Der Hausmeister 2.0
Im Zuge der Energiewende werden Häuser immer häufiger zu Kraftwerken. Hausmeister sehen sich mit ausgeklügelter Technik wie einer Serverheizung im Keller oder einer Algenplantage an der Fassade konfrontiert. Brauchen "Facility Manager" künftig einen Masterabschluss?
Lothar Woytatsch geht über den Hof der Berufsschule Göhlbachtal in Hamburg. Ein zweistöckiger Flachbau aus dunklem Klinker. Hier werden Sozialpädagogen und Kaufleute ausgebildet. Unter seiner Baseballmütze ragen blonde Haare raus, sein Schnurrbart ist akkurat gestutzt. Die Hausmeister-Uniform von Lothar Woytatsch wirkt nagelneu, eine dunkelblaue Hose mit Containertaschen, darüber eine ebenso dunkelblaue Weste mit großen aufgesetzten Taschen und schmalen reflektierenden Streifen quer über die Brust. Darauf steht: Facility Manager.
"Das ist der neue Begriff für Hausmeister. Der frühere Begriff war einfach Hausmeister, und der heißt jetzt Facility Management. Weil der Hausmeister einfach ein Manager ist, der muss ja alles organisieren. Und is so."
Mit einem großen Karabiner hat Woytatsch eine Stahlkette an seiner Gürtelschlaufe eingehakt, an deren Ende der Schlüsselbund baumelt. Das wichtigste Element in diesem Schlüsselbund ist ein schwarzer Plastik-Knubbel.
"Das ist ein Transponder. Das ist ein Generalsschlüssel, der passt für die gesamte Schule, alle Türen, Alarmanlage, alles! Ein Transponder."
Für 200 Türen. Eine davon führt zum Keller. Dort betreut der 58-jährige gelernte Maler eine der modernsten Heizanlagen Hamburgs.
"Als alles neu war mit der Heizung - das war ein bisschen schwierig, das alles zu lernen mit der Heizung, mit der neuen Anlage, mit der Lüftung. Und da haben wir gedacht: Au weia, das schaffen wir nie im Leben."
Mit seinem Transponder öffnet Lothar Woytatsch eine dicke Stahltür. Dahinter der Heizraum. Wandfüllende Reihen von Rohren und Zylinder in glänzendem Edelstahl, chromblitzende Druckmesser, gelbe Thermostate. Die Sperr-Ventile haben blaue Kurbelräder, zufällig das gleiche kräftige Blau wie der Kragen von Lothar Woytatschs Poloshirt, das unter der Hausmeisteruniform hervorlugt. Der Mensch und die Technik wirken hier wie aus einem Guss. Sauber, effizient, freundlich. Bei der Heizung handelt es sich um eine Geothermie-Heizung. Lothar Woytatsch kennt das Grundprinzip.
"Das ist Erdwärme."
Welches der Rohre nun genau hinunterführt bis in 60 Meter Tiefe, das weiß Woytatsch schon nicht mehr. Auch nicht, dass die Erdwärme über eine Austauschflüssigkeit nach oben geführt wird. Diese Energie wird zum Heizen der Schule genutzt. Jedenfalls im Winter. Im Sommer wird überschüssige Wärme wieder zurück in die Erde gepumpt, als Speicher für den nächsten Winter. Eine elektronische Steuerung managt diese Systeme, verborgen in einem der Schaltschränke.
Für Woytatschs Augen sind nur wenige Anzeigen gedacht, einfache Zahlen auf schmalen Displays.
"Wir haben hier 1530 Schüler und die Schule darf nicht kalt werden."
Mehr kann er dann an der Stelle auch nicht machen, weil er nicht in der Technik drinsteckt, er kennt die Funktionsweise nicht.
Früher mussten Hausmeister noch Kohle schippen
Joachim Aldag trägt Jeans und ein weißes Hemd. Er ist der Bereichsleiter Gebäudemanagement bei der Firma Facility-Management Hamburg. Er kennt die Geothermie-Heizung an der Berufsschule Göhlbachtal besser als sein Hausmeister, denn er hat sie mit geplant und sorgt für die ständige Wartung aus der Ferne.
