Der Urvater des Techno
Er war einer der Pioniere der elektronischen Musik im 20. Jahrhundert: der französische Komponist Pierre Henry. Anfang der 1950er-Jahre entwickelte er gemeinsam mit Pierre Schaeffer die "Musique concrète, die die Voraussetzungen schuf für die Sample-Kultur von klassischer Avantgarde bis Techno. Jetzt ist er im Alter von 89 Jahren gestorben.
"Ich liebe das Wort 'konkret'", gestand der Komponist Pierre Henry einmal. Die "Musique concrète", die er gemeinsam mit seinem Kollegen Pierre Schaeffer gewissermaßen "erfunden" hatte, basiere auf dem Realen.
"Es gibt keine abstrakte Partitur mehr, sondern ein Klangprojekt."
Das erste große Werk, das diesen Prinzipien folgte, wurde 1950 uraufgeführt. Die "Symphonie pour un homme seul" (Sinfonie für einen Musiker) bestand ausschließlich aus Geräuschen, die ein einziger Mensch erzeugen konnte. Das war etwas grundlegend anderes, als etwa Karlheinz Stockhausen beabsichtigte, der sich ins elektronische Studio zurückzog und mit künstlichen, durch Sinusgeneratoren erzeugten Klängen arbeitete.
Und so sorgte die "Musique concrète" für das erste Schisma der noch ganz jungen elektronischen Musik. Ein Schisma, das heute durch den technischen Fortschritt obsolet geworden ist, aber noch in der Dualität von Synthesizer vs. Sampler zu erkennen ist.
Annäherung an die Rockmusik
Kritik, seine Kompositionsmethode sei beliebig, es liege ihr kein theoretisches Konzept zugrunde, ließ Pierre Henry kalt. Er war vielfältig interessiert, arbeitete mit dem Maler Yves Klein, dem Schriftsteller Boris Vian oder der Choreographen Maurice Béjart zusammen, schrieb Theater- und Filmmusik.
Ende der 1960er-Jahre näherte er sich der Rockmusik an, es kam zu Projekten mit der Band Spooky Tooth. In seiner "Messe pour le temps présent" (Messe für die Gegenwart) verwendete er aktiv Rock-Idiome.
Ein Satz aus dieser "Messe für die Gegenwart", "Psyché Rock", wurde zum Hit und bis heute unzählige Male gesampelt und remixed.
Manchen gilt Pierre Henry als Urvater des Techno. Darüber ließe sich lange streiten. Auf jeden Fall genießt er in Techno-Kreisen höchste Wertschätzung – vielleicht sogar mehr als in der klassischen Avantgarde.
Pierre Henrys Ästhetik der "rekonstruierenden Dekonstruktion" jedenfalls könnte gerade der heutigen Musikszene, die geprägt ist von Vintage- und Retro-Tendenzen, Impulse geben.