Korea 70 Jahre nach Kriegsbeginn

In der Endlosschleife gescheiterter Annäherungsversuche

23:08 Minuten
Südkoreas Präsident Moon Jae-In und der nordkoreanische Diktator Kim Jong-Un beim gemeinsamen Lunch im Rahmen des Korea-Gipfels im September 2018.
2018 sah es im Verhältnis der beiden koreanischen Staaten nach Tauwetter aus, als Präsident Moon (li) und Nordkoreas Diktator Kim Jong-Un zum Gipfeltreffen zusammenkamen. Doch davon ist wenig geblieben. © imago stock/AFLO
Von Kathrin Erdmann |
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Auch wenn Diktator Kim Jong-Un gerade seine Drohungen gegen den Süden zurückgenommen hat: Nordkorea kommt einfach nicht aus dem Konfrontationsmodus. Im Süden ist die Enttäuschung über die aktuelle Politik groß.
Die nordkoreanischen Truppen überrennen den Süden am 25. Juni 1950 geradezu, doch mit Hilfe der Vereinten Nationen werden die Soldaten im Herbst wieder zurückgedrängt und die Demarkationslinie wird in die andere Richtung überschritten. In den kommenden drei Jahren fallen geschätzt bis zu 4,5 Millionen Menschen dem Krieg zum Opfer.
Park Jaesun ist 79 Jahre alt, war damals also sehr jung: "Ich erinnere mich an Menschen, die flüchteten, und an den Kugelhagel."
Kim Sungjin ist erst 28 Jahre alt und kennt den Krieg nur aus Erzählungen. Sie weiß aber dennoch ziemlich gut Bescheid:
"Südkorea stand auf der Seite der USA und Nordkorea auf der Seite der Russen. Und Korea wurde zum Schlachtfeld der beiden Staaten, durch ihren Einfluss kam es zum Krieg. Und durch diesen Einfluss, den Krieg und die Trennung sind auch heute noch viele Familien auseinandergerissen."
Seit Ende des Krieges gab es einige wenige Familienzusammenkünfte – jedes Mal mit herzzerreißenden Szenen.
Obwohl es mit dem Amtsantritt des liberalen südkoreanischen Präsidenten Moon in der jüngeren Vergangenheit Zeichen für eine Annäherung gegeben hatte:
Am Grenzort Panmunjom reichen sich Moon und Machthaber Kim Jong-Un 2018 die Hände, wollen ein neues Kapitel aufschlagen. Beide reden von einem Friedensvertrag – etwas, dass sich der Südkoreaner Park Jaesun wünscht:
"Das wäre auf jeden Fall besser als nur ein Waffenstillstand."

Südkorea hat die Chance zu wichtiger symbolischer Geste

Eine Vereinbarung, die beide Seiten zwar nicht allein treffen können, denn dazu bräuchte es die Unterschriften der USA und China – doch der Historiker Mark Caprio von der Tokioter Rikkyo-Univerität, der gerade als Professor in Seoul arbeitet, sagt:
"Die Südkoreaner könnten etwas sehr Symbolisches tun und sagen: Für uns ist der Koreakrieg vorbei, und wir wollen ein Friedensabkommen unterzeichnen, selbst wenn wir das nicht allein können."
Ein Friedensvertrag wäre zwar gut, findet die Rentnerin Choi Kija, ist aber sehr skeptisch:
"Ich dachte damals erst an einen Neuanfang. Aber was Nordkorea jetzt macht, ist alles andere als friedfertig. Kürzlich hat Kim Yo-jong ein sehr aggressives Statement abgegeben. Es ist wirklich frustrierend."
Gemeint ist die Schwester des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-Un. Kurz nach ihren heftigen Anfeindungen wurde das gemeinsame Verbindungsbüro gesprengt. Auslöser dafür waren Propagandaflugblätter nordkoreanischer Geflüchteter, die in dieser Woche sogar nochmal nachgelegt haben.
Immer wieder testete der Norden auch Raketen, obwohl das dem kommunistischen Land verboten ist.

