Kontroverse um UNESCO-Weltkulturerbe-Antrag

Der Naumburger Dom in der "Herrschaftslandschaft"

Blick auf den Dom St. Peter und Paul in Naumburg (Sachsen-Anhalt). Der Dom ist das Wahrzeichen der Region und stammt zum größten Teil aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Er gehört zu den bedeutendsten Bauwerken der Spätromanik in Sachsen-Anhalt.
Blick auf den Dom St. Peter und Paul in Naumburg (Sachsen-Anhalt). Der Dom ist das Wahrzeichen der Region und stammt zum größten Teil aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. © picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt
Von Christoph Richter |
Schafft es der der Naumburger Dom in Sachsen-Anhalt auf die Weltkulturerbeliste? Ab kommender Woche entscheidet die UNESCO über die Neuzugänge. Die Bewerber sprechen von einer "hochmittelalterlichen Herrschaftslandschaft an Saale und Unstrut". Für die Gutachter ist das der größte Kritikpunkt.
Der prächtige Naumburger Dom mit seinen vier steil aufragenden Türmen ist nicht nur wegen seiner Architektur, sondern insbesondere für seine Sandsteinfiguren berühmt. Geschaffen wurden sie von einem namenlosen Künstler, der bis heute als "Naumburger Meister" gefeiert wird. Der Dom ist das Wahrzeichen einer Kulturlandschaft an Saale und Unstrut im Süden Sachsen-Anhalts. Nirgendwo sonst auf der Welt – so heißt es im Antrag – gebe es so viele erhaltene Burgen und Klöster, die das Bild einer einzigartigen frühmittelalterlichen Herrschaftslandschaft so authentisch abbilden.
Klingt erst mal gut. Das Problem ist jedoch, dass die Berater der UNESCO, der Internationale Rat für Denkmalpflege – kurz ICOMOS – das völlig anders sehen. Sie halten das Projekt für schlecht begründet und sehen im Gebiet der Saale Unstrut keine universell einzigartige frühmittelalterliche Kulturlandschaft. Und man rät ab, von einer Aufnahme in die Welterbe-Liste. Ein Paukenschlag, der insbesondere für die Antragsteller völlig überraschend kam. Größter Kritikpunkt: Der Begriff Herrschaftslandschaft.
"Herrschaftslandschaft ist in der Tat ein Begriff, der in der Forschung bislang nicht etabliert ist. Aber das gibt es bei vielen Begrifflichkeiten, die neu gesetzt werden, insofern ist das kein Ausschlusskriterium. Sondern es ist der Versuch, Dinge zu kategorisieren, um sie besser verständlich zu machen."
Polemischer Gutachter-Ton
So der Magdeburger Mittelalter-Experte Stephan Freund. Ihn irritiere, sagt er, der teilweise polemische Ton des ICOMOS-Gutachtens. So ist in dem Gutachten von "zu moderner Infrastruktur", "verödeten Dörfern" oder "nur vier Burgen" die Rede.
Weiterer Kritikpunkt sind die bedrohten Sichtachsen. Beispielsweise soll in naher Zukunft eine große Brücke übers Saale-Tal gebaut werden. Auch die ICE-Strecke wird moniert. Argumente, die Domkustos Holger Kunde nicht gelten lässt:
"Das ist nichts Außergewöhnliches. Wir haben uns ja auch nicht beworben für eine Kulturlandschaft, die abgeschlossen wäre, sondern für eine Kulturlandschaft, die sich auch weiter entwickelt. Diese Regel gibt es ja im Welterbe-Reglement. Und das ist ein klassischer Fehler von ICOMOS, uns das vorzuwerfen."
Einer von rund 80 fachlichen Fehlern der Gutachterin – der spanischen Landschaftsarchitektin Ana Luengo Anon – unterstreicht mit einem süffisanten Grinsen Kunstgeschichtler Holger Kunde. Weshalb man jetzt der UNESCO eine Erwiderung geschickt habe, indem alle vermeintlichen Fehler der ICOMOS, des Internationalen Rates für Denkmalpflege, akribisch aufgelistet wurden.
Trotz der Abfuhr will man in Naumburg an der Bewerbung festhalten. Auch wenn die Chancen derzeit nur noch bei 5 bis 10 Prozent liegen, Ende nächster Woche den UNESCO Weltkulturerbetitel überreicht zu bekommen.
"Die Empfehlung ist verheerend ... "
... sagt Roland Thrän. Er ist der Geschäftsführer des Fördervereins "Welterbe an Saale und Unstrut". Und ergänzt fast etwas trotzig.
"Wir sind nicht chancenlos."
Thrän vermutet, dass die UNESCO derzeit einen Paradigmen-Wechsel vollzieht. Indem man künftig mehr immaterielle Erbe-Titel, sowie Welterbe-Titel außerhalb Europas vergeben wolle, weshalb die Region um Naumburg wohl hinten runterfalle.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Auf breite Kritik ist die Arbeitsweise der spanischen Gutachterin Ana Luengo Anon gestoßen.
"Naja, ich war schon ziemlich enttäuscht, als ich gehört habe, dass die Gutachterin noch nicht mal im Naumburger Dom war und gesagt hat, das brauch sie nicht. Also da muss man noch mal genauer hinschauen."
... sagt Sachsen-Anhalts SPD-Kultusminister Stephan Dorgerloh. Man müsse auch darüber reden, so Dorgerloh weiter, ob man künftig – der Ausgewogenheit und fachlichen Unabhängigkeit wegen – nicht auch einen zweiten Gutachter benötige, um künftig eine qualitativ deutlich bessere Beurteilung der Welterbe- Anträge zu ermöglichen.
"Wir werden das in der Sitzung in Bonn auf jeden Fall diskutieren."
Etwa 600.000 Euro hat die Antragsstellung gekostet, etwas weniger als die Hälfte kam vom Land Sachsen-Anhalt. Dort hofft man bis zum letzten Moment, sagt Dom-Kustos Holger Kunde. Damit man sich nicht blamiert und damit es noch was wird, mit dem Welterbe-Titel Naumburg Saale Unstrut:
"Betrachten wir das mal wie ein Formel-1-Rennen. Wir haben keine Pole-Position in der Start-Position, aber wir sind vielleicht doch noch mit einigen guten Chancen versehen."
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