"Wenn man von dort aus nicht weiterkommt, wird ein Techniker entsandt, der dann hier vor Ort die Fehlersuche vornimmt und dann die Entstörung einleitet."
So sieht die dezentrale Energieversorgung der Zukunft aus. Der Hausmeister ist darin ein Dienstleister, ein anpassungsfähiges Rädchen im Effizienzgetriebe. Keine Spur mehr vom autoritären Herrscher über Schulhof und Keller. Nur die Tätowierung auf Woytatschs Unterarm erinnert an eine andere Zeit - als Hausmeister die Schüler an den Ohren ziehen durften und an Heizkesseln schrauben mussten.
Woytatsch hat im Vorgängergebäude noch die alte Gasheizung betreut, Kesseldruck und Pegelstände kontrolliert. Und er kann sich auch noch an Zeiten erinnern, als die Hausmeister noch Kohlen schippen musste.
"Ja früher gab's Koksheizung, da wurde angeliefert, zehn, zwanzig Tonnen Koks. Und die musste mit der Hand schippen. War ja Koksheizung. Heute geht alles digital, ist einfacher."
Die Berufsschule Göhlbachtal ist ein Gebäude auf der Höhe der Zeit. Was die Technik betrifft, aber auch das Betriebskonzept. Die Stadt Hamburg hat die Sanierung, den Neubau und den Betrieb gleich mehrerer Schulen ausgeschrieben. Eine sogenannte ÖPP, eine öffentlich private Partnerschaft und ein lukrativer Großauftrag. Eine Hamburger Baufirma, die Otto Wulf GmbH, hat das Gebäude errichtet.
Den Betrieb der Schulen übernimmt nun die Tochterfirma der Baufirma, die Facility Management Hamburg GmbH, kurz FMHH. Der Vorteil dieses Konstrukts: Bau und Betrieb der Gebäude liegen von Anfang an in einer Hand. Eine ganzheitliche Arbeitsweise, sagt Joachim Aldag. 25 Jahre lang bezahlt die Stadt Hamburg einen festen Preis für die Bewirtschaftung. Dafür muss die FM HH den Betrieb garantieren, mit allen Nebenkosten.
Joachim Aldag: "Wir haben in unserem Vertrag eine Garantie der Energiemengen. Das heißt wir garantieren nicht die Energiekosten, aber den Mengenverbrauch. Von daher haben wir auch ein ureigenes Interesse daran, möglichst wirtschaftlich mit diesen Ressourcen umzugehen."
Moderner Typus des Hausmeisters
Im Jahre 2014 wurden in Deutschland fast 50 Milliarden Euro mit Facility-Management Services erwirtschaftet. Die Branche verzeichnet dabei in den letzten Jahren ein stetiges Wachstum. Die Aussichten für die Zukunft sind durchweg optimistisch. Die großen Anbieter mit teilweise über 20.000 Beschäftigten wachsen dabei am stärksten. Kleinere Anbieter, wie die FM HH wehren sich gegen den Preisdruck mit Automation und motiviertem Personal.
Joachim Aldag: "Das Geheimnis liegt eigentlich darin, dass sich alle für das Objekt zuständig und verantwortlich fühlen."
Lothar Woytatsch: "Wir sparen uns viel Arbeit. Früher musste der Hausmeister laufen, laufen, laufen, laufen - und heute ist die Schule hier hochmodern."
Trotz der Vereinfachung läuft Lothar Woytatsch jeden Tag rund zehn Kilometer. Der Schulkomplex hat mehrere Gebäude, Sporthalle, Cafeteria, lange Gänge, Treppen. Insgesamt 17.000 Quadratmeter bewirtschaftete Fläche. Dazu ein weitläufiges Außengelände mit Grünflächen, Schulhöfen, Parkplätzen. Woytatsch, mit seinen 58 Jahren nicht mehr der Jüngste, ist froh über jeden Weg, den er sich sparen kann. Zum Beispiel den in den Keller zu den Zählern.
"Die ganzen Zähler, die seh' ich oben alle auf der GLT-Anlage. Das heißt: Ich brauch' nicht so viel mehr jetzt rumlaufen."
