Kontaktschuld-Vorwürfe

Als Islamist gebrandmarkt

15:36 Minuten
Nahaufnahme von offenen Händen eines Mannes.
Lässt sich allein aus Kontaktaufnahme schon auf weltanschauliche Nähe schließen? Auch liberale, politisch engagierte Muslime geraten durch diese Überlegung unter Extremismusverdacht. © unsplash / Jeremy Yap
Von Julia Ley |
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Den Vorwurf, Extremisten zu unterstützen, kennen viele Muslime. Oft bezieht er sich nicht auf Aussagen oder Taten, sondern nur auf Kontakte zu Organisationen, die in der Kritik stehen. Das kann reichen, um Menschen in Verruf zu bringen.
Der Publizist Eren Güvercin ist auf Twitter und Facebook dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen: Er schreibt über Israelfeindlichkeit unter muslimischen Jugendlichen und über antisemitische Verschwörungstheorien, die von deutschen Rechten verbreitet werden. Er kritisiert türkische Nationalisten für ihre Hetze gegen Minderheiten. Und immer wieder geht er islamische Verbände wie Ditib, Atib oder Milli Görüs dafür an, dass ihnen die Interessen Ankaras wichtiger seien als die ihrer deutschen Gläubigen.

Zusammenarbeit mit einer kritisierten Organisation

Es sind nicht die Themen, die man von einem Islamisten erwarten würde. Oder von einem türkischen Faschisten. Doch als beides ist Güvercin schon mehrfach von Kritikern angeblich "enttarnt" worden.
"Das sah dann meistens so aus, dass quasi mit Fotos und anderen Materialien dokumentiert wurde, dass ich zum Beispiel bei Verbänden wie Ditib vor Jugendgruppen Vorträge gehalten habe, oder bei anderen Verbänden", erzählt Güvercin. "Und so versuchte man, bei Veranstaltern das Bild zu suggerieren, dass ich einem Verband nahestehe, dass ich eine versteckte Agenda habe."
"Worüber ich dort vorgetragen habe, über welche Themen oder so, das war nicht im Fokus", sagt Güvercin, "sondern man versuchte, durch diese Konstruktionen eine Nähebeziehung zu einer muslimischen Organisation herzustellen, die in der Kritik steht, und damit natürlich auch mein Ansehen oder meine Seriosität infrage zu stellen bei den Veranstaltern – mit dem Ziel, dass diese Veranstalter mich nicht einladen."

Ein einseitiges Bild entsteht

Etwa, weil Güvercin in der Vergangenheit mit der Jugendabteilung der türkischen Atib zusammengearbeitet hat: Ein Verband, den der Verfassungsschutz der "rechtsextremistischen türkischnationalistischen 'Ülkücü'-Bewegung" zurechnet. Güvercin versteht durchaus, wenn jemand seine Arbeit für einen solchen Auftraggeber kritisiert:
"Das ist der normale öffentliche, kritische Diskurs, dem man sich auch stellen muss. Das finde ich per se nicht etwas Verwerfliches. Problematisch ist, wenn wirklich die Kontaktschuldtheorie dann auch dazu führt, dass nur gewisse Puzzleteile genommen werden und ein Bild von einer Person in der Öffentlichkeit gezeichnet wird, das sehr, sehr einseitig ist und eigentlich nur das bestätigen soll, was man von dieser Person eh schon vorher dachte."
Eren Güvercin steht vor einer mediterranen Landschaft mit Zypressen und einer Festungsanlage im Hintergrund.
"Man versuchte, durch diese Konstruktionen eine Nähebeziehung zu einer muslimischen Organisation herzustellen, die in der Kritik steht", sagt Eren Güvercin.© Privat
Für Güvercin sind die Vorwürfe gegen ihn bisher vor allem eins: lästig. Schon mehrfach musste er potenziellen Auftraggebern erklären, dass er kein Extremist ist. Ansonsten macht er einfach weiter seine Arbeit. Und offenbar mit Erfolg: MuslimDebate, ein innermuslimisches Dialogprojekt, das Güvercin inzwischen leitet, wird vom Innenministerium und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert.

