Konvertit

Ein Ire wird jüdisch

Ein Buch mit hebräischen Schriftzeichen in einer Talmud-Hochschule
In wöchentlichen Kursen lernt Robin Linstrom, was es heißt, Jude zu sein. © Tobias Felber / dpa
Von Robert Fishman |
Der Belfaster Robin Linstrom hat sich als Christ nicht mehr wohl gefühlt und ist zum Judentum konvertiert - auch, um eine alte Familientradition wieder herzustellen. Davon konnten ihn auch antisemitische Anwürfe nicht abschrecken.
Rabbiner David Singer referiert im jüdischen Gemeindezentrum in Belfast über die Symbolik des jüdischen Kalenders. Der 43-jährige Robin Linstrom hört besonders aufmerksam zu. Er möchte Jude werden:
"Meine Familie ist im 19. Jahrhundert aus dem russischen Finnland geflohen und hat ihren Namen hier geändert. Das habe ich erst vor wenigen Jahren herausgefunden. Mein Ur-Urgroßvater war Jude. Wegen der Verfolgung in Russland hat er seinen Namen geändert. Dann hat er eine Belfasterin geheiratet und die jüdische Tradition ist in der Familie verloren gegangen."
Aufgewachsen ist Linstrom in einer protestantischen Belfaster Siedlung: konservativ, britisch, königstreu. Wie sein Bruder hat er in der britischen Armee gedient.
"In der Kirche habe ich viel über das Alte Testament gelernt. Nachdem, was wir hier alles durchgemacht haben - mit den Unruhen und dem Terrorismus - liegt es mir nahe, für Israel einzutreten. Jetzt gehe ich den nächsten Schritt und werde einer dieses Volkes. Es geht nicht darum, heute christlich und morgen etwas anderes zu sein, sondern vom Aufstehen bis zum Schlafengehen so zu leben, wie Gott es von uns wünscht. Und das ist für mich das Judentum."
"Bei Gott geht es um Liebe und Frieden"
Linstrom hat sich aus dem nordirischen Krieg zwischen pro-britischen Protestanten und Katholiken herausgehalten.
"Ich mag keine der paramilitärischen Organisationen. Die Milizionäre gehen doch gar nicht in die Kirche und glauben nicht an Gott. Sie morden, rauben und schüchternen Menschen ein. Bei Gott geht es um Liebe für einander und um Frieden. Die Milizionäre verbreiten Angst, um die Menschen unter ihre Kontrolle zu bringen. Viele hier in Nordirland denken, dass ein Protestant automatisch auch ein Loyalist ist, aber das stimmt nicht. Ich mag diese ganzen Schubladen nicht."
Beliebt hat er sich mit dieser Einstellung bei seinen Nachbarn nicht gemacht. Er wird bedroht und angegriffen.
"Manche haben mir Hakenkreuze an die Hauswand auf meine Fenster, auf meine Türe gesprüht: Tötet alle Juden, Juden raus. Seit den Karfreitagsabkommen ist das sogar noch mehr geworden. Ich hatte Angst vor allem um meine Tochter, schlaflose Nächte. Die Loyalisten hängen israelische Fahnen an ihre Häuser, aber sie mögen keine Juden und arbeiten mit rechtsextremistische Gruppen aus England zusammen."
Der untersetzte, kräftige Mann spricht leise, langsam und bedächtig, als wäge er jedes Wort sorgfältig ab.
Vergessen, was es bedeutet, Jude zu sein
"Ich lerne Hebräisch. Jeden Dienstag besuche ich die Bibelkurse. Das Wissen, das wir hier bekommen, ist enorm. Der Rabbiner in Belfast lehrt uns, was es heißt, Jude zu sein. Belfast ist sehr abgelegen. Da haben viele Menschen vergessen, was es bedeutet, Jude zu sein. Vor allem die Religion ist vielen verloren gegangen, weil es dafür hier wenig Bezugspunkte gibt. Der Rabbiner macht hier in der Gemeinde eine Menge, spirituell, religiös. Er bringt sehr viel positive Energie. Es sind auch einige neue Leute im letzten Jahr dazugekommen, auch junge Leute. Das ist ein großartiges Gefühl."
Der Lärm des Nahost-Konflikts dringt nur leise an die Mauern und Fenster des 1964 erbauten Gemeindezentrums. Größere Angriffe auf das jüdische Gemeindehaus gab es bisher nicht. Ein einziges Mal habe jemand ein Fenster eingeworfen, erzählt der Rabbiner. Dennoch bleibt er zuversichtlich.
"Im Moment ist die Bedrohung gering. Ich bin im ständigen Kontakt mit der nordirischen Polizei. Wir haben Überwachungskameras. Und die Polizei fährt hier in der Gegend häufig Streife. Im Moment reicht uns das."
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