Konzept Kleinserie

Von Katrin Albinus |
Immer häufiger wird über die Schallplatte, oft schon totgesagt, und ihr Comeback berichtet. Tatsächlich war sie nie verschwunden, und seit ein paar Jahren wächst der Schallplattenmarkt wieder stetig an. Die Entwicklung ist vor allem für Presswerke wie die Ameise in Hamburg-Blankenese erfreulich.
Martin Sukale: "Also, das wäre jetzt zum Beispiel für den Record Store Day. Mal eben gucken, dass es die richtige Geschwindigkeit hat."

Martin Sukale legt eine Single, die erst vor ein paar Tagen bei Ameise gepresst wurde, auf den Plattenteller. Der Inhaber der Firma ist Mitte 30, ein Meter 65 groß, hat dunkle struppige kurze Haare, trägt locker sitzende Jeans und Turnschuhe.

Pünktlich zum Record Store Day werden seit ein paar Jahren Sondereditionen gepresst. Damit soll der Einzelhandel gestärkt werden, erklärt Sukale kurze Zeit später im Firmen-Büro.

Sukale: "Denen ging‘s natürlich ‘ne Zeit lang an Kragen durch den ganzen Onlinehandel."

Neben dem Schreibtisch stehen Maschinen, Werkbänke, Kisten und jede Menge Werkzeug. Nebenan im Produktionsraum erreicht die Pressmaschine langsam Betriebstemperatur.

Frank Opitz: "Das Vinyl ist gleich soweit. Dann drück ich noch einmal Dampf, und dann geht‘s los. Das läuft automatisch alles. Man muss halt nur schauen, dass der Rand ordentlich abgeschnitten wird und dass man die Temperaturen immer ordentlich einstellt, dass sie immer schön flach werden die Platten und nicht wellig."

Frank Opitz bereitet die Pressung einer Single vor, die nach Italien geht. Ameise produziert derzeit nur die kleinen Sieben-Zoll-Scheiben. Damit ist die Firma das ganze Jahr über gut ausgelastet - 50 Cent kostet eine Single, die Aufträge kommen aus aller Welt.

Sukale: "Was uns zudem auszeichnet ist, dass wir nie gesagt haben, dass es so 'ne Mindest-Bestellmenge gibt. Früher war das so: wenn du nicht 500 Platten bestellt hast oder 1.000, dann konntest du das gar nicht machen. Das hat sich jetzt alles so ‘n bisschen geändert."

Durchschnittlich bestellen Ameise-Kunden 300 Singles, aber man bekommt hier auf Wunsch auch 100 oder 10, oder sogar nur eine Platte.

Mittlerweile läuft die Maschine. Frank Opitz sammelt die fertig gepressten Scheiben ab - während Martin Sukale erklärt, wie die Pressmaschine funktioniert.

Sukale: "Hier hinten haben wir dann so einen Tank für das Material, also das PVC, so kleine Körnchen, die werden eingeschmolzen in so ‘ne Art Fleischwolf, das nennen wir Extruder, der heizt also das Material auf und quirlt es gleichzeitig durch mit so ‘ner Extruderschnecke und füllt dann eine kleine Form auf, die Vorform, wo dann so ‘n Eishockey-Puck großer Kuchen entsteht."

Der wachsweiche Kuchen wird im nächsten Schritt zwischen die Pressplatten geschoben und dort mit einem Druck von 40 Tonnen - nach dem Prinzip Waffeleisen - zur Schallplatte gepresst.

Sukale: "Gleichzeitig werden die Pressplatten mit Wasserdampf auf 180 Grad ungefähr aufgeheizt und bei diesem Druck und den Temperaturen fließt dieses PVC eben schön in diese feine Struktur, in diese Rillen rein und damit das dann stabil bleibt, wird dann auch unter Druck die Pressplatte und die Platte abgekühlt mit Wasser, ungefähr auf 30 Grad. Dann ist das Zeug wieder stabil ..."

... die Scheibe kommt noch auf den Randabschneider, danach steckt Opitz die fertige Single in eine Hülle und legt sie zum Auskühlen über Nacht zwischen zwei Aluplatten. Tags darauf wird der Auftrag fertig verpackt und verschickt.

Die fast 50 Jahre alte Maschine ist für die Mengen, die sie noch heute produziert, eigentlich nicht gebaut - hält sich aber wacker. Reparaturen gehören allerdings zum Alltag.

Sukale: "Also, das aggressive Dampfgemisch da, das sorgt eben dafür, dass hier alles wegrostet, bzw. früher oder später undicht wird."

Vermutlich kleinstes Presswerk der Welt
Ventile, Schläuche und Armaturen müssen ständig ausgewechselt werden, ebenso wie Verschleißteile. Ersatzteile gibt es so gut wie gar nicht. Weil die alten Maschinen schon lange vom Markt verschwunden sind.

Sukale: "Man hofft halt, dass man so durch den Presstag kommt, ohne dass irgendwas explodiert oder irgendwas Wichtiges durchbricht, oder undicht wird. Aber die Hoffnung wird oft enttäuscht."

Martin Sukale, der Elektrotechnik und Informatik studiert hat, arbeitet mit am Nachbau der Ersatzteile. Das muss er wohl auch, denn die kleine Firma hat große Pläne.

Der Inhaber des wohl kleinsten Presswerkes der Welt steht in einem idyllischen Hinterhof in Blankenese. Spätestens zum Jahresende wird das Ameise-Werk hier wegziehen, in eine Halle in den Hamburger Stadtteil Hammerbrook, erzählt Sukale.

Dort ist Platz für acht weitere Maschinen, die das Team über die Jahre aus aller Welt zusammen kaufen konnte. Damit ist das Unternehmen gut aufgestellt für den wachsenden Markt.

Sukale: "Man hätte es eigentlich nicht für möglich gehalten, dass bei Saturn dann irgendwann wieder ne Schallplattenabteilung eingerichtet wird und die dann aber auch mal eben super viele Sparten abdeckt, das ist nicht irgendwie so eine Kiste in der Ecke, sondern das ist wirklich ernst zu nehmen."

Martin Sukale will sich aber weiter auf den Markt für unkommerzielle Produktionen konzentrieren. Und gleichzeitig die alte Technik in die Jetzt-Zeit retten. Als überzeugter Schallplatten-Fan hat er dafür natürlich gute Argumente.

Sukale: "Unserer Meinung nach ist dieses analoge Medium Schallplatte so weit ausgereift, und so gut eigentlich an das menschliche Gehör angepasst, dass man da eigentlich den besten Klang und auch das langlebigste Konservierungsmittel eigentlich hat. Und zudem lässt es sich auch noch viel besser gestalten, als zum Beispiel ein MP3-File, was ja nun mal kein Cover hat."
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