„Islands Fischereikonzernen geht es gut“ - Lea Busch, Island-Korrespondentin
In Island ist der Fishrot-Skandal nach wie vor in aller Munde, sagt Korrespondentin Lea Busch. Die Empörung darüber, dass ein isländisches Fischereiunternehmen derart schamlos internationales Recht missachtet und Korruption betreibt, ist groß.
„Aber dem Unternehmen Samherji geht es finanziell gut, genauso wie den anderen großen Fischereikonzernen in Island. Sie sind der Wirtschaftsfaktor Nummer eins in Island und in internationalen Gewässern unterwegs, auch in der Nordsee.“
Der Fischereikonzern Samherji streitet alles ab und versucht die Journalistinnen und Journalisten, die in dem Fall recherchieren, zu diskreditieren und ihren Ruf zu beschädigen. Gezielte Fake-News-Vorwürfe, so Korrespondentin Lea Busch, sollen sie mundtot machen.
Namibia und Island
Magere Ausbeute eines Tages: Der Fishrot-Skandal ist auch Thema unter den Kleinfischern, denen Klimawandel und große Fangflotten zu schaffen machen. © Leonie March
Korrupte Fischfanggeschäfte
23:18 Minuten
Ein vermeintlich vergifteter Whistleblower, untergetauchte Politiker, ein krimineller Fischereikonzern und Fischfangrechte im Ausverkauf – der Korruptionsskandal "Fishrot" wurde 2019 bekannt. Island und Namibia versuchen sich an der Aufarbeitung.
Die Überfischung der Meere macht sich nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen bemerkbar. Zum Beispiel bei Samuel Johannes. In hohem Bogen wirft er seine Angel aus. Der Schwimmer landet weit hinter der Brandung im kalten Atlantikwasser. Jetzt heißt es warten, bis eine Schwarzbrasse oder ein anderer Fisch anbeißt, der hier an der Küste Namibias heimisch ist.
„Als ich jung war, habe ich noch schöne Fische gefangen und viele dazu. Damals war ich auch noch kräftiger. Also waren das bessere Zeiten. Jetzt werde ich alt und meine Einnahmen als Fischer reichen nicht mehr fürs Leben. Die Kosten für Haken und anderes Zubehör sind gestiegen und im Meer schwimmen weniger Fische als damals.“
Elf Prozent der Bevölkerung fischt
Johannes ist gemeinsam mit anderen Fischern und einer Fischerin seit vier Uhr früh auf den Beinen. Noch vor Morgengrauen ist die Gruppe vom Küstenort Henties Bay gen Norden gefahren. Sie alle sind Subsistenz-Fischer, leben also von ihren Fängen. Schätzungen zufolge bestreiten etwa elf Prozent der Bevölkerung in Namibia so ihren Lebensunterhalt.
Mit einem Teil ernähren sie ihre Familien, den anderen verkaufen sie. Der Klimawandel macht den kleinen Fischern zu schaffen, denn das Wasser wird immer wärmer und manche Fischarten verschwinden. Und natürlich die großen Flotten, die alles wegfischen und kaum etwas für die Kleinen übrig lassen.
Die Fischereiflotten laufen rund einhundert Kilometer südlich in Walfish Bay ein. Die Hafenstadt ist der Hauptsitz der Fischerei-Industrie. Sie zählt zu den wichtigsten Wirtschafssektoren Namibias, trägt maßgeblich zum Bruttoinlandsprodukt bei, denn Fisch ist ein wichtiges Exportgut. Über Fischereirechte und Fangquoten entscheidet die Regierung.
Fangquoten nicht verhandelt, sondern verkauft
Für internationale Unternehmen gibt es gesetzliche Vorschriften, die eine Beteiligung und Beschäftigung von Namibiern vorsehen. Doch sie werden nicht immer eingehalten: Kurz vor den Wahlen 2019 hatte der sogenannte Fishrot-Skandal für landesweite Proteste gesorgt.
Es ging um Korruption und Steuerhinterziehung in großem Stil: Über ein ausgeklügeltes System aus mehreren Tochtergesellschaften hatte ein isländisches Unternehmen gesetzliche Ausschreibungsprozesse umgangen und sich umfassende Fischereirechte in Namibia gesichert.
Sieben Jahre lang hat das isländische Unternehmen Samherji Profit auf Kosten der Fischgründe und Staatskasse Namibias gemacht. Steuern zahlte es kaum, dafür sollen Bestechungsgelder in Höhe von zehn Millionen Dollar an eine korrupte Clique aus Ministern, der Führung des staatlichen Fischereiunternehmens und ihrer Entourage geflossen sein. Die juristische Aufarbeitung dauert noch an.
