Unser Blick auf Afrika ist verschleiert
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Dass unser Wissen in Europa größtenteils aus Afrika stammt, wurde vergessen, sein Ursprung systematisch verschleiert. Dieses Wissen zu dekolonisieren, war das Ziel des Online-Symposiums "Unexpected Lessons".
Die Konferenz "Unexpected Lessons" findet als direkte Schalte zwischen Nairobi und Berlin statt, geleitet von einem Kuratorenteam in Nairobi: eine Konstellation mit Symbolwirkung. Sie soll zeigen: Die Debatte wird jetzt von den Orten des (kolonialen) Geschehens geführt. "Wissen" oder Wissenstransfer ist eigentlich das große Oberthema dieses Symposions, das von der Künstlergruppe "The Nest" aus Kenia organisiert wurde. Sie will Wissen ausbreiten, das im globalen Norden bislang ignoriert worden sei, so heißt es.
Traumatisierung durch das weiße Europa
Und so ging es zum Beispiel um Musik, um Stadtplanung, Bildung, Philosophie, um Formen von Therapie und viele verschiedene Felder mit vielen Einzelbeispielen. Wenn man die wissenschaftlichen Daten etwa über die Kulturobjekte in den europäischen Museen in ihrer ganze Breite auswertet, so Co-Kurator Jim Chuchu, kann man den emotionalen Ballast spüren, den diese Daten aus der Kolonialzeit mit sich führen, die von menschlichen Schicksalen, von Verlust und von Abwesenheit zeugen.
Hinzu kommen künstlerische Aktionen, eine interessante elektronische Soundperformance von Elsa M'Bala, Spoken Poetry, ein Filmprogramm und Stadtführungen. In einem Künstlerinnengespräch zum Thema, wie sich die Wunden der Kolonialisierung heilen lassen, ließ die Lyrikerin Nathalie Anguezomo ihrem Gefühl der Traumatisierung durch das weiße Europa freien Lauf.
Vergessener Ursprung der Toilette
Sie glaube an den Tod Europas, sagt sie. Erst dann sei der Kolonialismus Geschichte. Alles, wirklich alles, was das Wissen der europäischen Gesellschaften ausmacht, sei einst aus Afrika gekommen: Das Alphabet, die Mathematik, Sprache, Wissenschaft, Astrologie. Afrikaner hätten den Europäern sogar gezeigt, wie man eine Toilette benutzt. Doch die Europäer behandeln die Afrikaner, als wären sie Hinterwäldler.
Der Ton auf dieser Tagung war insgesamt viel freundlicher, verbindlicher, aber das emotionale Feuer, das in jedem Thema steckt und das eben manchmal offen ausbricht, war überall zu spüren. Es wird wohl noch viele ähnliche Veranstaltungen geben und geben müssen, um das bisherige Gefälle zwischen den Wissenschaften des globalen Nordens und Südens anzugleichen.