Ein hochbedeutsames Stück Stoff
"Verhüllt, enthüllt" heißt eine neue Ausstellung im Wiener Weltmuseum. Sie zeigt die ganze Vielfalt von Kopftüchern, die es im Laufe der Jahrhunderte gegeben hat. Die Verhüllung des Hauptes war nicht immer religiös motiviert.
"Die stammen aus Kairo um neunzehnhundert", sagt der Kurator Axel Steinmann im sanften Dunkel des Wiener Weltmuseums am Heldenplatz. So kurz vor der Eröffnung der Kopftuch-Ausstellung fehlen noch ein paar Texte an Exponaten und Fotostrecken, doch Axel Steinmann ist ohnehin ein wandelndes Lexikon.
Vor einem Palästinensertuch – Kufiya genannt – bleibt er stehen. "Das ist ein interessantes Beispiel eines judaisierten Palästinensertuches – besteht aus lauter Davidsternen. Das ändert immer seine politische Bedeutung. Die ersten Siedler, die da waren, haben die arabische Küche angenommen und sich assimiliert und dann kann das selbe Tüchlein seine politische Bedeutung ändern und dann sagen: 'Wir erheben auf dieses Land einen politischen Anspruch.'"
Ein Instrument der Populisten
Andere Tücher sind Meisterhaft gewebt, aus hauchdünnem weißen Stoff mit Schmuck verziert oder goldschimmernd. Wieder andere sind traditionell bäuerlich mit Blumen bestickt oder haben die Eleganz der Haute Couture. Arbeiterinnen, Bäuerinnen, Trachtententrägerinnen oder Queen Elisabeth sie alle tragen Kopftuch. Auch in Nazideutschland wurde Frauen diese Kopfbedeckung verordnet. Und noch weiter zurück liegen die steifen Kleiderordnungen des späten Mittelalters. Diese diktierten Kopf,- und Halsbedeckungen, wie den Witwenschleier.
Heute gehört das Kopftuch in den Instrumentenkasten von Populisten aller Art. "Schon allein wenn das Wort fällt, befindet man sich in einer Kampfzone, weil es sofort mit Islam assoziiert wird", sagt Axel Steinmann.
Auch die Ausstellung "Verhüllt, enthüllt!" kommt natürlich nicht aus ohne Religion. Denn im Islam spielen Hals, Gesichts und Körperschleier aller Art eine große Rolle, auch für Männer, erläutert Axel Steinmann und verweist auf das Judentum und die Kippa. Für das Christentum, gab schon der Apostel Paulus im Brief an die Korinther die folgende Devise aus: "Denn ein Mann braucht sich zwar nicht das Haupt verhüllen, weil er ein Bild und Abglanz Gottes ist; die Frau aber ist ein Abglanz [des] Mannes." Und weiter: "Daher soll die Frau eine Macht auf dem Haupt haben." Um der Engel Willen wie es heißt.
Ausstellungsidee entstand aus islamfeindlichem Shitstorm
Außer christlichen Engeln gibt es mit Blick auf die Ausstellung viele handfeste Kritiker, die das Kopftuch einfach nur verteufeln wollen. Christian Schicklgruber leitet das Weltmuseum. Die Idee zu der Kopftuch-Ausstellung kam ihm spontan auf dem Weg zu einem Meeting, bei dem er neue Ausstellungspläne vorstellte. Unterwegs dachte der Direktor über einen Shitstorm nach, den eine österreichische Drogeriekette über sich ergehen lassen musste. Der Grund: Sie hatte mit einer jungen Kopftuchträgerin Werbung gemacht.
"Das hat mich so beeindruckt, dass die Entscheidung zu dieser Ausstellung auf dem Weg von hier über den Ring ins Kunsthistorische Museum gefallen ist", sagt Schicklgruber. Schon nach der Ankündigung der Ausstellung erhielt der Museumsdirektor viele Reaktionen. "Meine Mailbox war voll mit Hinweisen, was gesagt werden muss. Mit Anschuldigungen, dass wir den Islamisten damit einen Gefallen tun. Das war massiv."
Und so setzt das Weltmuseum auch auf siebzehn Künstlerinnen und Künstler die die Ausstellung um persönliche Positionen zum Kopftuch ergänzen. Herausgekommen sind aufwändige Fotos, Videos und Installationen in denen es um kulturelle Identität geht, den weiblichen Körper und den männlichen Herrschaftsanspruch darauf. Auch das Abwerfen des Kopftuchs kommt dabei vor, als wichtiges Zeichen von Protest. Denn nach wie vor, betont Axel Steinmann, nach wie vor sei es der Mann, der die Frau bedeckt sehen will.