Komplizen, Opfer und Verräter

Von Beatrix Langner |
Was 1950 begann, setzt sich im Lauf des Jahres 1957 fort: die Entmachtung, Verhaftung und Verurteilung von Kommunisten in stalinistischen Schauprozessen der DDR-Justiz. Im März wird der Philosophiedozent und Lektor Wolfgang Harich zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Seine Aussagen über Pläne zum Sturz Ulbrichts ziehen weitere Verhaftungen nach sich. Innerhalb eines Jahres werden die führenden Köpfe der Literatur und der Geisteswissenschaften in Berlin und Leipzig verhaftet, vertrieben oder mundtot gemacht.
Von Verfolgten leben heute noch Fritz J. Raddatz, Erich Loest, Gustav Just, Gerhard Zwerenz und Charlotte Janka. In ihren Erinnerungen belasten sich die Prozessopfer von damals schwer. Wer war Komplize, wer Opfer oder Verräter? Zuletzt hat der Leipziger Schriftsteller Erich Loest in seiner Autobiografie "Prozesskosten" über die Rolle von Harich, Just, Janka berichtet; keineswegs aus historischer Distanz.

Doch die persönlichen Erinnerungen von Zeitzeugen greifen oft zu kurz, wenn es um die historische Beurteilung eigenen Erlebens geht. Neueste geschichtliche Forschungen zeigen, dass die Vorgeschichte der politischen Prozesse zurückreicht in die antifaschistische Exilzeit und die Tätigkeit der Moskauer Gruppe Ulbricht bis zu der spektakulären Affäre um den angeblichen US-Spion Noel Field. Ihre Nachgeschichte wirkt bis heute nach.

Manuskript zur Sendung als pdf oder im barrierefreien Textformat