Triumph des digitalen Kaufens
Das hemmungslose Konsumieren soll jetzt noch einfacher werden. Die Firma Apple hat ein Bezahlsystem entwickelt, das Smartphones zur digitalen Brieftasche mutieren lässt. Und auch Marktgigant Amazon produziert ein Handy, mit dem man noch leichter shoppen kann. Kritiker von Big Data vermuten, dass die großen IT-Konzerne schon viel zu viel über unsere Konsumwünsche wissen. Ein Kommentar.
Apple, dieser Flaschengeist der Subversion in der digitalen Welt, ist schon längst aus der kalifornischen Garage entkommen und zu einem Riesen hypertrophiert, wie ihn die Welt vor Google, Amazon und Facebook nicht gesehen hat. Es geht hier schon lange nicht mehr um Technik und Wirtschaft: unsere Kultur und unsere Gesellschaften sind von dem, was US-amerikanische Denker als Dataismus bezeichnen, viel tiefer geprägt, als wir es wahrhaben wollen. Und das zeigt sich nicht zuletzt im neuen Bezahlsystem, das sich Apple jetzt gesichert hat.
Adorno warnte in den 1960er-Jahren, als von so etwas wie dem Internet noch nicht entfernt die Rede sein konnte, vor der "unersättlichen Uniformität der technischen Medien", deren "unbegrenzte Möglichkeiten die Verarmung der ästhetischen Möglichkeiten ... radikal zu steigern verspricht". Alle sinnlichen Elemente, prophezeite er, würden dereinst allesamt "einspruchslos die Oberfläche der gesellschaftlichen Realität protokollieren", und zwar im selben Arbeitsgang. "Dieser Arbeitsgang integriert alle Elemente der Produktion, von der auf den Film schielenden Konzeption des Romans bis zum letzten Geräuscheffekt. Er ist der Triumph des investierten Kapitals."
Adornos alter Text liest sich wie eine exakte Beschreibung des Geschäftsmodells der digitalen Unterhaltungsindustrie.
Mensch macht sich zum Objekt von Konsum und Überwachung
Was er jedoch nicht vorsehen konnte, war die Verschmelzung von Konsum mit Kommunikation über eine Maschine, die ebenso einen Film wie den Weg zum nächsten Leihwagen zeigen kann; und, mit derselben Maschine, die Verknüpfung von Konsum mit Überwachung. Mit allem, was das Subjekt über diese Maschine konsumiert, macht es sich auch zum Objekt der informationellen Überwachung.
Dieser mittlerweile fest etablierte Zusammenhang, den Foucault in seiner Konzeption einer "produktiven" und nicht einfach "repressiven" Macht vorausgedacht hat, stellt sich in der winzigen und allgegenwärtigen Kommunikationsmaschine dar, die wir Smartphone nennen.
Die "smarte Macht", wie sie der Berliner Philosoph Byung-Chul Han nennt, existiert ja nicht nur auf der Grundlage einer gesammelten Datenmenge, die die kühnsten Fantasien totalitärer Geheimdienste weit übertrifft, sondern in der Permanenz ihres Zugriffs, der mit dem Einverständnis ihrer Nutzer und Unterworfenen erfolgt.
Ihrem Wesen nach ist diese Macht totalitär. Keine andere menschliche Fähigkeit habe so sehr unter dem ‚Fortschritt' der Neuzeit gelitten, wie unsere Fähigkeit zu handeln, hat Hannah Arendt in ihrer Analyse des Totalitarismus behauptet. Fortschritt definierte sie in diesem Zusammenhang als den "erbarmungslosen Prozess des Mehr und Mehr, Größer und Größer, Schneller und Schneller".
Aufklärung eines selbstverschuldeten Konsumismus
Die Teilhabe an diesem Fortschritt haben wir einst als Errungenschaft zu begreifen gelernt. In welchem Ausmaß sie jedoch bei aller Aktivität ein Nicht-Handeln im Sinne Hannah Arendts bedeutet, beschreibt Byung-Chul Han in seiner Untersuchung über die Techniken smarter Macht. Sie funktionieren "nicht prohibitiv, protektiv oder repressiv, sondern prospektiv, permissiv und projektiv", erklärt er. "Die smarte Macht verführt, statt zu verbieten."
Das mit mitzudenken im alltäglichen allgegenwärtigen Konsum, in der Nutzung (oder eben Nicht-Nutzung) smarter Maschinen wäre ein Anfang. Vielleicht der Anfang einer neuen Aufklärung inmitten des selbstverschuldeten Konsumismus.