Die GLT-Anlage ist die Gebäude Leittechnik. Ein umfassendes System, in dem alle Räume beschrieben sind und mit dem alle technischen Anlagen kontrolliert und gesteuert werden können. Auch Lothar Woytatsch hat Zugang zur GLT. In seinem Büro stehen drei Bildschirme auf dem Schreibtisch.
"So jetzt muss ich mal das Passwort rein - …ich will jetzt Zähler ablesen, Wasserzähler Oberstufenhaus, Wärme, und das geht dann weiter, immer weiter. Alle Häuser. Hab' ich gleich alle Zähler. Weiß ich am Monatsende Bescheid - den Verbrauch. Ich krieg' von der Firma so eine Liste zugeschickt und da trag ich die Werte in meine Liste ein und die wird abgeschickt."
Das spart einige Stunden im Monat. Und: Im Computer kann der Hausmeister vergleichen, wie viel pro Monat an Wasser, Strom und Energie verbraucht wird. Geht der Verbrauch überraschend nach oben, informiert er eine Firma.
Ein Hausmeister wie Lothar Woytatsch verkörpert den modernen Typus. Freundlich, fleißig, kompetent. Er ist der Partner der Schüler, er ist der Partner der Schulleitung, er ist der Partner der Handwerker, die Reparaturen ausführen, und er ist der Partner der Spezialisten, die die Technik warten und einregulieren. Er ist irgendwie immer zuständig und ist das Mädchen für alles. Die neue Technik nimmt ihm gleichzeitig Arbeit ab und sie stresst ungemein.
"Also früher hat es der Hausmeister einfacher gehabt, heute aus meiner Sicht, doppelte Arbeit. Auch mit den neuen Anlagen. Manchmal ist es auch zu viel. Alle Lehrer kommen an, dann kommen die Handwerker, die wollen die Wartung machen. Dann hat man manchmal ein bisschen Kopfschmerzen."
Fachzeitschrift "Der Hausmeister"
Es ist Herbst, die Blätter fallen. Jeden Tag holt Lothar Woytatsch den Laubpuster aus der Werkstatt, schnallt ihn wie einen Rucksack auf den Rücken. Früher musste er Schulhof, Rasen und Parkplatz mit Rechen und Besen reinigen.
Der Motor wiegt bestimmt 8 Kilo, aber für Woytatsch ist es eine Erleichterung, einfach mal eine oder zwei Stunden Laub vor sich her zu pusten, und an nix denken zu müssen. Schon gar nicht an irgendwelche Neuerungen.
"Also ich schätze, hier wird nix mehr erneuert. Hier ist alles neu, das ist fertig. Und ich bleibe hier bis zur Rente und dann ist Schluss aus, Ende. Gefällt mir hier, alles gut."
Über 80 Prozent der Beschäftigten im Facilitybereich identifizieren sich mit ihrem Beruf und kommen gern zur Arbeit. Das hat eine Umfrage der Gewerkschaft Verdi ergeben. Aber nur jeder Zweite glaubt, dass er angemessen bezahlt wird. In Betrieben ohne Betriebsrat sind es nur 20 Prozent, also vier von fünf Beschäftigten fühlen sich unterbezahlt.
Lothar Woytatsch hat noch Glück, ist fest angestellt. Viele andere schlagen sich als Leiharbeiter durch oder als Selbstständige. Es ist offensichtlich enorm schwierig, Hausmeister gewerkschaftlich zu organisieren.
Carla Dietrich: "Die erste Schwierigkeit ist, dass Hausmeister meistens tatsächlich für sich alleine arbeiten. Das heißt, die kriegen natürlich ihre Aufträge von irgendwoher, aber de facto arbeiten die alleine im Haus, es gibt selten drei Hausmeister, die zusammen losziehen und gemeinsam am Haus etwas machen, Hausmeister arbeiten meist alleine."
Carla Dietrich ist bei Verdi für Hausmeister zuständig. Seit anderthalb Jahren versucht sie einen Zugriff auf die Branche zu bekommen.
In Deutschland gibt es 40 Millionen Wohnungen. Dazu 500 Millionen Quadratmeter Büro- und Einzelhandelsflächen. Diese Immobilien haben einen Gesamtwert von 6,6 Billionen Euro. Mit der Bewirtschaftung all dieser Immobilien lässt sich jedes Jahr ein wachsender Umsatz realisieren. Die Branche des Hausmeisterservice wächst rasant.
