Von der Kunst, ein Bild zu betrachten
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Ein Besuch im Museum kann überwältigend sein. Für alle, die sich fragen, wo man am besten anfängt und wie man sich den Werken der alten Meister richtig nähert, hat Konrad O. Bernheimer eine „Gebrauchsanweisung fürs Museum“ geschrieben.
Jeden Sonntag mit dem Großvater ins bayerische Nationalmuseum oder die Alte Pinakothek, und das als Fünfjähriger: Was für viele Kinderohren wohl eher nach Folter klingt, weckte in Konrad O. Bernheimer eine lebenslange Begeisterung für Gemälde: "Seit mein Großvater mich mitschleppte, habe ich mit den Museumsbesuchen nicht mehr aufgehört", erzählt der Kunsthändler im Deutschlandfunk Kultur. Heute kenne er das bayerische Nationalmuseum so gut, dass er sich erstmal umgewöhnen müsse, wenn ein Bild umgehängt wird. "Das ist aber gar nicht so schlecht, weil ich dann gezwungen bin, das Bild neu zu sehen, in einem neuen Kontext."
Wie man das macht, ein Bild richtig sehen, erklärt Konrad O. Bernheimer in seinem neuen Buch "Gebrauchsanweisung fürs Museum". Die erste und wichtigste Regel sei es, sich Zeit für ein Gemälde zu nehmen. "Wenn du ins Museum gehst, versuche nicht, dir das Museum anzuschauen. Denn da wird man hinten und vorne nicht fertig." Das habe ihn bereits sein Großvater gelehrt. Stattdessen sollte sich der Besucher vorher überlegen, was er sich anschauen will.
Drei Stunden für vier Bilder
Auch im Museum gelte: Qualität vor Quantität. "Als ich einmal mit einer Gruppe von Engländern in den Uffizien in Florenz war – wir durften nach der Abendschließung hinein – hat mich meine Frau hinterher gefragt, was wir uns in den drei Stunden angesehen hätten. Es waren vier Bilder." Bernheimer räumt ein, dass dies natürlich ein großer Luxus sei. Wenn jemand nur einmal zu Besuch in Florenz sei, wolle er natürlich so viel sehen wie möglich. Man müsse aber verstehen, dass die Qualität darunter leide.
Wenn Konrad O. Bernheimer ein Gemälde das erste Mal betrachtet, es erkundet, wie er sagt, schaut er nicht auf das Label. "Den Titel und worum es sich handelt, das will ich selber erkennen." Mit wachsender Erfahrung gehe das natürlich schneller. Gerade die alten Meister bedienten sich eines übersichtlichen Kanons von Heiligen und Szenen aus der Bibel oder den Metarmorphosen von Ovid.
Den optischen Eindruck in Sprache übersetzen
Um sich in das Bild zu versenken, helfe es, das Bild vor dem eigenen Auge zu beschreiben. "Wenn niemand in der Nähe steht, vielleicht auch im lauten Selbstgespräch. Oder man hat jemanden dabei und fängt an zu erzählen, was man da sieht. So ersieht man sich das Bild langsam, indem man versucht, den optischen Endruck in Sprache umzusetzen", so Konrad O. Bernheimer.
Als Sprössling einer Dynastie von Kunst- und Antiquitätenhändlern schien der Weg von Konrad O. Bernheimer vorgezeichnet zu sein. Doch erst die Museumsbesuche mit dem Großvater bestimmten die genaue Richtung: "Ich bin in der Reihe der Bernheimer zwar der vierte Kunsthändler, aber der erste Bilderhändler." Inzwischen ist Konrad O. Bernheimer selbst Großvater – und nimmt seine Enkel natürlich regelmäßig mit ins bayerische Nationalmuseum. Aber er muss auch zugeben: "Weiter als bis zu den Ritterrüstungen habe ich es mit ihnen noch nicht geschafft."
(rod)