"Kompliment an griechische Regierung"
Holger Schmieding, Chefvolkswirt Europa der Bank of America, hat die Regierung von Griechenland für ihre Sparbemühungen gelobt. Die 20 Milliarden Euro von EU und IWF seien "Hilfe zur Selbsthilfe".
Jan-Christoph Kitzler: Heute wird wichtiger Besuch in Athen erwartet, und ein wenig ist es so wie bei einer schweren Prüfung, nur dass sie zwei Wochen lang dauert. Die Kontrolleure der EU und des Internationalen Währungsfonds wollen Griechenland ganz genau auf die Finger schauen und Gewissheit bekommen, ob das Land seine Hausaufgaben gemacht hat. 20 Milliarden Hilfe hat Griechenland schon im Mai erhalten, neun Milliarden sollen noch einmal hinzukommen, aber erst, wenn ganz sicher ist, dass Griechenland seinen Haushalt in Ordnung bringt. Das Land hat jetzt eine Herkulesaufgabe vor sich: Bis 2014 soll das Haushaltsdefizit von jetzt 13,6 Prozent des Bruttoinlandproduktes auf unter drei Prozent sinken.
Darüber habe ich mit Holger Schmieding gesprochen, dem Chefvolkswirt Europa der Bank of America Merrill Lynch. Meine erste Frage an ihn war, wie er denn die Anstrengungen der Griechen beurteilt.
Holger Schmieding: Bisher hat sich die Lage in Griechenland erstaunlich gut entwickelt. Nach den ersten Angaben hat sich das Defizit des Staatshaushalts im ersten Halbjahr um etwa 45 Prozent verringert. Das ist mehr als die 40 Prozent, die Europa und der Internationale Währungsfonds gefordert haben. Also bisher ist bei den Zahlen im Staatshaushalt Griechenland auf dem besten Wege, die Ziele zu erreichen. Dazu kommt, dass Griechenland einen großen Teil der geforderten Reformen – Arbeitsmarktreform, Rentenreform, Reform der öffentlichen Verwaltung – bereits umgesetzt hat beziehungsweise die entsprechenden Gesetze verabschiedet hat. Also bisher sieht es für Griechenland gar nicht schlecht aus.
Kitzler: Das heißt, kann man auch sagen, dass die 20 Milliarden Euro, die EU und IWF Griechenland gegeben haben, gut investiertes Geld waren?
Schmieding: Bisher sieht es so aus, als habe mit dem Geld tatsächlich dem Land ermöglicht, sich selbst zu helfen – nach dem bisherigen Stand der Dinge wirklich ein Fall von Hilfe zur Selbsthilfe. Natürlich, Griechenland ist auf längere Zeit noch nicht wieder kapitalmarktfähig, das heißt, das Stützungsprogramm muss noch für einige Zeit laufen. Aber nach den bisherigen Ergebnissen Kompliment an die griechische Regierung! Sie sind dabei, das Land so umzustrukturieren, dass das Land, wenn es so weitergeht, in sagen wir mal anderthalb Jahren wirklich es geschafft haben könnte, zu einer modernen europäischen Verwaltung zu kommen, statt, na ja, was wir bisher in Griechenland hatten.
Kitzler: Mit dem Sparen in Griechenland scheint es ja ganz gut zu klappen, das haben Sie schon angedeutet, aber das nützt ja nichts, wenn nicht auch gleichzeitig die Einnahmen steigen, da scheint es ja nicht wie geplant voranzugehen. Ist das nicht besorgniserregend?
Schmieding: Bei den Staatseinnahmen ist tatsächlich der Zuwachs geringer als gedacht, aber es ist nicht wesentlich geringer als gedacht. Da ist bisher, ja, man muss drauf gucken, wie sich das weiter entwickelt. Es sind ja einige der Steuererhöhungen in Griechenland gerade erst zur Jahresmitte in Kraft getreten, bei der Mehrwertsteuer wurde noch einmal nachgelegt. Also den vollen Effekt dieser Einnahmeverbesserung sehen wir nicht. Auch die Änderungen in der Finanzverwaltung, letztlich der Versuch, die Leute dazu auch zu bringen, Steuern zu zahlen, die Steuern einzutreiben, auch das wird sich erst im Zeitablauf voll zeigen. Sie haben recht, in diesem Punkt ist der volle Erfolg noch nicht eingetreten, aber auch dort ist Griechenland, na ja, nicht so weit von den Zielvorgaben entfernt, dass man allein daraus schließen könnte, es klappt nicht.
