Zwischen rechtem Diskurs und potentieller Gefahr
Seit Anfang des Jahres gibt es hierzulande ein Ministerium für Heimat. Die Konferenz "Heimatphantasien" in der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel ging der Bedeutung des Begriffs nach - und erörterte, was geschieht, wenn man ihn gefühlig oder national füllt.
Röhrende Hirsche, plätschernde Quellen, Berg und Tal und dichte Wälder. Das Meer, der weite Strand, das flache Land, weiter Horizont. Harmlose Heimat, die für jeden und jede etwas anderes bedeutet.
Aber es geht auch weniger harmlos, erklärte gleich zu Beginn der Konferenz "Heimatphantasien" deren Kuratorin Margarita Tsomou: "Das Problem ist in meinen Augen, dass der Heimat-Begriff heute als politisches Konzept zurückkommt und dabei in Form des so genannten 'Heimatministeriums' nationalstaatlich ausgeweitet wird."
Zugeständnisse an den rechten Diskurs
Und diese Aufladung des Heimatbegriffs mit der Idee des Nationalen führe weg von der pluralen Gesellschaft und hin zu mehr Ausgrenzung. "So ist die neue Konjunktur des national gefassten Heimatlichen als symbolpolitischer Akt und rhetorisches Zugeständnis an den Diskurs der populistischen extremen Rechten zu verstehen."
In der ersten der insgesamt sechs Diskussionsrunden wurde denn auch nach den Ursachen der vermeintlichen gesellschaftlichen Sehnsucht nach Heimat gefragt. Naika Foroutan, Sozialwissenschaftlerin und Leiterin des "Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung" geht davon aus, dass "Heimat" vor allem rechtspopulistischen Parteien als Anker in unsicheren, unübersichtlichen Zeiten in einer sich pluralisierenden Welt dient:
"Die Neue Rechte ist ja nicht nur eine Artikulation gegen Migration. Sie ist gleichsam eine Artikulation gegen die Genderfrage und sie ist auch eine Artikulation gegen die EU. Alles das sind plurale Manifestationen."
Kann der Heimat-Begriff progressiv besetzt werden?
Und die selbsternannten Bewahrer einer angeblich konsistenten, für alle gleichen "deutschen Heimat" wendeten sich gegen die Pluralität und konstruierten einen homogenen Raum, in dem die Ordnung wieder hergestellt scheint. Wie heftig der Kampf um die alte Ordnung geführt wird, das belegen auch die wütenden Reaktionen aus der Männerwelt auf die #Metoo-Debatte.
Leidenschaftlich gestritten wurde auf der Konferenz darüber, ob nicht besser gleich der Begriff an sich entsorgt und durch bessere ersetzt werden sollte. Statt einer "Heimat" hätten wir dann ein "Zuhause". Aber ist es nicht auch möglich, den Heimatbegriff positiv, progressiv zu besetzen? Für den Kulturtheoretiker Klaus Theweleit, der Sonntag Nachmittag zusammen mit der Literaturwissenschaftlerin und Gabriele Kämper auf dem Podium der Kampnagel-Fabrik saß, ist die Sache klar:
"Das Menschwerden besteht doch darin, dass man nicht Teil der Gesellschaft werden will, die um einen herum ist, weil die meisten von denen mörderisch sind oder potentiell mörderisch sind. Es kommt doch auf die Differenz an. Mensch wird man doch, indem man anders wird. Es geht um Differenz und nicht um Heimat! Zum Teufel mit diesem Wort!"
Das Heimatministerium als Gefahr
Allerdings, das erklärte Klaus Theweleit gleich zu Beginn, war er als Jugendlicher - vertrieben aus Ostpreußen, aufgewachsen in Schleswig-Holstein, im Nachkriegsdeutschland, als Flüchtlingskind unter alten Nazis und Nachbarn, die von nichts gewusst haben wollten - nur entsetzt gewesen von seiner Umgebung. Für ihn ist es ein Skandal, dass Horst Seehofer, dessen Ministerium für rechtlich klar geregelte Verfassungsprinzipien steht, nun auch für so gefühlige Dinge wie die "Heimat" zuständig sein soll.
"Wenn er den Heimatbegriff dranklebt, der nichts Institutionelles ist, der keinen Gesetzen oder Regeln unterliegt, außer: 'Das macht man hier so!', 'Wir sind hier halt so!'. Und wenn das hier so ist, dass man Leute umbringt, dann macht man das eben so. Das gehört zum Begriff Heimat potentiell mit dazu. Deswegen darf man das nicht mit so etwas wie einem Ministerium, einer Institution verbinden. Das regt mich auf."
Völkische Aufladung
Theweleits Mitstreiterin auf dem Podium Gabriele Kämper warnte zwar auch vor der völkischen Aufladung des Heimatbegriffs. Diesen Begriff deshalb aber aus dem Wortschatz zu streichen, anstatt ihn positiv, mit allen erdenklichen subjektiven Füllungen zu versehen, sei möglicherweise aber genauso falsch.
Klaus Theweleit selbst kennt keinen Ort, der für ihn Heimat ist: "Heimat, das sind wirklich meine Beziehungen, meine guten Beziehungen zu Menschen, zu anderen Menschen. Und die sind sogar transportabel an andere Stellen. Und das hängt nicht am Ort. Heimat ist für mich nicht örtlich gebunden." Aber, so Klaus Theweleit: Verbieten soll man den Begriff ganz sicher nicht. Nur bitte, bitte, nicht ans Nationale koppeln. Und Ministerien für Heimat, die sind für ihn eine potentielle Gefahr für ein friedliches Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft.