Frieder Butzmann: "Wunderschöne Rückkopplungen"
Martin Schmitz Berlag, 2020
352 Seiten, 35 Euro
Krachmacher aus Überzeugung
34:13 Minuten
Er liebt Rückkopplungen, unerwartete Geräusche und "komische Musik". Dass manche ihn einen Krachmacher nennen, findet der Komponist Frieder Butzmann gut. Seine Autobiografie verfolgt den Weg vom dicken Jungen mit Tonbandgerät bis zur Berliner Szene-Größe.
Wenn man nach Worten für die Tätigkeit von Frieder Butzmann sucht, stößt man auf Beschreibungen wie Komponist, Musiker und Multimediakünstler, aber auch auf Begriffe wie Tönesammler, Hörspielmacher, Theoretiker, Sound-Experimentator und "Krachmacheur".
Ihm gefällt das: "Ich wurde oft als Krachmacher bezeichnet, und habe das immer durchaus als Auszeichnung genommen. Durch Selbstbeobachtung habe ich aber festgestellt, dass ich ja nicht einfach nur ohrenbetäubenden Lärm mache, sondern dass es bisweilen sehr filigran ist, was ich mache. Und die Französisierung auch in der Schreibweise ist sozusagen das Bild, das man von einem barocken Menschen hat, der zwar üppig ist, aber die Dinge nur mit Seidenhandschuhen anfasst, und ein bisschen bin ich ja auch so."
"Komisch ist, wenn etwas anders ist"
Er mache komische Musik sagt er. Humor heißt für ihn nicht Witze über etwas zu machen, sondern das Komische an einer Situation, einer Perspektive, einem Objekt zu finden: "Komisch ist es dann, wenn etwas anders ist, als man es erwartet. Der Humor ist für mich eine Betrachtungsweise." Das gelte so auch für die Musik: "Komische Musik ist, wenn Unerwartetes passiert." So heißt seine Autobiographie, die 2020 erschienen ist, passenderweise "Wunderschöne Rückkopplungen".
Diesen von vielen als störend empfundenen Geräuschen kann Butzmann viel abgewinnen: "Es ist ja nicht immer ein Pfeifen. Mich nerven Rückkopplungen grundsätzlich überhaupt nicht." Erste Versuche machte Butzmann schon als Kind. Sein Vater schenkte ihm ein Tonbandgerät, mit dem der Junge herumexperimentierte, statt in die Schule zu gehen. "Ich war ein Problemkind. Ich war nicht dick, ich war auch nicht fett, ich war monströs." Er habe nicht eingesehen, warum er in die Schule gehen sollte. Irgendwie schafft er es dann aber doch, Abitur zu machen und in Berlin zu studieren.
Morddrohungen für Minihörspiele
An der TU Berlin beginnt er 1975, kommunikationswissenschaftliche Grundlagen von Sprache und Musik sowie Psychologie zu studieren. Sein Interesse gilt vor allem der elektronischen Musik und dem Studio, in dem er sich an der TU musikalisch ausprobieren kann. Schnell baut er sich sein eigenes kleines Tonstudio auf und ist auf diversen Bühnen Berlins mit experimentellen Auftritten zu erleben. Er macht Filme, komponiert und schreibt Hörspiele.
Das Deutschlandradio heuert ihn als Autor für Minihörspiele, für experimentelle Klangstücke, die sogenannten Wurfsendungen an. Vorgabe ist, nicht mehr als 45 Sekunden aufzunehmen - eine Herausforderung: "Für jede Sekunde, die ich da noch kürzer sein konnte, das war mir fast schon orgiasmisch. Wenn ich dann auf 29 Sekunden die Wurfsendung machen konnte … aaaahhhh...", erklärt Butzmann, und stöhnt begeistert. "Es hat mich fasziniert, das Essentielle sofort auf die Bühne zu bringen - praktisch eine kleine Oper."
Nicht jedem gefällt das. "Es hat auch Morddrohungen gegeben, wohl eher gegen die Mitarbeiter von Deutschlandradio und den Intendanten, weil die sowas zulassen haben, dass ich da sowas machen darf. Morddrohungen von einem wahrscheinlich irregeleiteten, unglücklichen Menschen, der nicht das gehört hat, was er gerne hören wollte."
Wenn Autos Musik machen
Das Buch über sein Leben ist keine klassische Autobiographie. Butzmann beschreibt es als "Gespräche mit Leuten aus der Berliner Subkultur". Über die Seiten verteilt finden sich auch 65 QR-Codes, über die die Leser zu alten Audios und Filmen gelangen. Da gibt es beispielsweise ein Video, in dem ein VW-Käfer eine Schwanensee-Choreographie tanzt beziehungsweise fährt. Aktuell hat der Geräuschkünstler, der sich eigentlich als Autogegner bezeichnet, und nicht mal einen Führerschein besitzt, wieder einen Film mit Autos als Protagonisten gemacht: "Street Music" – eine "Musique Concrète aus Auto-Geräuschen".
Den Rückkopplungen ist er ebenfalls treu geblieben. In einem Kompositionsseminar, das er an einer Schweizer Uni gibt, und das aufgrund von Corona digital stattfindet, nutzt er mit seinen Studenten die Zoom-Technik, um ganz eigene Rückkopplungen zu erzeugen. "Das Schöne an meinem Leben ist ja, dass ich mich immer mit dem beschäftigen kann, was mir gefällt."
(mah)