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Der eigensinnige Modernist
58:15 Minuten
Das Etikett des ewigen Geheimtipps wird er wohl nicht mehr los: Der 1932 geborene Christfried Schmidt war ein Außenseiter im Musikleben der DDR. Dass sich das in den Nachwendejahren nicht änderte, ficht seine Haltung nicht an.
Nach Jahren als Kirchenmusiker, Chorleiter und Klavierlehrer in der Lausitz und in Quedlinburg lebt Christfried Schmidt seit 1980 als freier Komponist in Berlin. Die erste Aufführung eines seiner Stücke fand kurioserweise 1970 in Tokio statt. Dorthin reisen konnte er nicht. Seine marginale Position im Musikbetrieb hinderte ihn freilich nicht daran – ohne Auftrag und Verlag und erst mal für die Schublade – auch Werke für große Orchester- und Chorapparate zu komponieren.
Schmidts "Markuspassion" wird ihre Uraufführung am Karfreitag in Berlin nun mit 45-jähriger Verspätung erleben. Zahlreiche andere Stücke, u. a. eine Oper und ein Hornkonzert, harren indes noch ihrer Entdeckung.
Polyphone Denkungsart
Seine Musik wurzele "in der begriffslosen Rhetorik romantischer Expressivität", schrieb der Musikwissenschaftler Frank Schneider einmal über den Komponisten, "zwischen dem Aufschrei der Verzweiflung und der Persiflage komödiantischer Lebenslust". Schmidt selbst betont die Prägung durch die kirchenmusikalische Herkunft, wenn er von seiner "polyphonen Denkungsart" spricht und der Wertschätzung für Komponisten wie Bach, Bruckner und Reger.
Von Hölderlin bis Munch
Die Expressivität und Klangsinnlichkeit seiner Musik hat ihren Widerpart in einem konstruktiven Denken, in dem Zwölftonreihen eine wichtige Rolle spielen. Wenn er auf die Avantgarden des vergangenen Jahrhunderts zurückblickt, dann steht ihm Alban Berg eindeutig näher als Anton Webern. Sein Vokalwerk umfasst Liedkompositionen nach Texten von Friedrich Hölderlin bis Heiner Müller. In einem Zyklus von Orchesterstücken hat er sich mit Graphiken von Edvard Munch auseinandergesetzt.