Komponistin und Widerstandskämpferin Elsa Barraine
Im August 1944 wird die Befreiung von Paris gefeiert. Überall ist auch das Lothringerkreuz zu sehen, Symbol der nationalen Unabhängigkeit, das schon Jeanne d'Arc benutzte. Mit der Kantate über die Heldin gewann Elsa Barraine den Rompreis. © picture alliance / Photo12 / Photosvintages
Mit der Kraft von Jeanne d'Arc
Elsa Barraine war ein musikalisches Wunderkind mit anschließendem Traumaufstieg. Doch ihre jüdischen Wurzeln und der Zweite Weltkrieg halten diese für Jahre auf. Sie engagiert sich vehement im Widerstand und überlebt.
Die französische Komponistin Elsa Barraine beginnt als Wunderkind. Mit 19 Jahren gewinnt sie bereits den hochbegehrten „Rom-Preis“ mit ihrer Kantate über die Nationalheldin Jeanne d’Arc.
Preisaufenthalt in Rom ist kein Gewinn
Mit dem Prix de Rome ist auch ein dreijähriger Italien-Aufenthalt in der Villa Medici verbunden, den Elsa Barraine aber nicht genießt. Von Dezember 1929 bis April 1933 lebt sie in einem Land, in dem "Benito Mussolini, il Duce" vorherrscht. Sie erspürt die Gefahr.
Sie vertieft sich in Bücher. Ihr ehemaliger Lehrer Paul Dukas hatte ihr sein Exemplar der Baghavat-Gita mitgegeben, ein antikes hinduistisches Epos, das sie geradezu „religiös“ verehrt und eigenhändig abschreibt. Dieses Dokument wird sie ihr ganzes Leben lang aufbewahren.
Musik als Gegenmittel
Und doch nutzt sie ihre Zeit und komponiert ihre erste Symphonie: die symphonischen Variationen Harald Harfagard nach einer Ballade von Heinrich Heine sowie Lieder nach Gedichten von Rabindranath Tagore.
Gleichzeitig bereitet sie einen Opern-Einakter vor: Le roi bossu (Der bucklige König), der schon im März 1932 an der Pariser Opéra Comique zur Uraufführung kommt. Das erlaubt ihr willkommene Kurz-Besuche in der Heimatstadt.
Verlust des Lehrers
1935 stirbt Elsas geliebter Lehrer Paul Dukas. Die Pariser Revue Musicale widmet ihm eine Extranummer und eine Beilage mit Kompositionen seiner treuen Schüler wie Florent Schmitt, Gabriel Pierné, Manuel de Falla, Olivier Messiaen und Joaquin Rodrigo. Sie ist die einzige Frau mit ihrer Hommage à Paul Dukas für Solo-Klavier.
Fokus auf die eigenen Wurzeln
Von 1936 bis 1939 leitet Elsa Barraine die Gesangsabteilung von Radio France in Paris und Rennes. Deutlicher als zuvor schwingt in ihrer kompositorischen Arbeit jetzt der jüdische Hintergrund mit. 1935 und 1937 entstehen die Trois chansons hébraïques enfantines und die Quatre chants juifs, die im Dezember 1937 aufgeführt werden.
Nach dem Münchener Abkommen 1938 tritt Barraine in die Kommunistische Partei Frankreichs ein, denn sie will politisch aktiv werden. Als Hitlers Armeen 1940 in Frankreich einfallen und das Land besetzen, schließt sie sich der Résistance an und wird Gründungsmitglied der „Front National des Musiciens“. Ab sofort schreibt sie politisch motivierte Artikel über Musik.
Not in allen Bereichen
Von ihrer Musik kann sie nun nicht mehr leben. Ihr Freund verschafft ihr eine provisorische Anstellung als "Mädchen für alles" an der Opera Comique. 1942 wird sie von der Vichy-Miliz verhaftet. Doch sie hat unglaubliches Glück: nach dem Verhör darf sie wieder gehen.
Von den Besatzern inzwischen als Widerstandskämpferin gesucht, verschwindet sie im letzten Moment, dank einer Warnung ihrer Concierge, 1944 im Untergrund. Dort verschafft sie sich unter dem Namen Catherine Bonnard ein neue Identität und Wirkungsmöglichkeiten.
Reisen im Zeichen der Kommunistische Partei Frankreichs
Elsa Barraine überlebt den Zweiten Weltkrieg im Untergrund. Wie viele ihrer Freunde bleibt sie weiter der Kommunistischen Partei. In diesem Sinne reist sie, erhält Einladungen zu Tagungen und Kongressen in Polen, Armenien, in der Sowjetunion und in der Tschechoslowakei.
Zurück zur Musik
Die jüngsten Werke der Avantgarde Komponisten, etwa die von René Leibowitz, Serge Nigg oder Pierre Boulez, lehnen Elsa Barraine und ihre Mitstreiter strikt ab. Diese Musik sei elitär.
Sie will keine komplizierten, komplexen Klänge, sondern eine allen zugängliche "barrierefreie", den Menschen zugewandte Musik, die unmittelbar kommuniziert. Was die Neue Musik betrifft, geht es ihr ähnlich wie dem fast 20 Jahren älteren Kollegen Darius Milhaud.
Die zahlreichen Wechsel in Technik und musikalischem Stil besonders der Nachkriegszeit haben mich nie berührt.
So hat Elsa Barraine auch keine Scheu, Filmmusik zu schreiben wie viele Komponisten gerade aus dem linken Lager, man denke nur an Hanns Eisler oder Dimitri Schostakowitsch. Aber sie bleibt vielseitig, sondern schreibt auch weitere Opern und ist als Lehrerin tätig.
1953 wird sie zur Professorin am Conservatoire ernannt und übernimmt ab 1972 den Posten der Inspektorin der Musikdirektion des Kulturministeriums. 1999 stirbt sie in Straßburg.