Plötzliche Kehrtwende von Kim Jong-Un

Auch wenn Machthaber Kim Jong-Un jetzt überraschend verkündete, alle militärischen Aktionen gegen den Süden sollen eingestellt werden, der Rentner Park Jaesun bleibt skeptisch. Er glaubt:
"Nordkorea hat kein Interesse an Frieden. Es will den Krieg gewinnen und dann die Wiedervereinigung. Nur junge Leute in Südkorea glauben an die Ideale von Präsident Moon. Aber sie haben gar keine Ahnung."

Donald Trumps Amtszeit begann mit Drohungen von "Feuer und Zorn" gegen den "kleinen Raketenmann" Kim Jong-Un. Wenig später schwärmte der US-Präsident, er und der nordkoreanische Diktator hätten sich verliebt, schrieben sich "wunderschöne Briefe". Das Verhältnis zwischen Washington und Pjöngjang hat seit 2017 die unterschiedlichsten Phasen erlebt. Jan Bösche erläutert, wieso aktuell eher Funkstille herrscht und was Trumps Vorgehen noch mit Realpolitik zutun hat.
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Politikwissenschaftlerin Jang Ji-Hyang hatte große Hoffnungen in die Friedensinitiativen Moons gesetzt, aber auch sie ist enttäuscht:
"Moon Jae-in hat alte Eier in einen sehr instabilen Korb gelegt und dementsprechend groß ist die Kritik an seiner Politik für die koreanische Halbinsel."
Die südkoreanische Regierung sei so fixiert darauf, den Dialog fortzusetzen, dass sie dabei ihre eigene Ideale verrate, und das mache die Menschen wütend, sagt die Politikwissenschaftlerin.

Punktgewinn für Nordkorea

So weit würde der 30-jährige Finanzangestellte Lee Jungsang nicht gehen. Es sei zu einfach, zu sagen, Präsident Moon sei naiv und Kim einfach clever:
"Beide sind Politiker, aber ich denke schon, dass Kim mehr Vorteile aus dem gemeinsamen Treffen gezogen hat als Moon. Südkorea hat auch etwas erreicht, aber Kims Haltung hatte mehr Einfluss auf die Welt, denn schließlich hat es zu einem Treffen mit Trump geführt."
Und das war für den jungen nordkoreanischen Machthaber eine Anerkennung sondergleichen – auch wenn der südkoreanische Präsident den Weg dafür erst geebnet hatte und die mehrfachen Begegnungen zwischen Trump und Kim bis heute außer schönen Worten und historischen Bildern nichts Konkretes gebracht haben.
US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-Un reichen sich die Hände.
Schöne Propagandabilder für das nordkoreanische Regime: mehr kam letztlich beim Treffen von Kim und Trump nicht heraus.© imago / UPI Photos / Shealah Craighead
Dass daraus nicht mehr geworden ist, die Verhandlungen seit Monaten stillstehen, liegt aus Sicht des Historikers Mark Caprio nicht nur am Kim-Regime:
"Man kann nicht nur Nordkorea anklagen und sagen: Du musst dich ändern, sonst passiert nichts. Die USA müssen ihren Umgang mit Nordkorea wirklich verändern, das gilt auch für China. Allen muss klar sein, dass eine Lösung des Problems das Beste für die Region ist."
Die anhaltende Sanktionspolitik hält er für falsch. Und dass Kim Jong-Un sein Atomprogramm nicht einfach so hergibt, das kann die 28-jährige Sungjin sogar bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen:
"Es ist ein abgeschottetes, sozialistisches Land. Und das Einzige, was sie davon haben, ist die Atombombe. Deshalb arbeiten sie weiter daran. Wenn sie die nicht mehr haben, dann fehlt ihnen das Druckmittel."
Nordkorea sollte abrüsten, findet die Angestellte. Andererseits hätten auch andere Länder wie die USA und Indien Atomwaffen. Warum sollte Nordkorea dann nicht auch welche besitzen, fragt sich Kim Sungjin.
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