Von rund 10.000 Kleinunternehmern im Jahr 2010, stieg die Zahl der Hausmeisterdienste innerhalb von vier Jahren auf fast 20.000, fast eine Verdopplung. Für all diese Hausmeister gibt es keinen Arbeitgeberverband und auch keinen Bund deutscher Hausmeister oder etwas Ähnliches. Außer ein paar Internetforen gibt es gar keinen Zusammenschluss.
"Das liegt tatsächlich daran, dass die Branche an sich nicht dazu neigt, Verbände zu gründen."
Immerhin gibt es eine Fachzeitschrift, die die Themen der Hausmeister aufgreift. Sie heißt schlicht: "Der Hausmeister". Seit dem ersten Erscheinen 2013 hat Redakteurin Monika Walter schon einiges über ihre 1000 Abonnenten herausgefunden.
"Es war schon so, als wir angefangen haben mit unseren Recherchen, dass wir schon noch den klassischen Hausmeister angetroffen haben. So im grauen Mäntelchen mit 'nem Kehrbesen in der Hand. So vielleicht Mitte 45 aufwärts. Jetzt merken wir ganz klar, es drängen mehr junge Leute nach. Gerade in dem Bereich Hausmeisterservices, die auch ganz anders arbeiten. Die den Winterdienst zum Beispiel mit dem Quad erledigen. Oder eben viel über Smartphone ihre Aufträge verwalten."
Zwischen Werbung für Nutzfahrzeuge und Brandschutzanlagen geht es in dem Heft um Fragen wie: digitale Arbeitszeitnachweise, Silberfischchen-Bekämpfung und Rauchmeldeanlegen. Die Vielfalt an dezentralen Hauskraftwerken ist noch kein wichtiges Thema.
"Womit sie sich aber immer häufiger beschäftigen müssen, sind Lüftungsanlagen, Klimaanlagen, Heiztechnik."
Weil es keine geregelte Ausbildung gibt, sind Hausmeister fast immer Quereinsteiger. Bei der Stellensuche helfen eine handwerkliche Ausbildung und Berufserfahrung.
"Man merkt aber auch klar die Tendenz, dass Leute, die aus dem Heizungs-, Sanitär-, Haustechnikbereich kommen, doch eher bevorzugt werden - wie früher der klassische Schreiner, wo man sagt: Der kann schon mal die Fenster streichen. Es geht schon mehr in die Gebäudetechnik, ja."
Nebenbei eine Serverheizung warten
Uwe Mauksch hat 16 Jahre als Dreher gearbeitet und dann noch im Baugewerbe. Hauswart ist er seit vier Jahren.
"Ich hab einem Arbeitskollegen erstmal geholfen, die Hecken zu schneiden, dann hab ich noch Aushänge machen müssen, Mieter hat Schlüsselbund verloren. Dann hab ich bei mir auf der Wallotstraße - hofseitig, da wächst das Gras ungemein -, da musste ich heute nochmal mähen. Und kurz vor der Sprechzeit kommt eine Mieterin, die zieht um am Freitag, und wollte mit mir eine Begehung machen, wie sie am besten mit dem Umzugswagen rankommt. Und da hab ich mir das nochmal mit angesehen."
Ein ganz normaler Arbeitstag für Uwe Maucksch. Der 58-Jährige ist glatt rasiert und gut gebräunt von der vielen Arbeit im Freien. Wie alle seine 50 Kollegen trägt er eine dunkelgrüne Hose mit Containertaschen und ein gleichfarbiges Poloshirt. Auf der Brust leuchtet das Logo der "Wohngenossenschaft Aufbau", seinem Arbeitgeber. Darunter steht in gelben Buchstaben "Hauswart". Uwe Maukschs Aufgabe ist es, die Grünanlagen rund um die sanierten Wohnblocks zu pflegen und ansprechbar zu sein, für die großen und kleinen Probleme der Mieter. Aushängeschild, Sozialarbeiter, Kummerkasten.