Die sogenannten Fishrot-Ten, zehn Verdächtige, sitzen in der Hauptstadt Windhoek hinter Gittern. Derzeit laufen die Vorverhandlungen, der Gerichtsprozess soll bald beginnen.
Fishrot-Skandal: „Das war der Wendepunkt“
In der Innenstadt, im Haus der Demokratie, verfolgt Graham Hopwood das zäh anlaufende Verfahren mit Interesse. Hopwood ist der Direktor des „Institute for Public Policy Research“, einem namibischen Thinktank. Er bezeichnet Fishrot als Wendepunkt in der Geschichte Namibias.
“Wir wussten schon immer, dass es Korruption bis in die obersten Ebenen gibt, aber wir hatten dafür nicht viele Beweise. Wir haben es einem Whistleblowe aus Island zu verdanken, dass dieser Skandal öffentlich wurde. Er hatte jede Menge Beweise mit Blick auf das isländische Unternehmen gesammelt und auf WikiLeaks veröffentlicht. Internationale Medien berichteten. Die Beweislage war so erdrückend, dass unsere Regierung handeln musste und so sitzen nun auch zwei ehemalige Minister im Gefängnis und warten auf den Ausgang des Verfahrens.“
Der isländische Whistleblower war ehemals Geschäftsführer des Unternehmens Samherji in Nambia, also selbst Profiteur der Machenschaften. Als er die Seiten wechselte und den Skandal publik machte, ließ ihn das Unternehmen fallen und schob ihm die ganze Schuld zu. Wenig später soll er in Südafrika vergiftet worden sein.
Netzwerk gegen Korruption protestiert
Als Konsequenz aus dem Skandal haben Hopwood und sein Team Mitte Februar den Startschuss für das Projekt „Integrity Namibia“ gegeben. Ziel ist ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen Korruption. Es soll dafür sorgen, dass mehr große Fische ins Netz gehen. Nicht nur in Zukunft, sondern auch rückwirkend: mit Blick auf Fishrot-Akteure, die Hopwood als „Unberührbare“ bezeichnet.
„Es gibt etliche Beweise dafür, dass mehr als nur die zehn Angeklagten in diesen Skandal verwickelt waren. Das sind politische, bestens vernetzte Personen, die ebenfalls wegen Geldwäsche und Korruption verhaftet werden sollten. Aber leider ist die von der Regierung eingesetzte Anti-Korruptionskommission selbst nicht unabhängig genug, um diesen Fällen nachzugehen.
Von ihr heißt es, es gäbe nicht genügend finanzielle Mittel, um allen Hinweisen zu folgen. Man müsse sich auf jene mit den größten Aussichten auf eine Verurteilung konzentrieren. Aber dadurch entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass es in unserem Land Leute gibt, die tun können, was sie wollen – ohne dass sie verhaftet werden oder auch nur gegen sie ermittelt wird.“
„Ich hoffe, dass Gerechtigkeit walten wird"
Die großen Fische sind auch bei den Kleinfischern von Henties Bay immer wieder ein Thema. Linea Mwahafa ist die einzige Frau in der Gruppe. Immer mal wieder höre sie von neuen Fishrot-Enthüllungen, sagt sie, darauf angesprochen. Die Summen, um die es geht, sprengen ihre Vorstellungskraft.
„Ich hoffe, dass Gerechtigkeit walten wird. Auch ich möchte erfahren, wohin diese ganzen Millionen geflossen sind. Dieser Skandal war ein Weckruf für uns alle. Seitdem hören wir regelmäßiger, was bei der Regierung sonst noch schiefläuft. Es gibt weiterhin Politiker, die Geld für sich und ihre Familien abzweigen. Gleichzeitig behauptet die Regierung uns gegenüber, dass sie kein Geld hat.“
Für Linea Mwahafa ist die Rechnung einfach. Wenn sie nichts fängt, gibt es auch nichts zu essen.
Abhängig von der Fischereiwirtschaft
Die Fischerei ist ein Spiegel der Gesellschaft: Namibia gehört zu den Ländern der Welt mit einer besonders ausgeprägten sozialen Ungleichheit. Auf deutsche Kolonialherrschaft folgte südafrikanische Verwaltung nach dem Vorbild der Apartheid. Heute, über drei Jahrzehnte nach der politischen Unabhängigkeit, sind Armut und Arbeitslosigkeit weiterhin verbreitet. In den kleinen Küstenorten gibt es kaum Alternativen zum Fischfang.
