"Da hat man den Eindruck gewonnen, dass die Primitivität von Twitter und den sozialen Medien, wo es wirklich um das Skandalisierungspotenzial geht, eine Rückwirkung hat auf das Feuilleton, das dann doch nicht mehr so seriös erscheint, wie es vielleicht sein will."
Zukunft der Kritik
Auch die professionellen Kunstkritiker waren nicht immer treffsicher. Aber fällt die Masse ein besseres Urteil? © imago / Ikon Images / imago stock&people
Löst die Masse die Experten ab?
06:02 Minuten
Ist das Kunst, oder kann das weg? Jeder kann seine Meinung per Twitter und Co. in die Öffentlichkeit blasen. Auch über Kunstwerke. Braucht es dann überhaupt noch professionelle Kunstkritik? Unbedingt, sagt Elke Buhr, Chefredakteurin von Monopol.
Wo steht Kunstkritik in Zeiten des Internets? Ist, um es mit einem abgewandelten Zitat von Joseph Beuys zu sagen, jeder Mensch ein Kritiker? Auf jeden Fall kann jeder seine Meinung in den sozialen Medien kundtun.
Das Internet ist gar nicht schuld
Buhr meint, dass sich die Situation der Kritik durch das Internet nicht grundlegend verändert habe: "Man soll sich nicht vorstellen, dass früher alle Leute die ganze Zeit total qualifizierte Kunstkritiken gelesen haben. Nein, haben Sie nicht. Es ist was für Spezialisten. Und das ist doch eigentlich schön, dass das ergänzt wird durch diese ganzen neuen Formen der sozialen Medien."
Die klassischen Bewertungskriterien gebe es schon seit Beginn der Moderne nicht mehr: "Wir haben das Problem schon lange, und das Internet ist ausnahmsweise nicht schuld."
In jüngerer Zeit würden Werke nach der Größe des CO 2-Abdrucks oder den Auswirkungen auf die Gesellschaft beurteilt. "Es sind ganz interessante neue Kriterien dazu gekommen", sagt Buhr.
Je jünger, desto apokalyptischer
Sie habe auf dem Kongress die Erfahrung gemacht, dass gerade die jüngeren Kritiker, die viel auf sozialen Medien unterwegs seien, eine pessimistische Einstellung zur Zukunft der Branche hätten, erzählt Buhr.
"Die sagen: 'Unter der kapitalistischen Plattform-Logik ist es nicht möglich, qualifizierte Kritik zu machen'". Das könnte auch daran liegen, dass es schwer sei, im Internet mit Kritik seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Allerdings gibt es auch immer wieder Wechselwirkungen zwischen etablierter Kritik und der in sozialen Medien, betont Buhr. Das sei bei der Documenta-Debatte über Antisemtismus gut zu sehen gewesen.
Das Publikum bereichern
Also, wie sieht sie aus, die Zukunft der Kritik? "Ich glaube, je unübersichtlicher etwas wird, desto interessanter ist es, zumindest für einige Leute, sich zu orientieren und eine Expertise abzufragen", sagt Buhr.
Das verlange allerdings auch einiges von den Kritikerinnen und Kritikern: "Sie müssen einfach gute Arbeit machen. Und sie müssen bereichernd wirken. Dann werden sie auch in der Zukunft ein Publikum finden."
(beb)