"Die heilige Jungfrau möge uns beschützen"
Die koptischen Christen in Ägypten feiern erst am 7. Januar ihr Weihnachtsfest, weil sie sich nach einem anderen Kalender richten. In die Freude mischt sich zunehmend Angst - ihre vergangenen Weihnachtsfeste endeten blutig.
Vor dem Altar breiten sich riesige Pfützen aus. Putzmann Hany wischt noch mal gründlich durch. Barfuß und mit hochgekrempelten Hosenbeinen steht der Ägypter samt Blecheimer und Schrubber in der Kirche der Heiligen Jungfrau Maria.
"Es muss sauber sein. Das ist doch das Haus Gottes", sagt ein Besucher, der sich eigens in eine der hinteren Bankreihen verzogen hat.
"Natürlich, das ist wie zu Hause. Zu Weihnachten wird alles geputzt und geschmückt", sagen zwei Frauen und wünschen ein frohes Fest.
Die koptischen Christen in Ägypten richten sich nach dem julianischen Kirchenkalender. Das Weihnachtsfest feiern sie deshalb am 7. Januar. Doch schon heute Abend und in der Nacht strömen die Gläubigen wie hier im Kairoer Stadtviertel Shobra zur Weihnachtsmesse.
Furchtbare Angst in den letzten Tagen
Eine Gemeinde-Angestellte legt im Vorraum der Kirche noch zusätzliche Kartons mit Kerzen, Kruzifixen und Rosenkränzen aus. Nach der Weihnachtsmesse möchten die Gläubigen vielleicht ein Andenken mitnehmen. Zu Erinnerung an ein gesegnetes und hoffentlich friedliches Fest.
"Wir hatten die letzten Tage furchtbare Angst", gibt die Koptin zu. "Aber was wollen wir machen. Die heilige Jungfrau möge uns beschützen."
…vor islamistischen Attentaten, meint die Frau. So wie in der Neujahrsnacht 2011, als bei einem Anschlag auf eine Kirche in Alexandria mehr als 21 Kopten starben und fast hundert verletzt wurden. So wie im August 2013, nach dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mursi, als seine radikalsten Anhänger auch an der christlichen Minderheit Rache übte. Und so wie heute, als zwei Polizisten vor einer Kirche in Minya, 250 Kilometer südlich von Kairo, von maskierten Männern erschossen wurden. Sie waren eigens zur Bewachung des Gotteshauses abgestellt worden, genau wie die beiden Beamten, die vor der Kirche der Heiligen Jungfrau Maria in Shobra stehen.
Die Sicherheitsmaßnahmen erhöht
Der Bürgersteig ist dort mit Metallgittern abgesperrt. Wer in die Kirche hinein will, wird so an der Wache vorbei gelenkt.
"Schon zu Silvester hat das Innenministerium überall in Ägypten die Sicherheitsmaßnahmen erhöht", berichtet Abuna Timotheus, der Gemeindepfarrer. "Wir sind auch selbst sehr aufmerksam. So können wir uns sicher fühlen. Und Gott steht uns bei…"
…sagt der Geistliche mit einem optimistischen Lachen. Zu dem Zeitpunkt waren die Polizisten vor der Kirche in Minya noch nicht erschossen worden.
Auch der koptische Rechtsanwalt Dr. Naguib Gobriel ist ein tief gläubiger Mensch. Doch auf Gottes Beistand allein mag er sich nicht mehr verlassen. Auf dem Schreibtisch in seiner Kanzlei stapeln sich die Akten von koptischen Gewaltopfern.
"Die beschützt keiner"
"Natürlich muss Polizei vor den Kirchen stehen. In der Oasenstadt Fayoum wurde an Silvester in der Nähe einer Kirche eine Bombe gefunden. Zum Glück konnte man sie noch entschärfen. Aber es gibt weitere Warnungen. Hunderttausende Kopten gehen hier zu Weihnachten in die Kirchen. Da brauchen wir Sicherheit. 17.000 Polizisten und Soldaten sollen dafür sorgen", weiß der Anwalt.
Dann beginnt er in seinen Akten zu kramen. Ägyptens neuer Präsident sei ja ein guter Mann, meint Naguib Gobriel. Doch auch Sisi ändere nicht das, was für die koptischen Christen zum Weihnachtsfest wie ein Schlag ins Gesicht sei:
"Das ist die Kirche von Sohag, sagt Gobriel und zeigt ein Foto auf dem Betende in einer Ruine stehen. Die Kirche wurde 2013 von den Islamisten niedergebrannt. Und immer noch müssen die Leute in Trümmern beten. Die beschützt keiner."