Möglichst wenig Aufmerksamkeit erregen

Auch viele andere engagierte Muslime haben irgendwann mit Extremismusvorwürfen zu kämpfen. Doch anders als Güvercin trauen sich nur die wenigsten, öffentlich darüber zu sprechen. Auch bei dieser Recherche macht sich das bemerkbar: Immer wieder springen Interviewpartner ab, manchmal nach stundenlangen Gesprächen. Denn jede Art von Aufmerksamkeit, so die Befürchtung, könnte die Vorwürfe wieder hochkochen lassen.
Da ist etwa der Fall einer muslimischen Umweltinitiative, der 2017 eine Auszeichnung des Stromversorgers Entega aberkannt wurde – wegen angeblicher Verbindungen zu Islamisten. Die Initiative hatte mit einem Verein kooperiert, der vom hessischen Verfassungsschutz beobachtet wurde. Was die Umweltaktivisten nach eigener Aussage nicht wussten.
Oder der Fall eines Berliner Imams, der vom Senat für seine Dialogarbeit ausgezeichnet wurde: Er sprach sich wiederholt gegen Extremismus aus, lud Juden und Jüdinnen, Homosexuelle und Islamkritiker in seine Moschee. Aber er hatte auch zugelassen, dass in der Moschee Prediger auftraten, die als radikal gelten. Der Imam entschuldigte sich öffentlich dafür – doch der Ruf des verkappten Islamisten haftet bis heute an ihm.

Misstrauen oder Naivität– was ist gefährlicher?

Die Beispiele zeigen das Spannungsfeld, in dem solche Vorwürfe entstehen: Zwischen der berechtigten Sorge vor Islamismus und Nationalismus auf der einen Seite und der Gefahr, Muslime vorschnell zu Extremisten zu erklären, auf der anderen. Und so tobt ein Streit darüber, wovon die größere Gefahr ausgeht: Von einer Kultur des Misstrauens, die viele als rassistisch empfinden? Oder von allzu großer Naivität, die womöglich radikale Machenschaften übersieht?
Extremismusexperte Lorenzo Vidino, in weißem offenem Hemd und schwarzem Sakko spricht auf einer Pressekonferenz zur Präsentation der "Dokumentationsstelle Politischer Islam" am 15. Juli 2020 in Wien.
"Ein gesundes Maß an Skepsis ist berechtigt", sagt Lorenzo Vidino.© picture alliance / APA / Roland Schlager
Lorenzo Vidino, Programmdirektor für Extremismus an der George Washington University in den USA, gehört zu denen, die vor zu viel Gutgläubigkeit im Umgang mit möglichen Extremisten warnen: "Wir leben in einer sehr vielfältigen Welt. Aber ich glaube, ein gesundes Maß an Skepsis ist berechtigt."

Wölfe im Schafspelz

Vidino und viele andere Experten warnen deshalb vor Verbänden wie Milli Görüs oder Atib, mit denen auch Güvercin in der Vergangenheit zusammengearbeitet hat. Denn von diesen gehe zwar keine Terrorgefahr aus – langfristig stellten sie aber womöglich eine noch größere Gefahr für die Demokratie dar. Weil sie Muslime und Nicht-Muslime gegeneinander aufwiegelten und Werte predigten, die mit dem Grundgesetz unvereinbar seien: etwa in Bezug auf Frauenrechte, auf Religionsfreiheit oder auf Minderheiten.

Zwischen Vorverurteilung und Naivität – Die Gefahr an Islamismusvorwürfen
Immer wieder werden Muslime beschuldigt, Extremisten zu sein – manchmal nur aufgrund von Kontakten. Häufig treffen solche Anschuldigungen Personen oder Gruppen, die seit Jahren wichtige Dialogarbeit leisten. Herauszufinden, was an den Vorwürfen dran ist, ist alles andere als einfach.

