Kompromiss mit der Macht?

Hans Fallada hat anders als viele seiner Schriftstellerkollegen Deutschland während der Nazi-Zeit nicht verlassen. Manche Zeitgenossen warfen ihm Opportunismus vor, andere glauben heute, er sei in die innere Emigration gegangen. Mit der Frage, ob der Schriftsteller einen "Kompromiss mit der Macht" geschlossen hat, beschäftigen sich derzeit Experten bei den Hans-Fallada-Tagen in Carwitz, dem Wohnort der Falladas.
"Diesen Geburtstag hat er sehr zurückgezogen verbracht. Er wollte sich abschotten von dem Trubel, der geherrscht hätte. Es kamen ein paar Leute, aber nicht zu viele insofern war es ein familiäres Fest, das nicht zu viele Blüten trug. "

Stefan Knüppel lebt und arbeitet in dem Haus, das für Hans Fallada seit 1933 Zuhause war – ruhig gelegen am Carwitzer See. Hier, eingebettet in die dunkelgrünen Wälder der Feldberger Seenlandschaft, hat der Autor seine produktivste Zeit erlebt. Falladas Sohn Achim, jetzt 65 Jahre, erinnert sich, dass der Vater sich bestimmt einen Braten als Geburtstagsessen gewünscht hat – zweimal in der Woche Fleisch zu essen, das war Hans Fallada sehr wichtig - als Symbol dafür, es geschafft zu haben. Vermeintliche emotionale und soziale Sicherheit waren dem von Rausch und Exzessen getriebenen Fallada überlebenswichtig. Ein Kleinbürger – das war er. Und das war auch einer der Gründe, wieso er während der Nazizeit nicht ins Exil gegangen ist. Zeitgenossen sahen in ihm einen Opportunisten, der sein Haus nicht verlassen und seine Ruhe haben wollte.

Aber was ist dann innere Emigration? Wie kam es dazu – wie sah der "Kompromiss mit der Macht" aus. Fragen, die sich Wissenschaftler bei den internationalen Hans-Fallada-Tagen stellen. Denn der Begriff ist schwammig.

"Beispielsweise haben die französischen Besatzungsmächte, die ja aus einer stärker existenzialistischen Sozialisation kamen, die Haltung in Deutschland geblieben zu sein als die wertvollerer Haltung diskutiert - andern Blick auf die Dinge hatte ."

Wie auch in Deutschland sich die Wertung des Begriffes gewandelt hat, erklärt die Literaturprofessorin Andrea Rudolph, Mitorganisatorin des Kongresses. War er 1933 noch positiv besetzt und beschrieb jenseits von Mitläufertum eine moralische Haltung, eine Art ehrbare Zurückgezogenheit– wurde er nach 1945 verteufelt als Schwäche, als Kollaboration. So erklärte Thomas Mann kategorisch, dass alles, was in der Zeit von 1933-1945 in Deutschland gedruckt werden konnte, "weniger als wertlos sei".

"Fallada ist jemand, der hier geblieben ist, "

räumt Andrea Rudolf ein

" da unterscheidet er sich nicht, …auch aufgrund seines Besitzes hier geblieben ist - aber innerhalb seiner Literatur Freiräume für das Individuum gesucht hat."

Er hat – so kann man sagen - auf eine literarische Art Opposition ergriffen

" Er hat im Grunde dem Roman eine demokratische Form gegeben in der Diktatur - er hat nirgendwo die Volkstumsideologie verinnerlicht - er ist bestimmt im Schreiben ein sehr moralisch verantwortlicher Autor."

Fallada hat sich, wie viele andere, politisch zurückgezogen. Seine Helden sind die kleinen Leute, Trinker, Verbrecher, zerrissene Menschen. Das völkische Literarische Konzept der Problemlösung geht bei Fallada nicht auf. Seine Figuren sind gefangen in einer Problematik, die nicht nur in der Weimarer Zeit, sondern auch später eine enorme soziale Sprengkraft enthält. Doch passt dieser Begriff der inneren Emigration auch in die heutige Zeit, in der sich viele kritische Gegenwartsautoren politisch verstummt sind?

" Also es ist eine gesellschaftliche Dümpelzeit - fast erinnert es mich an den Zauberberg von Thomas Mann - wo der junge C. studiert auf seinen Ingenieur zu. Aber es heißt sehr schön, dass aus der Zeit und der Gesellschaft keine Impulse ausgehen, warum er was machen soll und diese Impulse sind nicht da und legen die volle Verantwortung in die Hände des Individuums – dennoch etwas daraus zu machen."

Doch das Individuum – im 21. Jahrhundert scheint es allein zu sein, Unklare Perspektiven – keine Ideologien, die Bestand haben. Die Demokratie, so hört man allerorten, ist unter Druck

" Es gibt ein schönes Wort nach Friedrich Hebbel manche Menschen werden in ein starkes JH geboren und werden durch das starke JH bewegt - die so genannten Revolutionszeiten - aber auch wenn man in ein schwaches JH geboren ist muss man mit einer Haltung leben. "

Service:

Die 15. Hans-Fallada-Tage 2005 finden vom 22. bis 25.7.2005 im Hans-Fallada-Haus in Carwitz statt.