Konversion
Schauspielerin Elizabeth Taylor ist für ihre Ehe mit dem Sänger Eddie Fischer 1959 zum Judentum konvertiert. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Anonymous
Wie wechselt man seine Religion?
Manchmal ändert man seine Meinung, manchmal seine Überzeugung: Doch was bringt Menschen dazu, ihre Religion zu ändern? Viele Lebensläufe von Konvertiten ähneln sich, aber nicht jede Religion lädt zum Wechsel ein.
Was bedeutet Konversion überhaupt?
Ganz generell: Umkehr. Abgeleitet vom lateinischen conversio. Das Wort taucht in ganz verschiedenen Zusammenhängen auf: In der Stadtplanung ist Konversion die Umnutzung von Gebäuden. Es gibt die inzwischen verbotene Konversionstherapie, mit der homosexuelle Menschen zu Heterosexualität gezwungen werden sollen. Im religiösen Bereich versteht man Konversion meist als Wechsel von einer Religion zu anderen.
Ist jede Konversion anders oder gibt es bestimmte Muster?
Wenn Menschen, die konvertiert sind, hinterher davon erzählen, ähneln sich ihre Erzählungen oft: Vorher, da war die Welt dunkel, der eigene Weg unsicher – dann kam die Erkenntnis einer neuen, besseren leitenden Orientierung – oft wird das als eine blitzartige Vision Gottes beschrieben. Daraus folgt die radikale Umorientierung, und danach wird im Leben alles besser.
Schaut man sich die einzelnen Biografien an, ist das natürlich vielschichtiger. Die Konversion muss auch nicht plötzlich geschehen: Immer wieder erzählen Menschen, dass sie so lange in einer auch religiös anderen Kultur gelebt haben, bis die ihnen viel plausibler wurde als die bisherigen Prägungen.
Das Einzige, was vielleicht immer am Anfang steht, ist ein Gefühl der Krise. Man ist unzufrieden mit dem bisherigen Leben, vermisst etwas, wird offen für Neues. Die einen für eine neue Liebe, die anderen für eine neue Religion – so sagt es die Kultursoziologin Monika Wohlrab-Sahr, die viel zu Konversion geforscht hat.
Wer ist ein bekanntes Beispiel für einen Konvertiten?
Das vielleicht bekannteste, sogar sprichwörtlich gewordene Beispiel kommt aus dem Neuen Testament der Bibel: Da wurde Saulus zu Paulus. So erzählt es jedenfalls die Apostelgeschichte (Kapitel 9): Ein gewisser Saulus war auf seinem Pferd unterwegs nach Damaskus, als er plötzlich eine himmlische Erscheinung hatte.
Er sah ein Licht, fiel vom Pferd und hörte eine Stimme, die er als die von Jesus Christus erkannte. Saulus war ein paar Tage blind, erkannte im Gespräch mit einem Christen, was ihm geschehen war, und wurde fortan als Paulus erster und eifrigster Missionar der gerade entstehenden Kirche.
Aber die Apostelgeschichte wurde erst hundert Jahre nach diesen Ereignissen verschriftlicht. In den Briefen, die Paulus geschrieben hat und die den ältesten Teil des Neuen Testaments bilden, klingt das viel unspektakulärer. Kein Licht, kein Sturz vom Pferd, nur eine allmähliche Erkenntnis. Paulus blieb auch Zeit seines Lebens Jude, nur eben einer, für den auch Jesus wichtig war, und nicht einmal der Namenswechsel war so dramatisch: Er benutzte nämlich schon immer beide Namen, Saulus und Paulus, je nachdem, ob er in seiner jüdischen Nachbarschaft unterwegs war oder offiziell griechisch.
Also auch hier: Das eine ist das persönliche Erleben, das andere ist die Deutung hinterher.
Laden alle Religionen zur Konversion ein?
Nein. Nur die, die ausdrücklich Mission betreiben, wie das Christentum, oder die, die Da’wa als ausdrückliche Einladung zum Glauben kennen, wie der Islam. Der Buddhismus verbreitete sich zwar über seine Entstehungsgebiete hinaus, kennt aber keine systematische Mission.
Auch das Judentum kennt keine Mission. Trotzdem wechseln natürlich bis heute Menschen ins Judentum, meistens, weil sie einen jüdischen Menschen heiraten. Wegen zwei Gruppen wird aber gerade in den deutschen jüdischen Gemeinden über Konversion und die Rolle von Konvertierten diskutiert.
Einmal sind mit den sogenannten Kontingentflüchtlingen aus der ehemaligen Sowjetunion viele Menschen nach Deutschland gekommen, die nur einen jüdischen Vater hatten. In der Sowjetunion galt man damit als jüdisch, nach dem jüdischen Religionsrecht weltweit aber nicht. Ob deshalb noch einmal eine formale Konversion nötig ist, wird je nach religiöser Ausrichtung der Gemeinde unterschiedlich beurteilt. Zum anderen gibt es eine kleine Gruppe von Menschen, die aus eigenem Antrieb zum Judentum gehören wollen, auch wenn das ein anspruchsvoller Prozess ist.
Vor allem die Frage danach, wie schnell diese Konvertierten in Gemeindeämtern Verantwortung übernehmen dürfen, sorgt immer wieder für Streit. Zum Beispiel in Berlin, wo die Kantorin Avitall Gerstetter nach einem kritischen Artikel gegen Konvertierte in der Zeitung „Die Welt“ entlassen wurde. Sie klagt dagegen.
Welche Probleme gibt es beim Konvertieren?
Das hängt sehr von den jeweiligen Gemeinden ab. Wenn eine Gemeinschaft aktiv missioniert und ihren Glauben stark nach außen lebt, ist sie in der Regel auf neu dazukommende Menschen ausgerichtet. In eher traditionellen Gemeinden, in denen der Glaube mehr kulturelle Tradition als brennende Herzenssache ist, können Konvertierte schon mal auf Skepsis stoßen, denn die sind zumindest am Anfang viel eifriger dabei.
Konvertierte werden oft zu Aktivisten ihres neuen Glaubens – der sprichwörtliche, von den Alteingesessenen oft misstrauisch beäugte Eifer der Frischbekehrten. Und konvertierte Menschen betonen vor allem die Glaubensaspekte, weil sie die kulturellen Traditionen erst erfahren müssen.
Wie geht es Menschen, die konvertiert sind?
Im Idealfall: gut. Wer eine Krise hatte, dann eine neue religiöse Orientierung gefunden hat, erlebt das oft als Lösung und neues sinnstiftendes Element und lebt danach zufriedener. Wenn die Krise andere Ursachen, vielleicht psychische, hatte, dann ist eine Konversion vielleicht nur eine vorübergehende Lösung – bis sich das Leben wieder krisenhaft anfühlt und eine neue Sinnsuche beginnt.
Quellen: Kirsten Dietrich, Jens Rosbach, Julia Ley, Monika Wohlrab-Sahr