Das Bild zeigt betende Muslime beim Freitagsgebet unter Leitung von Imam Mohamed Taha Sabri 
© IMAGO / Christian Schroth
Bei solchen Gruppierungen gehöre es zur Strategie, sich nach außen offen und dialogbereit zu geben, sagt Vidino. Nach innen werde oft eine andere Botschaft verbreitet:
"Eine muslimische Organisation hat morgens eine sehr nette Veranstaltung mit der LGBTQ-Community gemacht. Sie haben über Diskriminierung geredet und darüber, warum Homophobie und Islamophobie zwei Seiten derselben Medaille sind. Aber wenn man dann in ihre Moscheen geht, findet man unzählige Bücher von Salafisten-Predigern, die dafür eintreten, Schwule zu steinigen. Wie ist das miteinander zu vereinbaren?"
Es gibt sicherlich solche "Wölfe im Schafspelz", die ihre extremistischen Ansichten hinter einer liberalen Fassade verstecken. Aber was ist, wenn Menschen unbegründet in Islamismusverdacht geraten, weil sie mit einer dieser Organisationen zu tun hatten?

Vom Kontakt zur Weltanschauung

Der Ethnologe Werner Schiffauer, Professor Emeritus an der Europa-Universität Viadrina, beobachtet genau das. Besonders häufig, sagt er, treffe ein solcher Verdacht derzeit Gruppen und Personen, die Kontakt mit der islamistischen Muslimbruderschaft haben oder hatten. Er bezeichnet das Argumentationsmuster als "Kontaktschuld":
"Unter Kontaktschuld versteht man, wenn ausschließlich aufgrund von sozialen Kontakten auf eine weltanschauliche Nähe und weltanschauliche Deckungsgleichheit geschlossen wird. Wenn also eine Person Kontakte zu Gruppen hat, die der Muslimbruderschaft wieder zugeordnet werden, wird ausschließlich aufgrund der Kontakte daraus geschlossen, dass auch er das Weltbild der Muslimbruderschaft teilt."
Werner Schiffauer, Ethnologe und Migrationsforscher, steht bei einer Tour des Mediendienst Integration im Sharehaus Refugio. 
„Unter Kontaktschuld versteht man, wenn ausschließlich aufgrund von sozialen Kontakten auf eine weltanschauliche Nähe und weltanschauliche Deckungsgleichheit geschlossen wird", erklärt Werner Schiffauer.© dpa / Christoph Soeder
Den Begriff "Kontaktschuld" hat Schiffauer allerdings nicht erfunden. Er stammt schon aus der McCarthy-Ära, zu Zeiten des Kalten Krieges. Der republikanische Senator Joseph McCarthy ging nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA unerbittlich gegen Kommunisten vor – und gegen Linke und Sozialdemokraten, die er dafür hielt.

Von der eigenen Partei beschuldigt

Wie leicht man als Muslim zum Extremisten erklärt werden kann, hat auch der Hamburger Lokalpolitiker Shafi Sediqi erlebt. In seinem Fall reichten ein paar Facebook-Posts, die mehrere Jahre alt waren.
"Wir reden hier wirklich von Rufmord auf höchstem Niveau", sagt Sediqi. "Hier wurde eine junge Karriere versucht zu zerstören. Es wurde versucht, den Namen zu verbrennen im Endeffekt in der Presse."
Sediqi sitzt heute für die SPD in der Bezirksversammlung von Hamburg-Mitte. Bis vor zwei Jahren war er Mitglied bei den Grünen. Als die im Mai 2019 als stärkste Partei aus den Bezirkswahlen hervorgingen, hätte Sediqi, der Neuzugang, eigentlich für sie in die Bezirksversammlung einziehen sollen. Bis seine eigene Partei ihn beschuldigte, Extremisten zu unterstützen.
Konkret ging es vor allem um Beiträge von "Ansaar International", die Sediqi drei Jahre zuvor auf Facebook geteilt hatte. Der Verein sammelt Gelder für Hilfsprojekte, die meist in muslimischen Ländern umgesetzt werden. Schon damals wurde die Organisation in einigen Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet, mittlerweile ist sie verboten. Die Verantwortlichen sollen Gelder an Terrororganisationen weitergeleitet haben.

