Konsumverzicht

Können wir so das Klima retten?

06:46 Minuten
Ein leerer Einkaufswagen steht einsam auf einem nebligen Parkplatz.
Weil die Energiewende nicht schnell genug kommt, hilft nur weniger Konsum, argumentiert inzwischen eine ganze Bewegung. © Getty Images / EyeEm / Jaromir Chalabala
Von Sven Kästner |
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Nur was Kleines oder nichts zum Fest schenken und so die übliche Konsumschlacht verhindern: Nicht nur Träumer, auch Wirtschaftsexperten denken, dass wir die Erderwärmung nur mit einem grundlegenden Bewusstseinswandel effektiv bremsen können.
Den erhofften Beschluss zum Kohleausstieg hat die Weltklimakonferenz in Glasgow nicht gefasst.
„Ganz zum Schluss gab es noch einen kräftigen Dämpfer für die, die sich von der Klimakonferenz in Glasgow den endgültigen Abschied von der Kohle erhofft hatten. Indien machte seine Zustimmung von einer Abschwächung des Beschlusstextes abhängig. Es solle nur noch von einem Herunterfahren und nicht von einem Auslaufen der Kohleverbrennung die Rede sein“, hieß es in einem Bericht.
Klimaschützer kritisierten das heftig, denn weltweit werden gut 80 Prozent der Energie aus fossilen Trägern erzeugt. Klimaforschenden zufolge müssen wir diesen Wert in den nächsten zehn Jahren halbieren, wenn wir die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen wollen. Das ist nicht nur politisch schwierig, sondern auch technisch.
„So schnell können wir gar nicht erneuerbare Energien ausbauen. Weil es dauert ein Weilchen, einen Windpark zu bauen oder Fotovoltaik zu installieren“, sagt Henrik Nordborg. Er leitet den Studiengang Erneuerbare Energien und Umwelttechnik an der Ostschweizer Fachhochschule Rapperswil.

Die Tücken des Rebound-Effekts

Der Physiker verweist darauf, dass technischer Fortschritt zwar oft mehr Energieeffizienz bringt, der Energieverbrauch insgesamt aber trotzdem nicht sinkt. Wenn etwas billiger wird, verbrauchen wir mehr davon. Die Forschung spricht vom Rebound-Effekt.
Global gesehen bedeutet das: Der Ausstoß von Treibhausgasen sinkt nicht schnell genug, um die Erderwärmung zu bremsen, trotz der Bemühungen vieler Länder. Für Kai Kuhnhenn vom Leipziger Thinktank „Konzeptwerk Neue Ökonomie“ heißt das: Wir in den reichen Ländern müssen weniger konsumieren.
„Dass das Wirtschaftswachstum der Haupttreiber für Emissionen ist, ist eigentlich auch bekannt. Wenn wir eben immer mehr produzieren und konsumieren, dann brauchen wir immer mehr Energie dafür und müssen immer mehr CO2 dafür ausstoßen“, erklärt er.
Kuhnhenn sieht drei Ursachen für das ständige Streben nach Wachstum: das kapitalistische Wirtschaftssystem generell, die immer weiter automatisierte Industrieproduktion und die Gewinnerwartungen des Finanzmarktes. Kuhnhenns Lösung ist radikal: Eine Abkehr von der Konsumwirtschaft.
„Die menschlichen Bedürfnisse sind eben nicht so eindimensional, dass wir nur immer mehr materielle Dinge haben wollen. Sondern wir haben auch das Bedürfnis nach Kreativität, nach Muße, nach Sicherheit. Und viele dieser Bedürfnisse, die opfern wir halt in dem Streben nach Wachstum“, sagt er.

Mit Postwachstum zu weniger Arbeit

Wissenschaftler haben die Idee einer Postwachstumsökonomie entwickelt. Deren Verfechter wollen auf Wirtschaftswachstum verzichten, die Globalisierung zurückfahren und wieder mehr Waren vor Ort produzieren.
Das würde Betriebe zwar Gewinne und Arbeitnehmende Einkommen kosten, aber: Wer weniger konsumiert, braucht weniger Geld und muss weniger arbeiten – so die Theorie. Die vertritt etwa der Volkswirtschaftler Niko Paech von der Uni Siegen.
„Das kann auch eine Form der Befreiung vom Überfluss bedeuten. Das heißt: eine Vereinfachung, eine stärkere Übersichtlichkeit, eine Entschleunigung unseres Lebens dergestalt, dass wir mehr Orientierung und vielleicht sogar mehr psychische Stabilität haben in dieser Gesellschaft. Und auch mehr Gesundheit“, sagt er.
Das klingt fast nach guten Vorsätzen fürs neue Jahr. Aber weniger Konsum zur Rettung des Klimas, und auch für ein entspannteres Leben? Paech hält das für eine realistische Option.

Das kann auch eine Form der Befreiung vom Überfluss bedeuten.

Niko Paech

„Menschen tun nicht nur das, was sie aus Einsicht in die Notwendigkeit für wichtig halten. Sondern sie tun in erster Linie das, was sie geübt haben, was also in Routine übergegangen ist. Weil das so ist, lässt sich erwarten, dass natürlich eine positive Nebenwirkung im Sinne von Klimaschutz der Corona-Pandemie sein wird, dass zwar keine Mehrheit, aber dass doch ein gewisser Teil der Bevölkerung vielleicht etwas genügsamer lebt“, erklärt er.

Umnähen und tauschen statt zurückschicken

Auf mehr Genügsamkeit setzt auch Elisabeth Brandner. Ihr Änderungsatelier im Berliner Bezirk Schöneberg ist ein heller Laden voller Klamotten. Menschen lassen Lieblingsstücke reparieren oder neue Kleidung anpassen. Seit einiger Zeit können sie auch Outfits aus Online-Shops vorbeibringen, die eigentlich zurückgehen würden.
„Wir haben 100 oder 150 aufgearbeitete Retouren hier in einem bestimmten Preissegment. Und der Kunde, die Kundin, die können dann ihre Retouren bringen und innerhalb dieses Preissegments – anstelle, dass sie sie zurückschicken – bei uns eintauschen“, erklärt die Modedesignerin.
Und zwar gegen umgearbeitete Retouren: Brandner zerschneidet die abgegebenen Klamotten und kombiniert die Einzelteile zu neuen Stücken. Ideen hat die Modedesignerin reichlich.
„Zum Beispiel das ist eben diese Homeoffice-Hose. Die besteht aus acht T-Shirts. Und aus denen wurde dann diese Hose gebaut. Das ist eine bequeme Hose, die man jetzt fürs Homeoffice gut verwenden kann“, erzählt sie.

"Ich befürchte, dass das immer mehr wird"

Die globale Modebranche produzierte 2019, vor der Corona-Pandemie, 120 Milliarden Kleidungsstücke. 40 Prozent davon wurden nie verkauft. Diese unnötige Produktion verbraucht Rohstoffe, Wasser und Energie. Die Bekleidungshersteller sind für acht Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Elisabeth Brandner will da nicht mehr mitmachen.
Aber: „Ich gehe nicht davon aus, dass die Retouren die nächsten vier, fünf Jahre zurückgehen. Sondern ich befürchte, dass das immer mehr wird“, sagt sie.
„Es ist eigentlich auch mehr so eine Aufklärungsaktion, um den Leuten ein bisschen das Bewusstsein zu schaffen, was sie damit anrichten, wenn sie ständig bestellen und zurückschicken. Es ist auch als Aufklärungsprojekt gedacht.

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