmalspurphilosoph, der es beim Sex, ja sogar beim Kuscheln einst in der Wohngemeinschaft und auch im Hotel seine Reserven gegenüber den beiden Frauen aufbaut: mit geripptem Unterhemd unter der Lederjacke, bewaffnet manchmal mit einer Jutetasche: Markus Schneider zuzuhören ist ein Vergnügen!
Dass Palmetshofer sich nicht auf einen wehleidigen Zeitgeist-Befund über die "Generation 30" reduzieren lässt, macht wohl den Wert seiner Stücke aus. Die wärmenden politischen Ideale, die man vermisst - die Demos gegen die Nachrüstung oder gegen Wackersdorf, die als Film in Graz eingespielt werden – liegen ja nicht fünf, sondern schon mehr als 20 Jahre zurück, in einer Zeit, in der Palmetshofer wohl noch nicht in einer Wohngemeinschaft lebte, sondern bestenfalls den Kindergarten besuchte. ""wohnen im Glas" ist zeitloses kräftiges Theater, das – wie Ibsen meinetwegen – Lebenslügen aufdeckt und den sozialen Loser als – um hoch zu greifen – als Shakespearschen Narren, als Komiker jedenfalls präsentiert.