"Es ist immer das Allergrößte, ganz nah dran zu sein"
35:16 Minuten
Folkert Uhde designt Konzerte, bevorzugt klassische. Zur Musik gesellt er Szenisches, Videos, Tanz, Gerüche: Musik als Erlebnis für alle Sinne. Die Corona-Krise hat ihn, wie viele Kulturschaffende, schwer gebeutelt. Und auf neue Ideen gebracht.
Er liebt die Musik, schließlich ist er studierter Violinist. Und er möchte das Musikerlebnis für Konzertbesucher vertiefen. Darum darf man in Konzerten, die Folkert Uhde gestaltet hat, oft herumlaufen, bekommt auch etwas zu sehen und vor allem: Die Zuhörenden sollen der Musik und den Musikern nahekommen.
"Es ist immer das Allergrößte, ganz nah dran zu sein" an den Musizierenden, sagt Folkert Uhde. So sei die Musik, die ihn besonders fasziniert – die Barockmusik – ja ursprünglich aufgeführt worden: im kleinen Kreis. Der Konzertsaal wie wir ihn kennen mit dem Orchester auf der Bühne und dem Publikum gegenüber aufgereiht, das sei eine Erfindung des 19. Jahrhunderts.
Bach und arabische Musik
Wenn Folkert Uhde ein Konzert designt – mit Tanzeinlagen, mit Videoeinspielungen, auch mal mit der Konfrontation von J. S. Bach und arabischer Musik – dann will er "Assoziationsräume öffnen". Sein Ziel: "Den gigantischen Kosmos aufzuzeigen, den Musik auch noch beinhaltet". Und außerdem soll der Konzertbesuch einfach Spaß machen.
Besonders gut gelungen sei das bei den Köthener Bachfesttagen 2020 und das dank Corona. Denn wegen der Pandemie musste Uhde, der Intendant dieses Festivals ist, das ursprüngliche Konzept über den Haufen werfen. Heraus kamen viele kleine, ziemlich kurze Konzerte im intimen Rahmen – die wenigen zugelassenen Zuhörenden im Stuhlkreis um das Orchester gruppiert. Genau die Nähe, die Uhde anstrebt.
"Können wir das jetzt nicht immer so machen?"
Und diese Notlösung war ein Erfolg: "Können wir das jetzt nicht immer so machen?", fragten viele Besucher. Und auch die Musikerinnen fanden die intensivere Konzentration durch den kleineren Rahmen "unfassbar toll", so Folkert Ude. Diese Erfahrungen sollen in die Köthener Bachfesttage 2022 einfließen.
Doch Corona hat das Kulturleben natürlich vor allem enorm belastet. Das hat der Kulturmanager Folkert Uhde beim Berliner Kultur- und Veranstaltungszentrum Radialsystem miterlebt, das er vor 15 Jahren als Anlaufstelle für die Freie Szene der Hauptstadt mitgegründet hatte.
Lehren aus dem Corona-Schock
Und das gibt ihm zu denken: Der Corona-Schock habe gezeigt, dass Kultur nicht so systemrelevant sei, wie viele sich das wünschen. Darum müssten Kulturschaffende sich selbstkritisch fragen: "Was ist das, was wir da tun, wie können wir es relevanter machen?" Und die Gesellschaft müsse offen darüber diskutieren, was Kunst und Kultur ihr eigentlich wert seien, auch mit Blick auf die soziale Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern.
Denn, so Folkert Uhde, die nächste Krise komme bestimmt.
(pag)