Kontroverser Rohstoff

Fluch und Segen des Palmöls

Zwei Arbeiter ernten die Früchte der Ölpalme auf einer Plantage in Malaysia.
Zwei Arbeiter ernten die Früchte der Ölpalme auf einer Plantage in Malaysia. © picture alliance / dpa / epa Barbara Walton
Von Udo Pollmer |
Egal ob Hautcreme, Brotaufstrich oder Biodiesel überall kann Palmöl enthalten sein. Der Boom sorgt in Ländern wie Malaysia für weniger Armut, auf der anderen Seite werden dafür Sümpfe trockengelegt und Wälder gerodet. Udo Pollmer hat Lösungsvorschläge für das Dilemma.
Auch im neuen Jahr werden uns Kampagnen auf den spendengesäumten Pfaden der ökologischen Tugend begleiten. Der letzte Paukenschlag hallte zum Jahreswechsel durchs Handelsblatt: "Sterben für Palmöl: Abgeknallt, niedergestochen, verbrannt". Gruselig, was da in Südostasien so alles passiert. Seit Jahren steht die durch trockengelegte Sümpfe und gerodete Wälder geschändete Natur am Pranger von Aktivisten. Bedrohte Affen und Raubkatzen bieten eine ideale Basis für emotionsgeladene Aufrufe.
Jedes zweite Konsumprodukt, so heißt es, egal ob Hautcreme, Brotaufstrich oder Biodiesel, kann Palmöl enthalten. Noch im Advent weckte der WWF das schlechte Gewissen und versuchte die Festtagsfreude zu verderben: Weil Kerzen Palmöl enthalten könnten, wurde der Eindruck erweckt, Orang-Utans und Tiger würden in der Flamme gleich mitverbrennen.
Es stimmt ja: Immer dann, wenn Flächen urbar gemacht werden, verlieren die dort heimischen Tierarten und Pflanzen ihren Lebensraum. Dies spielt sich seit Jahrtausenden auf allen Flächen dieser Welt ab, die unter den Pflug genommen wurden. Die Natur kennt keine Äcker, auch keine Bio-Äcker. Die Landstriche, die als Kornkammern gelten, die weiten Plantagen, die kleinen Gärten sind ausnahmslos das Werk des Menschen, um seinesgleichen zu nähren. Sie sind der Natur abgerungen.

Streit über Umwelt- und Sozialstandards

Wenn wir schon nicht auf den Kauf von Produkten mit Palmöl verzichten können, dann, so der populäre Rat, bitte nur Ware mit Umweltsiegel kaufen. Doch der Ratschlag sorgt vor allem dafür, dass das Geld in den Taschen derer landet, die diese Siegel gegen Geld anbieten. Inzwischen fordert sogar das EU-Parlament, nur noch Ware von Erzeugern zu importieren, die die von der EU gewünschten Umwelt- und Sozialstandards erfüllen. Das sorgte in Südostasien für Empörung, weil dies aus dortiger Sicht nicht etwa Wohlstand, Gerechtigkeit und Umweltschutz bedeutet, sondern die Kleinbauern wieder in die Armut treibe, was auch der Umwelt abträglich sei.
Der Palmölboom hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Armutsrate in Malaysia von 50 auf fünf Prozent gesunken ist. Doch die Anforderungen der EU an die Erzeuger können nur Konzerne mit einer spezialisierten Verwaltung erfüllen, die 650.000 malaysischen Kleinbauern haben keine Chance. In Indonesien gibt es sogar über 17 Millionen derartiger Kleinstbetriebe. Die beiden Länder liefern 85 Prozent der Weltproduktion, etwa 40 Prozent kommen von Kleinbauern. Die Arbeitsbedingungen werden nicht besser, wenn den Kindern verboten wird, bei der Ernte mitzuhelfen – abgesehen davon ist dies bei den Bergbauern im Alpenraum normal. Touristen freuen sich über das naturverbundene unverfälschte Leben der Familien.
Die EU will zudem die Verwendung von Palmöl für Biodiesel verbieten. Ein Schildbürgerstreich der Extraklasse. Dann werden eben andere Speiseöle verdieselt! Es ist ein Nullsummenspiel. Die Bedeutung grüner Energie für die Energieversorgung ist gering, aber die Auswirkungen auf die Versorgung mit Nahrung und die Weltmarktpreise jedoch massiv. Derzeit liefert ein Hektar Ölpalmen sechsmal so viel Öl wie ein Hektar Raps. Für die gleiche Menge Sojaöl müsste man sogar die zehnfache Fläche roden. Wir sehen: Man könnte Palmöl genauso gut auch als idealen nachwachsenden Rohstoff hypen, der die Wälder des Amazonas rettet.

Was tun?

Es gibt zwei Wege die verbliebenen malaysischen Sümpfe zu bewahren: Erstens den ökologischen Wahnsinn mit der "Energie vom Acker" generell einzustellen. Und zweitens eine Verbesserung des Ölpalmenanbaus. So dauert es beispielsweise drei bis vier Jahre nachdem eine Palme gepflanzt wurde, bis man weiß, ob sie die nächsten Jahrzehnte auch Öl liefern wird. Durch eine genetische Analyse ließe sich frühzeitig herausfinden, ob das Exemplar ersetzt werden muss.
Inzwischen wurde der Anbau so weit optimiert, dass ein Hektar mit modernen Produktionsmethoden statt wie bisher vier Tonnen Öl deren 18 liefern könnte. Das würde die Versorgung mit Nahrung verbessern, Wohlstand in den Erzeugerländern schaffen und nebenbei auch die Umwelt schützen. Mahlzeit!
Literatur
WWF: Tropenwald am Weihnachtsbaum. Pressemeldung vom 15. Dez. 2017
Wälterlin U: Sterben für Palmöl: Abgeknallt, niedergestochen, verbrannt. Handelsblatt Online vom 30. Dez. 2017
Yan W: A makeover fort he world’s most hated crop. Nature 2017; 543: 306-308
Planet Wissen: Palmöl - Allzweckwaffe ohne Alternativen? Video der Sendung vom 22. Nov. 2017
Ten M: Concern over EU’s resolution on palm oil. Borneo Post 23. Nov. 2017
Datuk Seri Mah Siew Keong: Das flüssige Gold. Handelsblatt Online 27. Dez. 2017
Pimentel D et al: Will limited land, water, and energy control human population numbers in the future? Human Ecology 2010; 38: 599-611
Bringezu S: Warum wir von Biosprit und Biodiesel die Finger lassen sollten. Wirtschaftswoche online 10. Nov. 2014
Pollmer U: Biodiesel: der Alptraum von der grünen Energie. Deutschlandfunk Kultur, Mahlzeit 10. Juni 2016 http://www.deutschlandfunkkultur.de/biodiesel-der-alptraum-von-der-gruenen-energie.993.de.html?dram:article_id=356783
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