Intoleranz sichtbar gemacht
"Les Huguenots" von Giacomo Meyerbeer war eine der meist gespielten Opern des 19. Jahrhunderts. Dann wurde der Komponist vergessen, verdrängt. 150 Jahre nach Meyerbeers Tod beginnt die Beschäftigung mit seinem Werk aufs Neue.
Die Julirevolution von 1830 veränderte nicht nur die französische Gesellschaft, sondern auch das Theater. Die "Grand Opéra" hielt mit ihren historisch-tragischen Stoffen und ihrem spektakulären Bühnenzauber der Epoche der französischen Romantik den Spiegel vor. Angeregt von Rossinis Spätwerken, fand die neue Gattung vor allem in Giacomo Meyerbeer ihren Vollender. Die "Hugenotten" wurden 1836 in Paris mit beispiellosem Erfolg uraufgeführt und standen allein in der französischen Hauptstadt bis zum Ende des 19. Jahrhunderts durchgehend auf den Spielplänen.
Heftige antisemitische Attacken
Doch musste Meyerbeer auch heftige Kritik einstecken, allen voran von Richard Wagner, der sich mit heftigen antisemitischen Attacken gegen seinen Gönner wandte, dem er nicht nur finanziell, sondern auch künstlerisch viel verdankte. Der Antisemitismus des 19. Jahrhunderts und der Nationalsozialismus taten ihr übriges – und selbst nach 1945 verstummten die Vorbehalte gegen Meyerbeers angeblich oberflächliche Kunst nicht. Aufführungen seiner komplexen Opern finden erst in jüngster Zeit wieder etwas regelmäßiger statt. Immerhin sind ein paar hörenswerte Einspielungen – gerade der "Hugenotten" – greifbar.
Grenze zwischen Gut und Böse
Die Probleme um sein Werk und seine Person hat Meyerbeer durchaus gesehen – und in den "Hugenotten" eine Intoleranz sichtbar gemacht, die er selbst nur allzu gut kannte. Die Handlung rund um die berüchtigte Bartholomäusnacht des Jahres 1572 stellt ein von katholischen Fanatikern geplantes Massaker gegen die protestantische Minderheit Frankreichs dar, allerdings schildert Meyerbeer (und mit ihm sein Librettist Eugène Scribe) beide Seiten so differenziert, dass die Grenze zwischen Gut und Böse in diesem Werk nicht leicht zu ziehen ist. Gast im Studio ist Jens Malte Fischer, emeritierter Professor für Theaterwissenschaft in München, Experte für die Geschichte des Musiktheaters und leidenschaftlicher Anhänger Meyerbeers.