Die Politik der leeren Rahmen
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Wahlkampfzeit in Weißrussland: Einer der Gegner von Diktator Lukaschenko ist der Kunstsammler Viktor Babariko. Er kauft Werke weißrussischer Künstler und stellt sie in Minsk aus. Jetzt wurde die gesamte Sammlung von den Behörden konfisziert.
Werke von Marc Chagall, Haim Sutin oder Ossip Zadkine sind in aller Welt berühmt, nur in Weißrussland, wo sie geboren wurden, kannte man die osteuropäischen Vertreter der sogenannten Pariser Schule bislang kaum.
Dass der Prophet nichts gilt im eigenen Land, wollte Viktor Babariko nicht länger hinnehmen. Deshalb begann der langjährige Direktor der Belgazprombank vor neun Jahren, Bildern und Skulpturen weißrussischer Künstler in aller Welt aufzukaufen. Zu sehen waren sie bislang in der Belarus Art Galerie, wo Alexander Simenko Kurator ist.
"Werke von Chagall gab es bislang in Weißrussland nicht. Ebenso wenig von Haim Sutin. Ossip Zadine, Wankowitsch, Bakst und viele andere wurden bei uns zum allerersten Mal überhaupt in Weißrussland ausgestellt. In staatlichen Einrichtungen wurden keine von ihnen gezeigt. In der Galerie ist inzwischen wohl eine der vollständigsten Sammlungen der Pariser Schule in Osteuropa entstanden. Die Werke stammen aus dem 16. bis 20. Jahrhundert. Seit neun Jahre kauft die Bank Werke in den führenden Auktionshäusern: Sotheby’s, Christies, MacDougall, auch von Galerien und Privatpersonen, die etwas Interessantes anzubieten haben", sagt Simenko.
Sutins "Eva" auf dem T-Shirt
Für die Belgazprombank ist die neue weißrussische Kunstsammlung eine Geldanlage, auf die die Landsleute wiederum stolz sind. Handelt es sich doch etwa bei Ossip Zadkine um einen in Witebsk geborenen Bildhauer, der unter anderem an der renommierten Académie de la Grande Chaumière in Paris unterrichtete, wo auch Marc Chagall und Haim Sutin malten. Sutins Frauengemälde "Eva" tragen jetzt viele auf dem T-Shirt, die sich solidarisch mit den im Präsidentschaftswahlkampf angetretenen Oppositionskandidaten zeigen wollen.
Drei Jahren lang konnte man die rund 150 in Weißrussland unbekannten Werke im Kunstpalast der Hauptstadt kennenlernen. Doch damit ist es jetzt vorbei. Denn vor einigen Tagen wurde die gesamte Kollektion konfisziert.
An den Wänden hängen jetzt statt der Gemälde gerahmte weiße Blätter mit einem QR-Code in der Mitte, den die Besucher scannen müssen, um das Bild sehen zu können. "Die Galerie ist virtuell geöffnet, mit QR-Code und Audio-Guide kann man die Arbeiten sehen", erläutert der Kurator.
Alle Kunstwerke sind weg
Erst am vergangenen Wochenende musste Alexander Simenko mit ansehen, wie in Witebsk, der Geburtsstadt von Marc Chagall, ein weiteres Gemälde mitgenommen wurde. Der Kurator war auch dabei, als Beamte der weißrussischen Finanzaufsichtsbehörde zwölf Stunden lang sämtliche Bilder und Plastiken aus der Bank und aus seiner Galerie heraustrugen. Am Ende erhielt er noch nicht einmal ein Stück Papier, das den Abtransport der Kunstwerke bescheinigte.
"Bis heute habe ich, der als Kurator schließlich die Verantwortung für die Sammlung trägt, kein einziges Schriftstück darüber bekommen, dass Sicherheitsbeamte den Status unserer Kollektion verändert haben. Ich habe bis heute kein Dokument in den Händen, aus denen hervorgeht, was sich bis zu diesem Moment im Besitz der Belgazprombank befunden hat", beschwert sich Simenko.
Der Kurator der Galerie für weißrussische Kunst weiß nicht, wie er die Aktion nennen soll: Konfiszierung, Beschlagnahmung? Auf die Frage, ob die Beamten die gesamte Sammlung mitgenommen haben, antwortet er nur indirekt: "Ich kann folgendes sagen: Die Vertreter der Sicherheitsorgane zeigten sich interessiert an sämtlichen Arbeiten, die sich in der Sammlung befanden und wir sind ihren Anweisungen nachgekommen."
Nur eine Figur des Bildhauers Ossip Zadkine, die den Namen "Der Überbringer des Geschenks" trägt, steht nach wie vor in Minsk am Eingang der Belgazprombank. Mit drei Metern Höhe und dem Gewicht von einer Tonne war sie wohl zu unhandlich.