Henties Bay liegt mitten in einer Wüstenlandschaft an der Küste. Die meisten Familien leben hier in kleinen rechteckigen Häuschen, umgeben vom Sand der Wüste und der Dünen, die nahtlos ineinander übergehen. Kein Baum, nicht einmal Grashalme. An Landwirtschaft oder auch nur einen Anbau für den Eigenbedarf ist nicht zu denken. Jobs gibt es nur in ein paar Geschäften, der Klinik oder dem nahe gelegenen Campus der Universität.
Am Ortsrand sticht ein Gebäude in leuchtenden Rot- und Blautönen hervor. Es ist der Sitz der „Hanganeni Artisanal Fishing Association“, kurz HAFA. Vor rund 20 Jahren haben die Kleinfischer diesen Verband gegründet, unterstützt von Spenden und dem Fischereiministerium. Ziel sei es gewesen, erzählt HAFA-Direktor Herman /Honeb, eine formale Struktur und Einkommensmöglichkeiten für die historisch marginalisierten Kleinfischer zu schaffen.
„Zu lange Zeit waren Namibier nur Mitläufer, wenn es um die blaue Wirtschaft ging. Wir haben zugesehen, wie Ausländer unsere natürlichen Ressourcen im Meer ausgebeutet haben und wurden vom Apartheid-Regime unterdrückt. Seit 1990 haben wir eine unabhängige Regierung. Aber es ist eine andere Kategorie von Eliten entstanden, die für sich selbst Wohlstand geschaffen haben.“
Fishrot-Skandal erhöht den Druck
/Honeb spielt auf den Fishrot-Skandal an. Mehr will er dazu nicht sagen, solange das Gerichtsverfahren nicht abgeschlossen ist. Strukturell hat sich in der Fischerei-Industrie seitdem kaum etwas geändert: Auf dem Papier soll Fisch als maritime Ressource dem Land und seiner Entwicklung zu Gute kommen und Namibier sollen in der Branche eine größere Rolle spielen. Deshalb unterstützt die Organisation Kleinfischer mit Booten, Fahrzeugen und Infrastruktur dabei, wirtschaftlich selbstständig zu werden, sagt /Honeb.
„Nach der Unabhängigkeit hat unsere Regierung viel für den Erhalt unserer Fischgründe getan. Doch irgendwo auf dem Weg ist der Schwung verloren gegangen. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass sich das wieder ändert: Und zwar durch den wachsenden Einfluss anderer Parteien in unserer Demokratie, durch neue Gesetze zur blauen Wirtschaft, durch ein zunehmendes Bewusstsein in der Bevölkerung und ihre Teilnahme an gesellschaftlichen Debatten. Jetzt muss sich nur die Regierung am Riemen reißen.“
Der Druck auf die Regierungspartei SWAPO, die seit der Unabhängigkeit Namibias 1990 mit absoluter Mehrheit regiert, ist durch den Fishrot-Skandal gestiegen. Von innen und von außen. Die derzeitige wirtschaftliche Schieflage Namibias, die sich infolge der Corona-Pandemie vergrößert hat, verstärkt diesen Druck. Auch auf die Korruptionsbekämpfung, sagt Graham Hopwood vom „Institute for Public Policy Research“.
„Namibia schneidet im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern nicht schlecht ab. Es ist also nicht so, als sei Korruption überall in der Gesellschaft verbreitet. Aber darauf können wir uns nicht ausruhen. Wenn wir die Probleme nicht jetzt beim Schopf greifen und den Trend zunehmender Korruption wieder umkehren, könnten wir Ländern wie Nigeria oder Kenia folgen, in denen Korruption endemisch geworden ist.“
Namibia ist keine Ausnahme, wenn es um die globalen Trends geht: Überfischung, Umweltverschmutzung und Klimawandel. Auf internationaler Ebene gehört das südwestafrikanische Land zu den Staaten, die sich zum Schutz der Weltmeere bekannt haben.
Auf nationaler Ebene ist ein Aktionsplan in Arbeit, mit dem sowohl die Rechte als auch die Ernährungssicherheit von Kleinfischern und Fischerinnen gestärkt werden sollen. Nach dem Fishrot-Skandal ist diese Initiative für die Regierung eine Chance, ihr Image zu verbessern, Vertrauen wiederherzustellen und ihr Herz für die kleinen Fische zu zeigen.
Noch ist der Fall nicht abschließend juristisch geklärt. Aber der Fishrot-Skandal zeigt bereits jetzt, mit welchen Mitteln der Kampf um die heiß begehrten Fischereirechte weltweit ausgefochten wird und dass es offenbar keine Hemmschwelle gibt, wenn es darum geht, die Nase vorn zu haben im Wettbewerb der Konzerne um die Ressourcen im Meer.