Kompromiss zu §219a

So kann die SPD nicht punkten

Demonstration in Berlin für die Abschaffung des Paragrafen 219a, das sogenannte Werbeverbot für Abtreibungen
Demonstration in Berlin gegen das Werbeverbot für Abtreibungen. - Haben die Regierungsparteien nun einen guten Kompromiss gefunden? © imago stock&people
Ein Kommentar von Frank Capellan |
Die SPD hat die Debatte um das Werbeverbot für Abtreibungen aufgebauscht, um sich zu profilieren, meint Frank Capellan. Ein Irrweg: Gewonnen haben konservative Kräfte. Die SPD solle sich lieber in der Klimapolitik am Koalitionspartner reiben.
Mehr war nicht drin. Mehr werden auch die Frauen in der SPD nicht bekommen – es sei denn sie wollten ganz bewusst das Ende der Koalition provozieren. Denn das Werbeverbot für Abtreibungen spielt zwar draußen in den Wahlkreisen kaum eine Rolle. In Berlin aber ist die Debatte um den §219a so ideologisch aufgeladen, dass sie längst eine markante Sollbruchstelle dieser Großen Koalition zeigt.

Die SPD hat selbst schuld an der Situation

Dass es dabei für die leidgeprüften Sozialdemokraten einmal mehr auch um deren Glaubwürdigkeit geht, hat sich die Partei selbst eingebrockt: Per Fraktionsbeschluss wurde die vollständige Streichung des zu Recht umstrittenen Strafrechtsparagrafen gefordert. Selbst ein Gesetzentwurf lag schon in der Schublade. Eine Strafe für Ärzte, die über von ihnen vorgenommene Schwangerschaftsabbrüche informieren, wäre damit schnell vom Tisch gewesen, und mit Grünen, Linkspartei und Freien Demokraten hätte es ohnehin eine Mehrheit gegeben.
Im festen – falschen – Glauben, dass am Ende sogar die Union mitziehen würde, brachte Fraktionschefin Andrea Nahles die eigenen Leute auf die Bäume, von denen manche jetzt nicht mehr herunterzubekommen sind. Die Maximalforderung nach der bedingungslosen Streichung hat für sie weiterhin Bestand. Die Union allerdings nutzte die Kontroverse als Steilvorlage, um im Ringen um den Nach-Merkel-Kurs ihre konservativste Seite herausstreichen zu können.
So bleibt nun nur noch der kleinste gemeinsame Nenner, ein Kompromiss, der aber beileibe nicht so schlecht ist, als dass es sich lohnen würde, daran die Koalition platzen zu lassen. Ärzte können jetzt benennen, dass sie Abtreibungen anbieten und auf neutrale Stellen zur weitergehenden Beratung verweisen. Damit ließe sich prima leben, hätten nicht beide Seiten das Thema unzulässig aufgebauscht.

Die Klimapolitik bietet bessere Reibeflächen

Profilieren jedenfalls kann sich die SPD damit schon lange nicht mehr. Das könnte und sollte sie lieber mal mit der lange Zeit sträflich vernachlässigten Klimapolitik versuchen. Eine sozialdemokratische Umweltministerin, die sich nicht klar für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen ausspricht und sich von einem christsozialen Verkehrsminister über den Mund fahren lässt, sitzt auf dem falschen Posten. Es widerspricht jedem Menschenverstand, die endlich wieder aufgeflammte Diskussion darüber gleich wieder abzuwürgen, so wie es Andreas Scheuer gedeckt von einer ehemaligen Klimakanzlerin gerade tut.
Eine mögliche CO2 Einsparung von knapp zehn Prozent durch ein Tempolimit wäre mal ein Anfang und stünde einer Bundesregierung gut an, die Verbrennungsmotoren weiter schützt und fördert, etwa indem sie selbst festgesetzte Grenzwerte zur Luftreinhaltung mit Blick auf die Stickoxide mal eben über den Haufen wirft oder auf EU-Ebene stets bemüht ist, die Latte beim CO2 Ausstoß auf EU-Ebene möglichst tief aufzulegen.

Mehrheit der Bürger steht hinter Geschwindigkeitsbegrenzung

Bei CSU-Mann Scheuer ist leider noch nicht angekommen, dass eine Mehrheit der Bürger längst nicht mehr nachvollziehen kann, warum Deutschland als einziges EU-Land glaubt, noch ohne Geschwindigkeitsbegrenzung auskommen zu können.
Das sollte die SPD selbstbewusst aufgreifen, da gibt es wahrlich Reibungsflächen mit der Union. Den Streit um das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche aber sollte sie schnell begraben. In diesem Punkt haben sich die Genossen verzockt, mehr als der jetzt gefundene Kompromiss ist da nicht mehr drin!
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