Spenden an die falsche Organisation

Sediqi räumt ein, dreimal etwa 15 Euro an Ansaar International gespendet zu haben, für zwei Waisenhäuser in Ghana und Nigeria und ein Krankenhaus in Aleppo. Dass die Organisation beobachtet wurde, sei ihm damals nicht bewusst gewesen. War er naiv? Seine Antwort:
"Das ist ein Fehler gewesen, natürlich. Man kann es auch ein bisschen blauäugig nennen – aber zu dem Zeitpunkt war ich auch kein Mensch, der fest im Leben stand. Wir reden hier von einem Studenten, der sich im fünften, sechsten Semester Bauingenieurwesen befindet und dann blauäugig, random eine Hilfsorganisation aussucht, wo er denkt, die Spende ist da gut angelegt."
Shafi Sediqi von der SPD Bezirksfraktion Hamburg-Mitte.
„Das ist ein Fehler gewesen, natürlich. Man kann es auch ein bisschen blauäugig nennen." Shafi Sediqi wechselte in Hamburg von den Grünen in die SPD.© Privat
Zwei Jahre sind seitdem vergangenen. Wirklich geklärt sind die Vorwürfe bis heute nicht. Der Landesvorstand hat sie nie mit konkreten Taten oder Aussagen von Sediqi belegt, sie aber auch nicht zurückgenommen. Sediqi hatte Glück: Fünf weitere Grünen-Abgeordnete, einer davon mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert, stellten sich hinter ihn. Empört über das – aus ihrer Sicht – rassistische Vorgehen des Landesvorstands gründeten sie erst eine zweite Grünen-Fraktion und wechselten schließlich mit Sediqi zur SPD. Nicht alle Beschuldigten erhalten so viel Unterstützung.

Vorwürfe können instrumentalisiert werden

In vielen Fällen, so Werner Schiffauer, dienten die Vorwürfe dazu, Menschen mundtot zu machen:
"Das große Problem ist, dass man fast machtlos gegenüber diesen Vorwürfen ist. Ich habe es erlebt, dass eine Gemeinde hier in Berlin sich gerichtlich gegen die Vorwürfe gewehrt hat, ihnen wurde recht gegeben, das bedeutet nicht, dass diese Vorwürfe verschwinden."
Nicht immer, das zeigt das Beispiel von Sediqi, muss hinter solchen Vorwürfen eine rechte Agenda stecken. Aber die Angst vor islamistischem Terror und das weitverbreitete Misstrauen gegen Muslime bewirken, dass sie fast immer auf fruchtbaren Boden fallen. Was wiederum bedeutet, dass solche Vorwürfe auch instrumentalisiert werden können. Sediqi erklärt:
"Meiner Meinung nach war dieser Fall keine Hasstat von einem Rassisten, sondern es wurde sich Rassismus als Werkzeug genommen, um eine Karriere zu zerstören und einen politischen Rivalen zu denunzieren."

Klage wegen Verleumdung

Seine Parteikollegin Meryem Cellikol bekräftigt diese Vermutung im Gespräch mit dem Deutschlandfunk Kultur: Die Vorwürfe habe ein enttäuschter Rivale aufgebracht, der – anders als Sediqi – bei der Listenplatzaufstellung für die Bezirkswahlen auf einem schlechten Platz landete und Sediqi dafür mitverantwortlich machte. Die Mail an Sediqi verfasste allerdings nicht er, sondern seine damalige Lebensgefährtin: die ehemalige grüne Landesvorsitzende Anna Gallina, zusammen mit ihrem Stellvertreter.
Hatte Gallina sich für einen Rachefeldzug einspannen lassen? Oder hatten die Grünen wirklich Angst, von Islamisten unterwandert zu werden? Man würde diese Fragen gerne den Verantwortlichen selbst stellen. Doch Anna Gallina will die Vorwürfe nicht mehr kommentieren. Auch ihr ehemaliger Lebensgefährte schreibt nur kurz per Mail: Er sei damals nicht beteiligt gewesen. Und, Zitat: "Anderslautende Behauptungen von Herrn S. sind falsch." Womöglich wird irgendwann ein Gericht feststellen, was an all dem dran ist. Denn Sediqi hat inzwischen Privatklage eingereicht: wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung.

