Für und wider die Tradition
Der Berliner Komponist Friedrich Goldmann (1941-2009)
Von Michael Dasche
Sprecher: Torsten Feste und der Autor
Produktion: Dlf Kultur 2021
Für und wider die Tradition
56:47 Minuten
An Schönberg komme er eben nicht vorbei, sagte Friedrich Goldmann, und meinte damit seine Traditionsbezogenheit wie auch das Bedürfnis nach einer Erneuerung des Sprachcharakters von Musik. In dieser Woche wäre er 80 Jahre alt geworden.
Je mehr man sich in das Werk Friedrich Goldmanns vertieft, umso evidenter erscheint einem seine prinzipielle Repertoiretauglichkeit. Dieser Befund könnte leicht missverstanden werden: als vergiftetes Lob, als Kritik an einer allzu gefälligen, gelegentlich selbst "schöne Stellen" nicht aussparenden Klangsinnlichkeit.
Tatsächlich hat sich Goldmann - von frühen Stücken abgesehen - eines rigiden Avantgardismus, auch der Attitüde kommunikativer Verweigerung oder Provokation weitgehend enthalten. Das besagt aber nicht, dass er sich einer avancierten Musiksprache verschlossen hätte. Im Gegenteil: Das Erkunden und Ausloten verborgener Schichten musikalischen Materials kann als ein Grundzug seines Schaffens gelten.
Der Kang, oft reduziert auf den Einzelton und aufgefächert in seine mikrotonalen Strukturen, war für Goldmann der wichtigste dramaturgische Faktor seiner Musik. Er bestimmte letztlich die Formen und Formate seiner Werke, während die Formen ihrerseits in den seltensten Fällen vorgegeben waren.
Freier Umgang mit etablierten Gattungen
Womöglich liegt hier der Kern von Goldmanns eminent kreativem und innovativen Umgang mit traditionellen - fast ausschließlich instrumentalen - Gattungen. Einerseits zeigte er sich ihrem historischen Anspruch verpflichtet, andererseits spürte er die Fesseln, die gewisse Normative einer sich modernisierenden Musiksprache anlegen.
Den "widerständigen" formalen Bindungen hat sich Goldmann auf spezifische Weise in seinen je fünf Sinfonien und Konzerten, aber auch mittels alternativer Werktypen wie den je drei "Essays" und "Klangszenen" für Orchester sowie den drei "Ensemblekonzerten" entgegengestellt. Jedes dieser Werke kann pars pro toto stehen für einen kompositionstechnisch fundierten Ansatz, der neuer Musik eine Perspektive verheißt: dergestalt, dass sie sich auch innerhalb eines "normalen", tendenziell konservativen Konzertlebens zu behaupten vermag.