Komplizen-Film in Locarno geehrt

"Die allergrößte Auszeichnung ist ein toller Film"

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Filmproduzenten Jonas Dornbach und Janine Jackowski in Cannes.
Filmproduzenten Jonas Dornbach und Janine Jackowski. © imago images / Future Image / D. Bedrosian
Janine Jackowski und Jonas Dombach im Gespräch mit Patrick Wellinski |
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Die Berliner Produktionsfirma Komplizen-Film wurde auf dem Filmfestival Locarno mit dem Ehrenleopard ausgezeichnet. Die Firma ist verantwortlich für den Kino-Erfolg "Toni Erdmann". Im Gespräch fordern die Produzenten mehr Förderung des deutschen Films.
Sie sind regelmäßig mit ihren Filmen auf den großen Festivals dieser Welt vertreten: Maren Ade, Janine Jankowski und Jonas Dornbach. Ihre Produktionsfirma Komplizen-Film wurde nun beim 72. Filmfestival von Locarno mit dem "Premio Raimondo Rezzonico" geehrt, einem der weltweit wichtigsten Ehrungen für Filmproduzenten. Komplizen-Film hat auch die Filme von Maren Ade selbst produziert, so etwa ihren Debütfilm "Der Wald vor lauter Bäumen" oder ihren erfolgreichen Film "Toni Erdmann", der für den Auslandsoscar nominiert war. Patrick Wellinski hat Janine Jankowski und Jonas Dornbach in Locarno getroffen.
Patrick Wellinski: Wie wichtig ist es Ihnen, dass Ihre Filme ein großes Publikum erreichen oder genügen die paar Festivalzuschauer ?
Janine Jackowski: Das ist natürlich bei jedem Film tatsächlich die Hoffnung, ein großes Publikum zu erreichen. Zum Beispiel mit "Toni Erdmann" hatten wir in Deutschland über 900.000 Zuschauer, damit hatten wir nie gerechnet. Es gibt natürlich manche Filme, bei denen ist es eher wahrscheinlicher, dass sie eher auf Festivals ihr Publikum finden, aber sie finden dort auch ihr Publikum. Und dann gibt es Filme, die einfach auch inhaltlich so angelegt sind, dass sie ein größeres Publikum ansprechen, wie jetzt zum Beispiel "Gut gegen Nordwind", der im September in die Kinos kommen wird. Da sind wir sehr aufgeregt und sehr gespannt, weil es ja unsere erste Zusammenarbeit mit einem großen Studio ist. Es ist wieder sehr unterschiedlich eigentlich.
Patrick Wellinski: Aber wann ist für Sie dann und für die Produzenten ein Film ein Erfolg?
Jackowski: Ein guter Film. Das ist wirklich für mich die allergrößte Auszeichnung, wenn man den Film sich zum ersten Mal dann fertig anschaut und denkt, wow, das ist ein toller Film. Der macht was mit mir, der bringt mich zum Weinen, zum Lachen.
Jonas Dombach: Ich glaube, er muss auch uns gefallen. Man selber muss ja auch dahinterstehen können und muss sagen können, okay, der Film ist so geworden, wie wir uns den vorgestellt haben, oder vielleicht ganz anders, aber er ist gut geworden und wir können da absolut dahinterstehen. Und ich glaube, das ist uns auch extrem wichtig.

Das Publikum will überrascht werden

Wellinski: Also monetäres Denken gibt’s da gar nicht, Hauptsache, wir kommen am Ende auf Null wieder raus?
Jackowski: Nee, ich meine, natürlich spielt das auch eine Rolle, dass wir, glaube ich, in der Auswahl unserer Stoffe bis jetzt ein sehr, sehr glückliches Händchen hatten und dass die Filme auch ihr Publikum gefunden haben oder auch sehr erfolgreich geworden sind – wie "A Fantastic Woman" von Sebastian Lelio oder "Toni Erdmann". Ich glaube aber, im Endeffekt ist es so, dass das Publikum auch mittlerweile weiß, dass sie keine Kopien von Kopien von Kopien mehr sehen möchten, sondern dass sie auch tatsächlich überrascht werden möchten. Das ist ein Erklärungsansatz, weshalb unsere Filme dann auch oft Erfolge sind, weil, ich glaube tatsächlich, dass das Publikum sich wieder nach originalen Stoffen sehnt.
Wellinski: Wie ist denn eigentlich aus Ihrer Sicht der Stand der Kunstfilmförderung in Deutschland? Man konnte vorletzte Woche ja von Monika Grütters hören, dass gerade die Finanzierung dieses Segments, das Sie vertreten, nicht wirklich im Fokus der Politik ist. Also hat es dieses Segment, das Sie produzieren letztendlich, aus Deutschland schwer oder stehen Sie im Schatten?
Jackowski: Ich glaube, diese Diskussion wird natürlich dadurch neu angefacht, dass wir im letzten Jahr 15 Prozent der Kinozuschauer verloren haben, und das ist natürlich bitter. Das heißt also, es gibt immer weniger Filme, die es zum Beispiel schaffen, die Millionengrenze zu durchbrechen – das ist besonders dramatisch im Arthouse-Segment, das ist völlig klar. Ich glaube, man muss sich tatsächlich die Frage stellen, wie man den Arthouse-Film wieder vor allen Dingen in der Distribution besser und zielgenauer fördern kann. Im Endeffekt glaube ich nicht, dass die Filme schlechter geworden sind, sondern es gibt einfach so ein Überangebot an Inhalten, dass es immer schwieriger wird, den Zuschauer dafür zu begeistern oder überhaupt diese Aufmerksamkeit zu bekommen.
Vor drei Jahren oder vor vier Jahren gab es ja eine massive Erhöhung für die kulturelle Filmförderung des BKM, insofern sind wir da sehr, sehr glücklich drüber gewesen, und ich glaube, dass der deutsche Film davon durchaus profitiert. Ich glaube, es wäre ganz fatal, wenn jetzt wieder diese Grabenkämpfe auftreten würden: der kommerzielle Film gegen den Arthouse-Film. Wir brauchen beides. Wir brauchen Filmkunst, wir brauchen aber auch die kommerziellen Erfolge im deutschen Film, und meine Hoffnung ist, dass sich dieser Trend umdrehen lässt und dass beide Erzählformen voneinander profitieren können.