Kitzler: Es ist ja ein ganz banales Problem, das haben Sie gerade eben schon angedeutet, nämlich die Tatsache, dass der Staat offenbar nicht genug Steuern eintreiben kann, nicht genug gegen die Steuerhinterziehung tun kann. Da kann man doch nicht erwarten, dass sich das in wenigen Jahren ändert, das ist doch auch eine Mentalitätsfrage, oder?
Schmieding: Das ist zum Teil eine Mentalitätsfrage, das ist vor allen Dingen eine Frage dessen, wie der Staatsapparat organisiert ist und wie das Verhältnis zwischen Finanzamt und dem einzelnen Bürger sich gestaltet. Wir sehen, dass Griechenland da ja mit einigen interessanten Ideen auf gutem Wege ist, beispielsweise mit der Idee, das Einkommen der etwas vermögenderen Bürger nicht einfach nur am erklärten Einkommen festzumachen, sondern auch mal zu gucken, hat der einen Swimmingpool? Falls er einen Swimmingpool im Garten hat, nehmen wir an, dass das Einkommen eine bestimmte Mindesthöhe erreicht haben muss und werden entsprechend besteuern. Also Griechenland versucht das Problem in den Griff zu kriegen – das ist natürlich eine langfristige Sache. Aber Griechenland muss ja auch nicht wie die Schweiz oder wie Schweden werden. Es reicht ja, wenn Griechenland besser wird, als es vorher war, um mehr Steuern einzutreiben. Und da eben … Griechenland ist auf einem guten Wege, aber sie sind noch längst nicht am Ziel.
Kitzler: Ein rigider Sparkurs und gleichzeitig höhere Abgaben und Steuern, das ist ja ein ziemlich schmaler Grat, zum Beispiel könnte das Unternehmen vergraulen, die jetzt wohl verstärkt überlegen, ihren Sitz ins Ausland zu verlegen. Wie groß ist denn die Gefahr, dass ein solcher Kurs von Sparen und höheren Abgaben die griechische Wirtschaft nachhaltig schwächt?
Schmieding: Das ist tatsächlich eine ernst zu nehmende Gefahr, wobei man da vor allen Dingen gucken muss, wie sehr bei den Unternehmenssteuern die Lasten steigen werden. Da ist zum Glück im griechischen Sparpaket ja gar nicht so viel drin. Man versucht schon in Griechenland, die Unternehmen halbwegs vernünftig zu behandeln, um sie im Land zu halten. Bisher sieht es auch so aus, als würde es weitgehend gelingen. Ein großer Teil insgesamt der griechischen Maßnahmen zielen ja darauf ab, die Staatsausgaben zu senken, und das ist etwas, was auf Dauer der Privatwirtschaft sogar zugute kommen kann. Aber es ist ein schmaler Grat zwischen Steuererhöhung und Staatsausgabensenkung, die möglicherweise im Unternehmenssektor auch das Vertrauen festigen könnten, dass der griechische Staat langfristig solide finanziert ist und damit auf Dauer vielleicht sogar private Investitionen fördern kann. Wie Sie gesagt haben, es ist ein schmaler Grat.
Kitzler: Brauchen wir strengere Strafregelungen in Europa für die Verletzung des Eurostabilitätspaktes, wie es die EU-Kommission fordert, oder reicht Griechenland aus als abschreckendes Beispiel?
Schmieding: Strenge Strafregeln sind wahrscheinlich sinnvoll, aber wichtiger als die strengeren Strafen ist eigentlich, dass der Pakt schlicht und einfach voll angewendet wird. Es waren ja Deutschland und Frankreich, die in den Jahren 2003/2004 dafür gesorgt haben, dass der ursprüngliche Stabilitätspakt gar nicht so angewandt wurde. Und wenn wir zurückkehren zu der ursprünglichen Absicht, die Regeln des Paktes strikt zu überwachen, strikt anzuwenden, dann wäre das schon der größere Schritt. Eine gewisse Verschärfung der Regeln könnte noch dazukommen, um Probleme, wie wir sie jetzt in Griechenland haben, künftig frühzeitig verhindern zu können.
