75. Geburtstag von Konstantin Wecker

Einer, der nie ankommen wird

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Porträt des Musikers Konstantin Wecker, 2019.
Auch mit Mitte 70 spielt Konstantin Wecker noch Konzerte. Für den Sommer ist eine Tour geplant. © Getty Images / Hannes Magerstaedt
Sarah Straub im Gespräch mit Mascha Drost · 01.06.2022
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"Auch auf einer Leiter, deren Sprossen aus Niederlagen gebaut sind, kann man nach oben klettern": ein typischer Konstantin-Wecker-Satz. Drogensucht, Absturz, Ruin: Wecker führte ein bewegtes Leben. Jetzt wird er 75.
Konstantin Wecker gilt vielen als Ikone des Widerstands gegen rechts. Seine Ballade "Willy" über einen jungen Mann, der bei einer Kneipenschlägerei von Neonazis getötet wird, ist ein Kultsong. Bei Festivals, Mahnwachen, Demos und Konzerten ruft der Liedermacher immer wieder zum Kampf gegen rechte Gewalt und Hetze auf.
Oberflächliche Unterhaltung liegt dem Münchner nicht, dazu hat er selbst zu viele Tiefen durchlebt: Haft, Drogensucht und Mitte der 1990er-Jahre den finanziellen Zusammenbruch. Krisen, aus denen er sich selbst wieder rausholte. Nun feiert der Musiker seinen 75. Geburtstag.

Die Kunst des Scheiterns

Auf einer Leiter, deren Sprossen aus Niederlagen gebaut sind, kann man auch nach oben klettern", schrieb Wecker vor 15 Jahren im Vorwort zu einem Buch mit dem bezeichnenden Titel "Die Kunst des Scheiterns". Schonungslos offenbarte er darin seine Drogenexzesse, bei denen er sich mit Kokain und Crack vollpumpte und in seiner Luxusvilla im noblen Münchner Vorort Grünwald einsam dahin vegetierte.
Doch er stand auch wieder auf, ging auf Tournee, komponierte Kindermusicals und Filmmusik, schrieb Bühnenprogramme, Romane, Lyrik und Songs und vertonte Gedichte von Bertolt Brecht. 2018 wurde er Gastprofessor an der Universität Koblenz-Landau. "Das, was man in der Gesellschaft als Erfolglosigkeit versteht, muss nicht wirklich eine Erfolglosigkeit sein für die innere Entwicklung", resümierte er 2007.

Keine Waffen für die Ukraine?

Zuletzt bezog der Pazifist Wecker in der Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine Stellung. Er unterzeichnete Ende April mit anderen einen offenen Brief, der zu einem Ende des Blutvergießens aufruft. "Wir fordern daher die Bundesregierung, die EU- und NATO-Staaten auf, die Waffenlieferungen an die ukrainischen Truppen einzustellen und die Regierung in Kiew zu ermutigen, den militärischen Widerstand - gegen die Zusicherung von Verhandlungen über einen Waffenstillstand und eine politische Lösung - zu beenden", heißt es darin.
Die Sängerin Sarah Straub arbeitet seit einigen Jahren mit Konstantin Wecker zusammen, tritt regelmäßig mit ihm auf. Sie beschreibt ihn als Mann, der aus purem inneren Antrieb sein Leben lang gesungen und geschrieben hat. Um eine Karriere sei es ihm nie gegangen. Auf der Bühne mache Wecker den Eindruck, jedes Lied in dem Moment zu einhundert Prozent zu fühlen:
"Man kauft ihm alles ab. Und er lebt seine Lieder. Die Ausstrahlung, die er hat, ist beispiellos. Konstantin sagt immer, seine Texte seien klüger als er, und er sei nie so nah bei sich selbst, wie wenn er auf der Bühne steht."

Nicht kitschig, sondern schonungslos ehrlich

Auch Weckers Pathos findet Straub nicht kitschig. Der Liedermacher sei einfach nur schonungslos ehrlich: Weil Konstantin auch so oft hingefallen ist in seinem Leben. Dieses Scheitern, das er ja auch auf der Bühne zelebriert, wenn er davon spricht und man ihm quasi wie einen Messias beobachtet, weil er immer wieder aufgestanden ist." Damit habe Wecker "eine große Vorbildfunktion".
Auf seinem letzten Album fragte Wecker: "Bin ich endlich angekommen?" Straub ist überzeugt, dass das für ihn nicht möglich ist: "Ich glaube, er wird immer auf der Suche sein. Er wird immer ein Stückchen näher zu sich selbst finden, aber es ist Teil seiner Identität, zu suchen. Und dass er das zulässt, macht die guten Texte aus."
(hte / dpa)
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