Ohne Musik keine Strichmännchen
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Die Bilder des Malers Keith Haring sind ikonisch. Seine Figuren mit klaren Umrissen tanzen, seine Babys krabbeln, bellende Hunde sind darunter oder fliegende Untertassen. Wie stark Musik Harings Kunst beeinflusst hat, zeigt jetzt ein neues Mixtape.
Das New Yorker East Village der 80er-Jahre ist ein viel besungener und oft beschriebener Mythos: ein grauer, heruntergekommener Ort voller Drogen und Kriminalität. Aber eben auch ein Ort von überschäumender Kreativität, Ekstase und neuen Ausdrucksformen. Mitten in dieser Gruppe von Freaks, bildenden Künstlern und Musikern: Keith Haring. Schon mit Anfang zwanzig war er eine zentrale Figur in dieser Szene.
Die Liste der bekannten Künstler, die sich damals im Village herumtrieben, ist sehr lang. Zu den Freunden von Keith Haring gehörten unter anderem der Hip-Hop-Pionier Fab Five Freddy, Andy Warhol, eine noch unbekannte Sängerin und Tänzerin namens Madonna, Yoko Ono, Grace Jones und Jean Michel Basquiat.
In verschiedenen Genres unterwegs
Jean Michel Basquiat und seine Band Gray sind nur ein Beispiel für viele bildende Künstler, die gleichzeitig Musiker waren. Suchte man den idealen Fremdenführer und Experten für all diese verwobenen Szenen, Keith Haring wäre der richtige Mann. Nicht nur die Kunstformen mischten sich, auch die Stile waren noch nicht so streng getrennt.
Die Grenzen zwischen Dance-Music, Punk und Hip-Hop verschwammen, und so war es vollkommen normal, wenn Haring, Fab Five Freddy und der DJ Afrika Bambaataa eine Graffiti Show gaben, während ein Stockwerk tiefer im "Mudd Club" Punk- und New-Wave-Bands spielten.
Perfektion verneint
Im Allgemeinen lag über allem dieses gewisse Punk-Ethos von "Do It Yourself" - diese Geschwindigkeit, dieses "Heute denken, morgen fertig". Wie auch Haring selbst einmal in einem Interview formulierte: "Ich denke, es ist wichtiger, ständig verschiedene Dinge zu tun und permanent neue Bilder und Motive herauszubringen, als das eine große, perfekte Werk zu schaffen. Ja, die Bilder entstehen schnell. Aber es ist ja auch eine schnelle Welt."
Die Kompilation "The World of Keith Haring" ist wie ein Mixtape, das Harings breit gefächerten Musikgeschmack zeigt, seine Einflüsse, seine Verbindungen. Viele der hier vertretenden Musiker waren Freunde. Es gibt Avantgardistisches und No-Disco von Yoko Ono und John Sex, ruppigen Dance-Punk von The Girls, dazu frühe Electronica, Breakdance-Music und Hip-Hop. Die Musik und all die Partys in Läden wie dem "Club 57", dem "Mudd Club" und der "Paradise Garage" spiegeln sich auch in Harings Arbeiten wieder.
Tanzparty im Bild
In seinen frühen Ausstellungen traten meist auch Breakdancer und DJs auf, und all diese Tänzer, B-Boys und B-Girls bevölkern auch seine Bilder. Das Album "The World of Keith Haring" erscheint in Zusammenarbeit mit dem Tate-Museum in Liverpool. Dort ist im Moment die erste größere Retrospektive des Künstlers in Großbritannien zu sehen. Auch in der Ausstellung wird der Einfluss der Musik auf Haring sichtbar, wie die Co-Kuratorin Tamar Hemmes zu berichten weiß:
"Eines der Highlights, in dem auch die Musik eine wichtige Rolle einnimmt, ist die Nachbildung einer Ausstellung von Haring aus dem Jahr 1983 mit dem Titel 'into 84'. Haring wollte eine Brücke zwischen der Straße und der Kunstwelt bauen. Er wandelte den Keller der Galerie in einen Musikclub um: An den Decken hingen Neonröhren, seine Bilder waren mit fluoreszierender Farbe gemalt und leuchteten in der Dunkelheit. Sein damaliger Freund war der DJ."
Mit vielen für alle
Haring liebte es, gemeinschaftlich zu arbeiten, egal ob mit Andy Warhol, Run DMC oder mit Kindern. Seine Bilder sollten für alle sein. Kunst und Populärkultur gehörten für ihn zusammen. Musik war allgegenwärtig, in seinem Pinselstrich, seinen fröhlichen Motiven und seiner freundlichen Art. Einen Teil seines Soundtracks können wir jetzt auf "The World of Keith Haring" nachhören.
Das Album ist soeben beim Label SoulJazz erschienen. Die Ausstellung zu Keith Haring im Tate Museum in Liverpool läuft noch bis zum 10. November, bevor sie weiter nach Brüssel geht und dann ab dem 22. Mai 2020 im Folkwang Museum in Essen zu sehen sein wird.