Kitzler: Griechenland und der Weg aus der Krise. Das war Holger Schmieding, Chefvolkswirt Europa der Bank of America Merrill Lynch. Vielen Dank und einen schönen Tag!
Schmieding: Herzlichen Dank auch Ihnen, danke schön!
Darüber habe ich mit Holger Schmieding gesprochen, dem Chefvolkswirt Europa der Bank of America Merrill Lynch. Meine erste Frage an ihn war, wie er denn die Anstrengungen der Griechen beurteilt.
Holger Schmieding: Bisher hat sich die Lage in Griechenland erstaunlich gut entwickelt. Nach den ersten Angaben hat sich das Defizit des Staatshaushalts im ersten Halbjahr um etwa 45 Prozent verringert. Das ist mehr als die 40 Prozent, die Europa und der Internationale Währungsfonds gefordert haben. Also bisher ist bei den Zahlen im Staatshaushalt Griechenland auf dem besten Wege, die Ziele zu erreichen. Dazu kommt, dass Griechenland einen großen Teil der geforderten Reformen – Arbeitsmarktreform, Rentenreform, Reform der öffentlichen Verwaltung – bereits umgesetzt hat beziehungsweise die entsprechenden Gesetze verabschiedet hat. Also bisher sieht es für Griechenland gar nicht schlecht aus.
Kitzler: Das heißt, kann man auch sagen, dass die 20 Milliarden Euro, die EU und IWF Griechenland gegeben haben, gut investiertes Geld waren?
Schmieding: Bisher sieht es so aus, als habe mit dem Geld tatsächlich dem Land ermöglicht, sich selbst zu helfen – nach dem bisherigen Stand der Dinge wirklich ein Fall von Hilfe zur Selbsthilfe. Natürlich, Griechenland ist auf längere Zeit noch nicht wieder kapitalmarktfähig, das heißt, das Stützungsprogramm muss noch für einige Zeit laufen. Aber nach den bisherigen Ergebnissen Kompliment an die griechische Regierung! Sie sind dabei, das Land so umzustrukturieren, dass das Land, wenn es so weitergeht, in sagen wir mal anderthalb Jahren wirklich es geschafft haben könnte, zu einer modernen europäischen Verwaltung zu kommen, statt, na ja, was wir bisher in Griechenland hatten.
Kitzler: Mit dem Sparen in Griechenland scheint es ja ganz gut zu klappen, das haben Sie schon angedeutet, aber das nützt ja nichts, wenn nicht auch gleichzeitig die Einnahmen steigen, da scheint es ja nicht wie geplant voranzugehen. Ist das nicht besorgniserregend?
Schmieding: Bei den Staatseinnahmen ist tatsächlich der Zuwachs geringer als gedacht, aber es ist nicht wesentlich geringer als gedacht. Da ist bisher, ja, man muss drauf gucken, wie sich das weiter entwickelt. Es sind ja einige der Steuererhöhungen in Griechenland gerade erst zur Jahresmitte in Kraft getreten, bei der Mehrwertsteuer wurde noch einmal nachgelegt. Also den vollen Effekt dieser Einnahmeverbesserung sehen wir nicht. Auch die Änderungen in der Finanzverwaltung, letztlich der Versuch, die Leute dazu auch zu bringen, Steuern zu zahlen, die Steuern einzutreiben, auch das wird sich erst im Zeitablauf voll zeigen. Sie haben recht, in diesem Punkt ist der volle Erfolg noch nicht eingetreten, aber auch dort ist Griechenland, na ja, nicht so weit von den Zielvorgaben entfernt, dass man allein daraus schließen könnte, es klappt nicht.
Kitzler: Es ist ja ein ganz banales Problem, das haben Sie gerade eben schon angedeutet, nämlich die Tatsache, dass der Staat offenbar nicht genug Steuern eintreiben kann, nicht genug gegen die Steuerhinterziehung tun kann. Da kann man doch nicht erwarten, dass sich das in wenigen Jahren ändert, das ist doch auch eine Mentalitätsfrage, oder?