In Verdacht geraten besonders liberale Muslime

Doch warum treffen solche Extremismusvorwürfe gerade Menschen wie Eren Güvercin oder Shafi Sediqi? Muslime, die all das verkörpern, was die Mehrheitsgesellschaft so oft von Migranten fordert? Die hervorragend gebildet sind, sich politisch engagieren, einen kritischen Blick auf die eigene Community werfen? Der Ethnologe Werner Schiffauer beobachtet dieses Muster immer wieder:
"Das Absurde ist ja, dass Kontaktschuld den Kontakt gerade mit den liberalen Kräften in den Gemeinden unterminiert und auch es darauf anlegt, den Kontakt mit liberalen Kräften zu zerstören. Gegenüber wahrhaft Radikalen braucht man keine Kontaktschuld, da liegt alles offen auf dem Tisch. Da braucht man keine Verdachtskultur, da hat man harte Basen."
Das Problem ist also ein strukturelles: Fast alle großen islamischen Verbände stehen inzwischen in dem Verdacht, verfassungsfeindliche Positionen zu vertreten: Mal wegen ihrer Nähe zum türkischen Staat, mal weil ihre Auslegung des Islams problematisch scheint. Doch wer als Muslim aktiv ist oder auch nur in die Moschee geht, hat fast zwangsläufig irgendwann mit ihnen zu tun. Ditib und Milli Görüs beispielsweise betreiben zusammen mehr als 1000 Moscheen in Deutschland.

Gefährdete Jugendliche erreichen

Wer jedoch die Verbände als Gesprächspartner von vorneherein ausschließt, läuft Gefahr, gerade junge Menschen gar nicht mehr zu erreichen, sagt der Publizist Eren Güvercin:
"Wenn ich eine Möglichkeit habe, auf die richtige Art und Weise zumindest einen Zugang zu diesen jungen Leuten zu finden, die hier geboren, hier aufgewachsen sind, dann versuche ich, diese Möglichkeiten auch zu nutzen. Denn ich kann über Nationalismus und Antisemitismus vielleicht im Feuilleton der FAZ schlaue Artikel schreiben, aber damit erreiche ich ja nicht eine Zielgruppe, die betroffen ist, die unter einem Einfluss stehen, wo solches, ideologisches Denken ihnen halt auch vermittelt wird."
Von pauschalen Kontaktverboten hält Güvercin deswegen wenig. Er wägt jedes Mal aufs Neue ab:
"Wenn ich eine Einladung bekomme, vielleicht von einem Akteur, der problematische ideologische Bezüge hat, stelle ich mir immer die Frage: Werde ich instrumentalisiert von dieser Organisation, um sich in einem besseren Licht darzustellen? Oder habe ich die Möglichkeit, auch in diese Milieus hineinzuwirken, dort Impulse zu geben mit meinen kritischen Anmerkungen oder den Inhalten, für die ich stehe?"

Manche reagieren mit Rückzug

Nicht jeder hat die Kraft, sich immer wieder gegen Extremismusvorwürfe zu verteidigen. Viele Muslime, die das einmal erlebt haben, ziehen sich deshalb irgendwann aus der Öffentlichkeit zurück. Sie löschen ihre Social-Media-Profile und treten von öffentlichen Ämtern zurück. Vereine und Moscheegemeinden geben wichtige Dialogprojekte auf oder verzichten darauf, Finanzierungsanträge zu stellen. Was in der Summe nur dazu führt, dass gerade die progressiven Kräfte, die Brückenbauer fehlen.
In einem Punkt sind sich Eren Güvercin und Shafi Sediqi deshalb einig: Rückzug ist keine Option. Güvercin will zeigen, dass er sich von Verleumdungen nicht einschüchtern lässt. Und Sediqi sagt:
"Teilhabe ist was Wichtiges. Man muss sich integrieren. Also, die ganzen politischen Gremien repräsentieren nicht die Gesellschaft. Dadurch entstehen diese Parallelgesellschaften, man fühlt sich nicht mehr mitgenommen, und das ist für mich auch eine Motivation, mich politisch weiter zu engagieren – obwohl ich mich Stress aussetzen musste und lange keine guten Zeiten hatte. Aber jetzt geht's bergauf, und dabei bleibe ich."
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