CO2-Speicher im Kongo
Tropischer Regenwald im Kongo-Becken: Forscher ermitteln, wie viel des klimaschädlichen Kohlenstoffdioxids die Bäume dort aus der Atmosphäre gezogen haben. © picture alliance / WILDLIFE / M.Harvey
Die Vermessung des Regenwalds
30:38 Minuten
Der Amazonas, das Kongo-Becken und der Regenwald in Südostasien sind in Gefahr. Die grüne Lunge des Planeten schrumpft und könnte künftig mehr CO2 ausstoßen als speichern. Belgische und kongolesische Forscher untersuchen deshalb Hunderttausende Bäume.
Der belgische Forscher Wannes Hubau ist wieder im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo unterwegs, um sein Mammutprojekt fortzusetzen. Zwei kongolesische Nachwuchsbotaniker helfen ihm dabei. Ihr Ziel ist es: möglichst viele Bäume im Kongo-Becken zu vermessen. Die machen rund ein Viertel der weltweiten Regenwälder aus.
„Anhand des Umfangs können wir die Biomasse eines Baumes schätzen. Dafür braucht es auch die Höhe der Bäume. Unsere Modelle nutzen den Umfang, die Höhe und die Dichte des Holzes. Wir haben bereits über tausend Holzproben für die Messung der Dichte. Und damit können wir eine Schätzung abgeben.“
Der 37-Jährige ermittelt Daten, die wichtig sind für die weltweiten Klimaberechnungen. Es geht um die Frage, wie viel des klimaschädlichen Kohlenstoffdioxids die Bäume im Kongo aus der Atmosphäre gezogen haben.
100.000 Bäume in Zentralafrika vermessen
Seit Jahren reist der Belgier in den Kongo. Erst für seine Doktorarbeit, inzwischen ist er Professor an der Universität Gent und tätig am Königlichen Museum für Zentralafrika im belgischen Tervuren.
Hier, im Reservat Yangambi, hat Wannes Hubau bereits in den Jahren 2020, 2017, 2014 und 2012 Bäume vermessen. 100.000 sind es insgesamt in Zentralafrika.
Aber die Aufgabe kann er nicht länger alleine durchführen. Deshalb will er die beiden heimischen Botaniker Thierry Wankana und Cédric Otepa in den nächsten zehn Tagen anlernen. Auch tote Bäume untersuchen sie.
„Wir stellen jedes Mal Nachforschungen am Ort an zum Tod des Baumes. So können wir anhand des Umfangs aus dem Vorjahr ausrechnen, wie viel Kohlenstoff er gespeichert hatte. Denn das ist Kohlenstoff, der im Wald dann wieder entweicht.“
Hubau erzählt, dass es oft keine vier Jahre braucht, bis tote Baumstämme verschwinden, inklusive Wurzelwerk. Von der Natur zersetzt, gelangt der Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre.
Allerdings war die Bilanz bisher meist so, dass der Wald mehr CO2 aus der Atmosphäre aufnimmt, als er wieder abgibt. Wissenschaftler bezeichnen das als „Kohlenstoff-Senke“.
Potenzial zur zusätzlichen CO2-Aufnahme sinkt
Aber das Speicherpotenzial im Kongo sinkt laut den Messungen des Belgiers Hubau: Zuletzt während des letzten El Niños. Das Klimaphänomen erhitzt im Pazifik das Oberflächenwasser und wirkt sich auch auf den Kongo aus:
„Im Jahr 2017, nur ein Jahr nach dem verheerenden El Niño 2016, haben wir uns ein paar der Messgebiete in Zentralafrika erneut vorgenommen. Bereits vor Ort habe ich festgestellt, dass ganz schön viele große Bäume während der Zeit des El Niño gestorben sind. Normalerweise nimmt der Wald mehr Kohlenstoff auf durch die Bäume, die wachsen, als durch jene die sterben. Während der Phase des El Niño war die Bilanz gleich null. Die Kohlenstoff-Senke, das Potenzial, CO2 aufzunehmen, ist für eine bestimmte Zeit auf null zurückgefallen.“
Und das ist keine Ausnahme – sondern Beispiel eines alarmierenden Trends. Im gesamten Regenwald in Zentralafrika sinkt das Potenzial, zusätzliches CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen, schrieb Wannes Hubau schon 2020 – zusammen mit einem Kollegen - in der Fachzeitschrift „nature“.
Für den Artikel nutzte er massenhaft Daten, die er eigenhändig erhoben hatte, wertete jahrzehntealte Unternehmensunterlagen von Holzfirmen aus. Aber das war nur ein Teil: 94 Forschungsinstitute wirkten an dem Paper mit.
Das ist eine der Forschungsarbeiten, um die CO2-Speicherung im Kongo-Becken besser zu verstehen. Ein Unterfangen, was bei einheimischen Volksgruppen auch Skepsis auslöst, aufgrund der belgisch-kongolesischen Kolonialgeschichte.