Wie geht es nach Dercon weiter?
Die Zukunft der Berliner Volksbühne ist nach dem vorzeitigen Ende von Chris Dercons umstrittener Intendanz unklar. Auf einer Berliner Konferenz wurde nun genau darüber diskutiert. Die Hamburger Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard war dabei.
Nach dem Rücktritt des Intendanten der Berliner Volksbühne, Chris Dercon – nach nicht mal einer, aber dafür heiß umstrittenen Spielzeit – braucht das Haus nun dringend Zukunftsperspektiven. Gerade wurde beschlossen, dass Klaus Dörr bis 2020 Übergangsintendant bleibt. Doch wie geht’s danach weiter? Darüber sprachen jetzt in Berlin Theaterfachleute und -macher bei der Konferenz "Vorsicht, Volksbühne" in der Berliner Akademie der Künste.
"Ich bin auch ein großer Fan von transparenten Entscheidungen", sagte die Hamburger Kampnagel-Intendantin, Amelie Deuflhard, im Deutschlandfunk Kultur. Sie hatte lange die Berliner Sophiensäle geleitet, bevor sie 2007 zur Kampnagel-Chefin wurde. Deuflhard sagte nach der Ernennung von Dercon, Berlin solle in Vorfreude "erbeben". Von der eigentlichen Spielzeit war sie dann aber ebenso enttäuscht wie viele andere Beobachter. Das größte Problem sei aber die Art und Weise der Ernennung gewesen, betonte sie im Gespräch.
Erspüren und Erhören
"Es ist eigentlich vollkommen klar, dass man nach Castorf auf jeden Fall eine Kommission hätte einsetzen müssen", sagte sie. "Das, was jetzt in Berlin stattfindet an diesem Wochenende an öffentlichen Diskussionen über die Volksbühne (ist ein) Erspüren und Erhören, was eine Stadt, aber auch eine Theaterszene sich vorstellen unter so einem Ort."
Deuflhard sagte, daraus könnte man durchaus für alle Intendanzbesetzungen lernen und für die Besetzung wichtiger öffentlicher Positionen die Öffentlichkeit stärker einbeziehen. "So eine Entscheidung sollte auch nicht einsam von einem Kultursenator gefällt werden."
Skepsis gegenüber einem Kollektiv
Könnte eine Intendantengruppe statt eines einzelnen Intendanten die Lösung sein? In letzter Zeit häufen sich Stimmen, die sich diesen Vorschlag gut vorstellen können. "Kollektiv ist natürlich auch nicht so einfach", sagte Deuflhard dazu. "Es ist eine Möglichkeit, sich um diese Möglichkeit zu drücken, eine Person zu finden, die das alles realisiert, was jetzt so in der Luft rumschwebt – was ja auch sehr unterschiedliche Positionen sind."
Eher linke aktivistische Künstlerinnen seien ebenso wie Konservative gegen Dercon gewesen, auch die Kritik habe sich gegen ihn gewandt - eigentlich alle. "Er hatte niemanden", sagte die Kampnagel-Chefin. Das Publikum sei ausgeblieben und sein Haus sei gegen ihn gewesen. "Also, wenn alle gegen einen sind, kann man so eine Position eigentlich nicht durchhalten." Es sei die Aufgabe einer Intendanz, sich Unterstützung zu sichern.
Zu früh für Namen von Nachfolgern
Auf die Frage, was an den Gerüchten dran sei, dass Deuflhard selbst die Dercon-Nachfolge antreten könnte, sagte sie: "Ich glaube, da bleibe ich bei dem, was Politiker auch immer sagen. Wenn Herr Lederer mich anrufen würde, würde ich bestimmt sagen: Wir können uns mal treffen. Aber ich glaube, es wird sehr stark eine Richtungsentscheidung werden. Will man so ein Haus internationaler aufstellen, will man einen Regisseur oder eine Regisseurin an der Spitze oder einen Nicht-Regisseur, will man ein Kollektiv … da jetzt schon einzelne Namen zu nennen, ist verfrüht."