50 Jahre verstrickt in Rivalitäten
Eigentlich sollte kommende Woche Kirchengeschichte geschrieben werden. Doch trotz mehr als 50 Jahren Vorbereitung: Das geplante Konzil aller orthodoxen Kirchen auf Kreta ist fraglich geworden. Worum wird gestritten?
Seit Jahren versucht die russisch-orthodoxe Kirche die Vorrangstellung des Ökumenischen Patriarchats immer wieder zu untergraben und setzt dabei als Druckmittel die eigene Größe ein. Schließlich vertritt das Patriarchat von Moskau mit über 100 Millionen Mitgliedern mehr als ein Drittel aller orthodoxen Gläubigen weltweit. Im Einflussgebiet Konstantinopels hingegen leben gerade einmal vier Millionen, erläutert Assaad Elias Kattan, Professor für orthodoxe Theologie in Münster.
"Es kommt ja auch aus diesem Grund zu Spannungen, weil die Positionierung, die sich auch beobachten lässt in den letzten zwanzig Jahren, und vor allem seitdem Patriarch Kyrill gewählt wurde, ist: Ja, wir lassen uns wenig diktieren von den Orthodoxen, die am Bosporus sitzen. Also, wir sind zahlenmäßig wichtiger und darüber müssen wir jetzt reden."
Hierfür könnte das panorthodoxe Konzil, zu dem rund 300 Geistliche erwartet werden, eine gute Gelegenheit bieten. Allerdings ist die Zahl der Probleme, die geklärt werden wollen, groß. Hierzu zählen vor allem Fragen der Rechtsprechung sowie der territorialen Zuständigkeit. Besonders wichtig ist das Problem der Diasporakirchen, also der Ableger der traditionellen Orthodoxie in Westeuropa und Amerika.
Kalenderfrage ist ein Problem
Sie sind in den vergangenen Jahrzehnten ausgesprochen stark gewachsen. Eigentlich könnte diese geografische Ausweitung für die orthodoxen Kirchen Anlass und Ansporn sein, gemeinsam als Weltkirche aufzutreten – so wie es die römisch-katholische Kirche macht. Statt aber gemeinsam an einem Strang zu ziehen, verzettelt man sich in Konkurrenz und verliert den Blick für das Wesentliche, beklagt der orthodoxe Theologe und ehemalige Referent bei der serbisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, Carol Lupu.
"Das Problem der Diaspora zeigt ganz genau das Problem der Orthodoxie unter sich. Dass sie keine Kommunikation hat: Die serbisch-orthodoxe Kirche hat in Deutschland einen Bischof, die griechisch-orthodoxe Kirche hat einen Metropoliten mit mehreren Weihbischöfen, die rumänisch-orthodoxe Kirche hat einen Bischof und einen Weihbischof, die bulgarisch-orthodoxe Kirche und so weiter. Das heißt: Die Orthodoxie fühlt sich gar nicht als eine Kirche. Sondern sie fühlt sich als eine Kirche mit der und der nationalen Prägung. Es wäre jetzt vom Konzil zu erwarten, dass man sagt, Deutschland ist ein eigenes Land und es hat soundso viele Bischöfe und es gibt einen Metropoliten. Und das wäre dann eine orthodoxe Kirche für alle Gläubigen."
Ein Problemfeld mit besonders großer Sensibilität ist zudem die Kalenderfrage. Während die westlichen Kirchen einheitlich den gregorianischen Kalender benutzen, gibt es bei den orthodoxen unterschiedliche Kalender. Die Folge ist, dass wichtige kirchliche Feste an verschiedenen Tagen begangen werden, erklärt Stefan Kube, Chefredakteur der in Zürich erscheinenden Zeitschrift "Religion und Gesellschaft in Ost und West".
"Dabei geht es vor allen Dingen darum, dass manche orthodoxen Kirchen dem gregorianischen Kalender folgen oder teilweise dem gregorianischen Kalender folgen. Manche dem julianischen Kalender. Was zum Beispiel dazu führt, dass die orthodoxen Kirchen an verschiedenen Daten Weihnachten feiern. Manche wie die griechisch-orthodoxe Kirche am 24. Dezember wie die westliche Christenheit. Dagegen feiern die russisch- oder serbisch-orthodoxe Kirche Weihnachten am 6. Januar. Was natürlich für die innerorthodoxe Ökumene ein schlechtes Zeichen ist, wenn man an verschiedenen Daten Weihnachten feiert."
Es gilt das Konsensprinzip
Dass auf dem Konzil sämtliche Spannungen und Probleme gelöst werden, ist nicht zu erwarten. Denn die Kirchenoberhäupter haben bereits im Vorfeld einige Themen wie die schwierige Kalenderfrage von der Tagesordnung gestrichen, die jetzt nur noch drei statt ursprünglich zehn Punkte umfasst. Es sind erstens innerorthodoxe Probleme wie die Anerkennung und Unabhängigkeit von Kirchen, zweitens die Außenbeziehungen der orthodoxen Kirchen und drittens Fragen der Glaubenspraxis.
Zudem wurde der Abstimmungsmodus geändert. Statt des Mehrheitsprinzips gilt nun das Konsensprinzip: Man will also Einigkeit um jeden Preis – ein Vorgehen, das Johannes Oeldemann, der Direktor des Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik in Paderborn, bedauert. Gleichwohl schaut er optimistisch nach Kreta. Denn es sei ein nicht zu unterschätzender Schritt, dass die orthodoxen Kirchen in der Vorbereitung des Konzils ihr Verhältnis zu den anderen Kirchen offen und klar definiert hätten. Der vorliegende Textentwurf zur Ökumene zeige nämlich nachdrücklich:
"Dass es zum Orthodox-Sein auch gehört, das Gespräch mit den anderen Kirchen zu suchen. Weil es eben traditionalistische und anti-ökumenische Gruppierungen in der Orthodoxie gibt, die genau das anzweifeln und sagen: 'Ökumene, das ist Häresie.' Da setzt der Textentwurf doch deutlich andere Signale. Und wenn das als Common Sense am Ende herauskäme wäre da für das ökumenischen Engagement schon viel gewonnen."