Uwe Mauksch kann gut mit Pflanzen und mit Mietern. Demnächst bekommen er und seine Kollegen einen Tablett-Computer. Statt Papierlisten und Formulare werden Wartungsprotokolle für Brandschutztüren und Lüftung online übermittelt. Oder die vielen Dokumentationen, zum Beispiel: Die monatliche Verkehrssicherheitsprüfung der Spielplätze. Wird alles digitalisiert.
"Computermäßig werden wir sehen, wie weit die Technik hier eingeführt wird. Aber ich denk mal, das ist kein Problem. Diese Schritte dann, die lernt man schnell."
Nur die Heizung, die im Keller seines Wohnblocks steht, die überfordert ihn komplett. Ein Raum voller brummender anthrazitfarbener Schränke. Aus deren Oberseite neigen sich ihm dicke offene Rohre entgegen, als wollten sie ihn wegsaugen. Eine Reihe schwarzer Kabel verschwindet in einem Glasschrank und verwandelt sich in orangefarbene. Etwas blinkt grün.
"Rein technisch kann ich dort nichts machen, also die Technik ist sehr fortgeschritten, da kommen spezielle Kräfte hin, die dort arbeiten."
Eine dieser speziellen Kräfte ist Dr. Jens Struckmeier. Er leitet die Firma Cloud & Heat und er hat diese Serverheizung erfunden und auf den Markt gebracht. Das Kernstück ist eine Wasserkühlung für Computer.
"Hier können wir mal einen Blick in das Innere werfen. Sie sehen hier ganz normale Server Technologie, ein Intel Mainboard, zwei Intel-Xeon-Prozessoren, die Speicherriegel und die Kommunikationschips. Und über all diesen Komponenten über den Prozessoren über den Speicherreglern und den Chips läuft jetzt diese Kupferleitungen, laufen diese Kupferplatten lang und hier wird diese Wärme über das Wasser, was durch diese Leitungen fließt, wird diese Wärme von diesem Server aufgenommen in diesen Wasserkreislauf."
Rechnerwärme ist eine wachsende Energiequelle. Schon jetzt werden 2-3 Prozent des weltweit erzeugten Stroms zum Rechnen verwandt. Neue Studien prophezeien, dass dieser Wert bis 2025 auf 20 Prozent steigen könnte. Und beim Rechnen wird der Strom zu 100 Prozent in Wärme verwandelt.
In der Dresdner Wallotstraße werden 56 Wohnungen von den Servern im Keller beheizt. Plus Duschwasser. Jens Struckmeier hat mit seiner Firma Cloud & Heat bereits 100 solcher Heizungen in ganz Deutschland gebaut. Diese dezentralen Wärmeerzeuger werden bisher alle noch zentral von Dresden aus überwacht
Jens Struckmeier würde die Wartung gern dezentralisieren, also von Leuten vor Ort erledigen lassen. Aber von wem? Fast in jedem Objekt gibt es einen Hausmeister. Ein Hauswart wie zum Beispiel Uwe Mauksch, könnte das eben auch noch mit erledigen. Ganz nebenbei. Glühbirnenwechseln kann er. Tatsächlich muss er aber deutlich mehr können. Sich ins Terminal vor Ort einloggen, das Monitoring verstehen, eine Testroutine durchführen und online Rückmeldung geben. Ein weiterer Job für das Mädchen für alles.
"Versierte Fachkraft" für eine Algenzuchtanlage
Frank Schivelbein hat Zimmermann und Tischler gelernt. Seit vier Jahren arbeitet er als Hausmeister. Erst war er für einen Immobilienmakler tätig, das war stressig, weil er immer verfügbar sein musste.
"Wenn irgendwas gewesen ist, musste man los, da ist man 24 Stunden unterwegs."
Das hat er nur ein Jahr lang gemacht, dann hat er sich bei der FM HH beworben, der Facility Management Hamburg. Jetzt ist er mobiler Hausmeister, betreut mehrere Schulen und noch zwei Mehrfamilienhäuser.
Im Unterschied zum früheren Job mit Dauerbereitschaft hat er jetzt einen festen Dienstschluss. Nur alle paar Wochen bekommt er freitags den Notfallkoffer mit sämtlichen Schlüsseln und muss bis Montag früh bereitstehen. Für alle Fälle.
