Schwedin droht Haftstrafe
Sie hinderte ein Flugzeug am Start und wandte damit die Abschiebung eines 52-Jährigen nach Afghanistan ab. Der Einsatz der Schwedin Elin Ersson war aber wohl widerrechtlich und die Staatsanwaltschaft will sie nun anklagen.
Eigentlich hatte Elin Ersson die Abschiebung eines anderen, deutlich jüngeren Afghanen verhindern wollen. Aber der war nicht an Bord der Maschine, für die sie sich ein Ticket besorgt hatte. Stattdessen ging es ihr nun um einen 52-jährigen Mann, der gegen seinen Willen über die Türkei in seine Heimat zurückgebracht werden sollte.
"Ich versuche, sein Leben zu retten"
"Da sitzt jemand hinten, der soll nach Afghanistan abgeschoben werden. Da ist Krieg und wenn er dahin kommt, wird er höchstwahrscheinlich getötet. Ich versuche, sein Leben zu retten", so die 21-Jährige in dem Handyvideo, in dem sie sich selbst filmte und das Ganze live im Internet übertrug – wie sie von Flugbegleitern aufgefordert wurde, das Gerät auszuschalten und sich endlich zu setzen. Sie weigerte sich und verhindert so den Start der Maschine. Einige Passagiere solidarisierten sich mit ihr.
Nach etwa zwei Stunden setzte sie sich durch: "Sie laden sein Gepäck aus und ich warte auf den Flugbegleiter, darauf, dass er mir sagt, dass alles okay ist, und dass auch ich rausgehen kann." (Applaus)
Nach der verhinderten Abschiebung berichteten schwedische Medien, darunter die Zeitung "Dagens Nyheter", dass der Mann zuvor während seines Aufenthalts in Schweden wegen Körperverletzung rechtskräftig verurteilt und – auch wenn die Abschiebung laut Behörden mit dem Urteil nicht in Verbindung stand – später dann über einen anderen Flughafen doch nach Afghanistan gebracht worden war. Elin Ersson verteidigte ihre Aktion in vielen Interviews. Sie habe dem 52-Jährigen als Menschen helfen wollen, ungeachtet seiner Vorgeschichte.
Im Gespräch mit der Deutschen Welle beklagte sie dann den Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern in Schweden: "Wir geben ihnen nicht die korrekte rechtliche Behandlung, auf die sie ein Recht haben. Regierung und die Einwanderungsbehörde tun was sie können, um sicherzustellen, dass so viele wie möglich deportiert und abgelehnt werden."
Heldin – und Tatverdächtige
Die 21-Jährige wird seit ihrer Aktion allerdings nicht nur als Heldin gefeiert. Abschiebungen seien gerichtliche Beschlüsse und als solche zu achten, hat unter anderem ein Politiker der konservativen "Moderaten" gesagt. Dazu gibt es scharfe Angriffe bis hin zu konkreten Drohungen in einschlägigen einwanderungskritischen Foren. Und nun will die Staatsanwaltschaft Elin Ersson doch noch anklagen. Die lange Voruntersuchung der Polizei sei abgeschlossen, sagte ein Sprecher, ihre Aktion sei, Zitat: "objektiv eine Straftat" gewesen, wahrscheinlich ein Verstoß gegen das Luftfahrtgesetz. Die Studentin soll schnellstmöglich als "Tatverdächtige" gehört werden.
Ihr droht eine Geld- oder sogar eine bis zu sechsmonatige Haftstrafe. An ihrer Kritik der schwedischen Abschiebepraxis dürfte aber auch das nichts ändern. Auf ihrer Facebook-Seite mit mehr als 50.000 Followern hat sie gerade erst den Aufruf zu einem großen Sitzstreik Anfang Oktober geteilt, bei dem auf die nach Sicht der Demonstranten für Abschiebungen viel zu unsichere Lage in Afghanistan hingewiesen werden soll. Schlusssatz: "Vi ger inte upp kampen" – "Wir geben den Kampf nicht auf!"