Schmieding: Das ist zum Teil eine Mentalitätsfrage, das ist vor allen Dingen eine Frage dessen, wie der Staatsapparat organisiert ist und wie das Verhältnis zwischen Finanzamt und dem einzelnen Bürger sich gestaltet. Wir sehen, dass Griechenland da ja mit einigen interessanten Ideen auf gutem Wege ist, beispielsweise mit der Idee, das Einkommen der etwas vermögenderen Bürger nicht einfach nur am erklärten Einkommen festzumachen, sondern auch mal zu gucken, hat der einen Swimmingpool? Falls er einen Swimmingpool im Garten hat, nehmen wir an, dass das Einkommen eine bestimmte Mindesthöhe erreicht haben muss und werden entsprechend besteuern. Also Griechenland versucht das Problem in den Griff zu kriegen – das ist natürlich eine langfristige Sache. Aber Griechenland muss ja auch nicht wie die Schweiz oder wie Schweden werden. Es reicht ja, wenn Griechenland besser wird, als es vorher war, um mehr Steuern einzutreiben. Und da eben … Griechenland ist auf einem guten Wege, aber sie sind noch längst nicht am Ziel.
Kitzler: Ein rigider Sparkurs und gleichzeitig höhere Abgaben und Steuern, das ist ja ein ziemlich schmaler Grat, zum Beispiel könnte das Unternehmen vergraulen, die jetzt wohl verstärkt überlegen, ihren Sitz ins Ausland zu verlegen. Wie groß ist denn die Gefahr, dass ein solcher Kurs von Sparen und höheren Abgaben die griechische Wirtschaft nachhaltig schwächt?
Schmieding: Das ist tatsächlich eine ernst zu nehmende Gefahr, wobei man da vor allen Dingen gucken muss, wie sehr bei den Unternehmenssteuern die Lasten steigen werden. Da ist zum Glück im griechischen Sparpaket ja gar nicht so viel drin. Man versucht schon in Griechenland, die Unternehmen halbwegs vernünftig zu behandeln, um sie im Land zu halten. Bisher sieht es auch so aus, als würde es weitgehend gelingen. Ein großer Teil insgesamt der griechischen Maßnahmen zielen ja darauf ab, die Staatsausgaben zu senken, und das ist etwas, was auf Dauer der Privatwirtschaft sogar zugute kommen kann. Aber es ist ein schmaler Grat zwischen Steuererhöhung und Staatsausgabensenkung, die möglicherweise im Unternehmenssektor auch das Vertrauen festigen könnten, dass der griechische Staat langfristig solide finanziert ist und damit auf Dauer vielleicht sogar private Investitionen fördern kann. Wie Sie gesagt haben, es ist ein schmaler Grat.
Kitzler: Brauchen wir strengere Strafregelungen in Europa für die Verletzung des Eurostabilitätspaktes, wie es die EU-Kommission fordert, oder reicht Griechenland aus als abschreckendes Beispiel?
Schmieding: Strenge Strafregeln sind wahrscheinlich sinnvoll, aber wichtiger als die strengeren Strafen ist eigentlich, dass der Pakt schlicht und einfach voll angewendet wird. Es waren ja Deutschland und Frankreich, die in den Jahren 2003/2004 dafür gesorgt haben, dass der ursprüngliche Stabilitätspakt gar nicht so angewandt wurde. Und wenn wir zurückkehren zu der ursprünglichen Absicht, die Regeln des Paktes strikt zu überwachen, strikt anzuwenden, dann wäre das schon der größere Schritt. Eine gewisse Verschärfung der Regeln könnte noch dazukommen, um Probleme, wie wir sie jetzt in Griechenland haben, künftig frühzeitig verhindern zu können.
Kitzler: Griechenland und der Weg aus der Krise. Das war Holger Schmieding, Chefvolkswirt Europa der Bank of America Merrill Lynch. Vielen Dank und einen schönen Tag!
Schmieding: Herzlichen Dank auch Ihnen, danke schön!