"Einbruch, Feuer und manchmal ist es nur ne Maus, die Alarm auslöst, dann fährt man dahin und klärt das, wenn es zu klären ist."
Frank Schivelbein ist ein ruhiger bedächtiger Mensch, der gründlich arbeitet. Heute muss er aufs Dach eines Wohnhauses und Unkraut jäten.
"Am ganzen Inselpark sind alles Gründächer. Und da sind extra so Pflanzen. Und da wird die Wartung mitgemacht. Da dürfen keine Fremdpflanzen drauf wie Birken oder so, und die zieht man dann schon raus."
Am Hamburger Inselpark war vor ein paar Jahren eine Bauausstellung. Architekten und Forscher haben hier ihre visionären Pilotprojekte verwirklichen können. Auch was die Energieerzeugung angeht.
Ein würfelförmiges Wohnhaus am Inselpark verschwindet beinahe hinter schmalen senkrechten Wassertanks. Hinter den Glasscheiben wabert eine grüne Masse, mit einem dumpfen Blubbern steigen Luftblasen auf. Eine Algenzucht in der Fassade.
Stefan Hindersin: "Die Algen haben die Funktion, Biomasse aufzubauen, und wenn wir unserer Aufgabe gut machen und die mit ausreichend Nährstoffen versorgen, wachsen die eben deutlich schneller als andere Energiepflanzen auf dem Acker, wie Mais, in den Tropen Zuckerrohr und Palmöl. Und die zweite Aufgabe, diese Module - Bioreaktoren nennen wir sie - ist eben, dass wir die Wärme, die darauf fällt auch noch nutzen, indem wir die Überhitzung vermeiden und dann die Wärme der Fassade entziehen und dem Haus zur Verfügung stellen."
Dr. Stefan Hindersin von der Strategic Science Consult GmbH ist Projektleiter dieses Hauses. Seit März 2013 blubbert die Algenfassade vor sich hin, lässt sich von der Sonne aufheizen und liefert Biomasse und Wärme. Was an Energie für die 15 Wohnungen fehlt, holen Wärmepumpen aus dem Erdreich. Ein Gewirr aus Röhren, Filtern, Kabeln und Zwischenspeichern füllt einen Raum im Erdgeschoss, so groß wie eine Zweiraumwohnung. Ab und zu zischt ein Ventil. Zwei Studenten haben ihre Notebooks mit der Steuerung verkabelt und werten Daten aus. Hier entstehen Masterarbeiten. Alles funktioniert vollautomatisch.
Stefan Hindersin denkt weit in die Zukunft. 2050 wird es 9,5 Milliarden Menschen geben, die Nahrung brauchen und Energie. Wo immer die Sonne scheint, könnte so ein Algenhaus funktionieren. Aber es muss unter den 9,5 Milliarden Menschen auch noch Hausmeister geben, die auch so eine Anlage warten können. Stefan Hindersin wünscht sich dafür eine "versierte Fachkraft." Die müsste einmal im Monat sehr spezifische Aufgaben erledigen: Ventile tauschen, Algen düngen, nach Fehlern suchen.
"Das Interesse an der Bioverfahrenstechnik wäre hilfreich, wenn es gravierende Probleme sind. Wenn es aber nur der Austausch eines Ventils ist, dann kann das letztlich ein Mechatroniker leisten, oder ein Klempner, wenn es im Heizungsbereich ist."
Hausmeister Frank Schivelbein macht um diese Anlage eher einen Bogen. Er schneidet die Hecken, wechselt die Glühbirnen im Treppenaufgang. Auf die Algenheizung im Erdgeschoss blickt er skeptisch.
"Ich glaub da steckt noch 'ne Menge Arbeit drin oder Forschung, bis das alles läuft, dass man das auf Dauer größer verwenden kann."
Bevor Frank Schivelbein in der Algenheizung Hand anlegen muss, wird er in Rente gehen. Eine neue Generation Hausmeister wird in diese Aufgabe hineinwachsen. Bei der Vielfalt der dezentralen Energiesysteme ist das ein riesiges Berufsfeld.
(abr)