Blick nach Frankreich macht Hoffnung

Wellinski: Kann es denn nur um die Distribution gehen? Das Lustige an Deutschland ist, dass man in direkter Nachbarschaft in Frankreich ist, und man fragt sich ja immer: Wie machen es die Franzosen? Also können wir da lernen, "wir" im Sinne von "der deutsche Film", oder ist die Spezifik des deutschen Films, der deutschen Filmszene, der Förderung so vielleicht schon durchstrukturiert, dass man da nicht mehr die Reißleine ziehen kann?
Jackowski: Ja, also der Blick nach Frankreich ist natürlich schon einer, der immer sehr viel Hoffnung macht. Allerdings muss man auch sagen, dass es auch in Frankreich im letzten Jahr einen Rückgang gegeben hat, allerdings längst nicht so dramatisch. Aber der Blick nach Frankreich, den finde ich tatsächlich auf ganz vielen Ebenen sehr interessant. Ich engagiere mich ja gerade auch sehr in der Filmpolitik und ich ermutige da auf allen Ebenen, genauer nach Frankreich zu schauen und vielleicht tatsächlich zu überlegen, ob man einige Strukturen nicht übernehmen kann.
Die Regulierung dort ist sicherlich auch in demselben Maße vorhanden, nur glaube ich, es gibt dort ein anderes Verhältnis zwischen den Verleihern und den Produzenten. Und man darf natürlich nicht vergessen, dass erhebliche Mittel in die Filmerziehung gegeben werden, das heißt, in Frankreich sind Filme Teil der Kultur, sind absolut nicht wegzudenken, und in Deutschland ist das stiefmütterlich. In Deutschland geht es eher in Richtung Oper oder Literatur, das sind so die klassischen Kulturfelder. Ich wünsche mir natürlich sehr, dass es da ein Umdenken gibt.
Dombach: In Frankreich kannst du sozusagen Schule schwänzen und dein Kinoticket der Lehrerin geben, und das ist dann kein Problem. Das wäre in Deutschland undenkbar. Und ich glaube, was in Frankreich auch großartig gemacht wird, ist einfach, dass die Kinos selber für ihr Programm, was sie machen, unglaublich unterstützt werden, und wenn sie eben ein etwas anderes Programm machen, was auch mehr Arthouse-Filme oder besondere Filme spielt, dafür belohnt werden. Und da ist in Deutschland einfach mehr so ein Trial and Error, denn man spielt die Filme und dann schaut man, welcher funktioniert, und den lässt man im Kino. Ich glaube, da müsste auch ein Umdenken stattfinden – und passiert ja auch gerade: Wie kriegt man wieder die Leute auch vielleicht aus der Nachbarschaft ins Kino und wie kann man ein Programm machen, was vielleicht den Kiez oder die Region oder das Dorf anspricht.

Ein langer Weg, bis Geld bei Kreativen ankommt

Wellinski: Wenn wir in die Zukunft gucken, was wären denn die idealen Rahmenbedingungen, dass in Deutschland nicht nur das Ins-Kino-Gehen befördert wird, sondern auch Komplizen-Filme dann immer 900.000 Zuschauer bekommen?
Jackowski: Na, ich glaube, das ist ein ganzer Katalog. Ich wünschte, es gäbe da so eine einfache Antwort, aber es ist tatsächlich so, ich glaube, dass sich was in dem Verhältnis zwischen den Verleihern und den Produzenten tun muss. Ich glaube, dass die Erfolge stärker bei den Produzenten wieder ankommen müssen, weil auch alle Kreativen ja über die Produzenten im Endeffekt beteiligt sind. Und ich glaube, wir brauchen die besten Leute fürs Kino, die besten Kreativen, und das heißt aber auch, dass sich das finanziell für die lohnen muss. Im Moment ist es schon so, dass wenn ein Film erfolgreich ist, dass die Gewinne oder die Gelder, dass es ein wirklich langer Weg ist, bis da überhaupt bei den Kreativen oder bei den Produzenten etwas ankommt.
Ich glaube, daran muss sich was tun, ich glaube aber auch tatsächlich, dass der Verleih anders gefördert muss, das heißt, dass andere Mittel in die Distribution fließen müssen oder dass man sogar ein gemeinsames Budget bildet, also ein Produktionsbudget, und das Verleihbudget wird gleich mitgedacht oder mitgefördert. Auf jeden Fall, wir brauchen vielleicht auch weniger Filme, aber die müssen dann anständig ausgestattet werden, und zwar nicht nur in der Produktion, sondern auch im Verleih.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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