Korrespondenten berichten über

Coronasingen

03:33 Minuten
Ein Mann spielt Saxophon auf seinem Balkon und überblickt dabei die Hafenstadt von Rijeka in Kroatien.
Überall auf der Welt verabreden sich Menschen zum gemeinsamen Musizieren von Balkons und Fenstern aus - hier im kroatischen Rijeka. © picture alliance / PIXSELL
Von Matthias Baxmann und Matthias Eckoldt |
Audio herunterladen
Das gemeinsame Singen im chinesischen Wuhan hat Menschen weltweit zu kollektiven Aktionen inspiriert: abendliches Applaudieren in Spanien, Balkon übergreifende Orchester in Frankreich und das Blasen auf Muschelhörnern in Indien.
Axel Dorloff in Peking:
"Die wohl sichtbarste kollektive Aktion in China war das gemeinsame Singen in Wuhan. Wuhan, die Hauptstadt der vom Virus am meisten betroffenen Provinz Hubei. Die Zwölf-Millionen-Stadt Wuhan wurde am 23. Januar komplett abgeriegelt und danach haben sich die Menschen immer wieder aus ihren Fenstern und von ihren Balkonen Mut zugerufen und zwar mit dem Slogan ‚Wuhan Dja jo‘.
‚Dja jo‘ heißt wörtlich übersetzt, gieß Öl dazu, meint aber frei übersetzt so etwas wie: Haltet durch! Oder: Kämpft weiter! Und dieses gemeinsame Singen in Wuhan ging über Tage über Wochen. Meistens abends, wenn es dunkel war, haben sich Nachbarn, Freunde oder auch Unbekannte damit gegenseitig ermutigt."
Silke Diettrich in Neu-Delhi:
"Die Hauptstadt Neu-Delhi ist fast nicht mehr wieder zu erkennen. So gut war die Luft in den letzten Jahrzehnten nicht mehr. Es gibt fast keinen Verkehr mehr, keine Baustellen, keine Flugzeuge. Laut wird es nur manchmal in Indien, dann stehen die Leute hier alle auf den Balkonen, klatschen und blasen auf einem Muschelhorn.
Viele Hindus haben so eine riesige Muschel zu Hause, die oft bei Festen von Hindus geblasen wird. Die Idee ist, dass der Schall durch alle Weltgegenden dringen soll. Und bei mir, ehrlich gesagt, geht dieser Sound komplett unter die Haut gerade.
Es gibt eine gute Nachricht für alle Deutschen jetzt mal aus Indien: Es gibt hier Toilettenpapier in Hülle und Fülle. Meine indischen Freunde und Kollegen verstehen diese ganzen Witze überhaupt nicht, die bei uns in Deutschland gerade rumgehen vor allem in den sozialen Netzwerken, denn in Indien benutzt kaum jemand Klopapier. Neben jeder Toilette hier steht eigentlich immer ein Eimer mit Wasser oder die Edelvariante, so eine kleine Duschbrause neben dem Klo.
Deshalb darf man in Indien ja auch nie die linke Hand nutzen, um zu essen oder schon gar nicht, um jemanden damit anzufassen. Wenn sich die Menschen hier begrüßen, halten sie ja meistens die Hände vor die Brust und sagen: Namaste! Das haben ja jetzt weltweit ganz viele Politiker übernommen und darauf waren die Inderinnen und Inder superstolz."
Jürgen König in Paris:
"Auch in Frankreich gibt es Straßenzüge oder Quartiers oder manchmal sogar ganze kleine Stadtviertel, wo man sich abends sozusagen auf den Balkonen trifft. Das ist manchmal immer um 19 Uhr, manchmal auch erst um 20 Uhr. Da wird dann gesungen, da wird Musik gemacht auf allen möglichen und unmöglichen Instrumenten.
So nach dem Motto: Der Opa macht mit Schneebesen und Reibe das Schlagzeug. Das ist großartig! Da ergeben sich manchmal Balkon übergreifend ganze Orchester. Immer wird zu Beginn und am Ende applaudiert."
Oliver Neuroth in Madrid:
"Bei den abendlichen Applausaktionen in Spanien tauschen Nachbarn jetzt auch inzwischen ihre Telefonnummern aus. Manche schreiben sie groß auf Plakate und halten diese dann auf den Balkonen hoch. Andere rufen die Nummern herunter oder rüber auf die gegenüberliegende Seite.
Man lernt sich also besser kennen in diesen Tagen, tauscht Nummern aus, um sich mit dem Nachbarn mal tagsüber zu unterhalten, telefonisch. Wegen der Ausgangssperre in ganz Spanien haben ja viele auch einfach sehr viel Zeit. Oder man hat nur die Nummer des Nachbarn, wenn man mal Hilfe braucht oder dem anderen Hilfe anbieten möchte."

"Alltag anders" – wenn Sie einen Themenvorschlag haben, dann schicken Sie ihn gerne an diese E-Mail-Adresse: alltag.anders@deutschlandfunkkultur.de

Mehr zum Thema