Konflikt zwischen Tradition und Modernisierung

Nach Einschätzung des Heidelberger Sinologen Rudolf G. Wagner stehen die Unruhen in der nordchinesischen Provinz Xinjiang im Zusammenhang mit der Modernisierungsstrategie der Zentralregierung in Peking.
Wagner verwies darauf, dass die Führung in Peking einen "Riesenmodernisierungsschub" im ganzen Land in die Wege geleitet habe. Das betreffe zum Beispiel den Ausbau der Infrastruktur, aber auch Faktoren wie Lebenserwartung, Kindersterblichkeit oder die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt: "Wenn Sie das an solchen Maßstäben messen, hat die chinesische Politik in Xinjiang – aber natürlich auch in Tibet – erhebliche Fortschritte gebracht."

Wie der Direktor des Zentrums für Ostasien-Studien an der Universität Heidelberg erklärte, gehört zu dieser Modernisierungsstrategie aber auch eine "organisierte, großflächige Kulturzerstörung" zum Beispiel durch den Abriss traditioneller Gebäude. Dies betreffe ebenso die Regionen, in denen die Bevölkerungsmehrheit der Han-Chinesen wohne, so Wagner. In Gebieten wie Tibet oder eben Xinjiang komme aber hinzu, dass der Modernisierungsprozess mit einer Umschichtung der Bevölkerung einhergehe. In der uigurischen Provinzhauptstadt Urumqi stellten die Han-Chinesen seit zehn Jahren die Mehrheit der Einwohner. Die Uiguren wohnten hingegen in einem eigenen Stadtteil. "Dieses Uiguren-Viertel ist so, dass man es richtig auch absperren kann – was gestern passierte."

Dem Wissenschaftler zufolge ist der Vorwurf der chinesischen Regierung, dass die Uiguren den islamischen Terrorismus unterstützten, weitgehend unbegründet. Die Proteste innerhalb von Xinjiang sowie "immer wieder aufflackernde Einzelaktionen" hätten nach bisherigen Erkenntnissen keine Verbindung zu "irgendeiner der bekannteren sogenannten terroristischen Organisationen". Sicherlich gebe es einzelne Personen, die als Terroristen gelten könnten, so Wagner, "aber es gibt bisher keinerlei Nachweise, dass es dort irgendeine institutionelle Verbindung gibt".

Sie können das vollständige Gespräch mindestens bis zum 7.12.09 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.