Der amtliche Klüngel-Kontrolleur geht
Bundesweit machte er Schlagzeilen mit seinem unnachgiebigen Kampf gegen Korruption. Nun, nach 20 Jahren im Amt, geht Axel Kaske, oberster Klüngel-Kontrolleur der Domstadt, in den Ruhestand. Ein Kölner Rück- und Ausblick.
Axel Kaske ist gelernter Kaufmann. Das hat er gemeinsam mit Nikolaus Gülich. Und es gibt noch eine Gemeinsamkeit zwischen den beiden: Sie haben sich dem Kampf gegen Korruption in der Kölner Stadtpolitik verschrieben. Nikolaus Gülich wurde dafür im Jahr 1686 öffentlich hingerichtet. Sein Haus wurde abgerissen, und die Stadtväter stellten auf dem Grundstück eine Schandsäule auf. Das Denkmal sollte jeden daran erinnern, dass man sich gegen die Herrschenden nicht auflehnen sollte.
Das Glockenspiel am Kölner Rathaus. Wenn man diesen Klängen vor Ort lauscht, kann man die Figuren am Rathausturm beobachten. Eine davon hängt dort heute zu Ehren von Nikolaus Gülich. Als Andenken und Mahnung, dass der Kampf gegen den negativen Klüngel wichtig ist. Dass es für Axel Kaske eines Tages eine solche Ehrung geben wird, ist unwahrscheinlich. Er hat keine Aufstände angeführt – er bekämpft mit den Mitteln von Kommunalpolitik und Bürokratie die Korruption, diesen negativen Auswuchs einer typisch Kölschen Lebenshaltung: des Klüngels.
"Da muss ja was dran sein, das hat mich immer umgetrieben. Bis zu dem Punkt hin, dass man gesagt hat: Naja gut, wenn der Bauunternehmer mit dem Politiker laufend essen geht und so weiter, dann kann das ja nicht mehr so ganz normal sein. Das war eigentlich so der Einstieg, die Droge, in dieses Geschäft der Rechnungsprüfung."
"Wo 20.000 Menschen arbeiten, gibt es immer Unregelmäßigkeiten"
Und ja, da ist was dran. Am Klüngel in Köln, und daran, dass er oft zur handfesten Korruption führt. Das hat man nicht nur in der frühen Neuzeit gerne verdrängt. Das war bis in die 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts so. Nicht mal 20 Jahre ist das heute her. Da wurden in Köln plötzlich Büros der Stadtverwaltung durchsucht, Privathäuser und Unternehmen. Mitarbeiter verschiedener Ämter der Stadt Köln wurden plötzlich der Korruption verdächtigt. Alles nur Einzelfälle, hieß es damals vom Verwaltungschef. Der war ein Parteifreund von Axel Kaske, der gerade erst für die SPD in den Kölner Stadtrat gewählt worden war. Der Theorie von den Einzelfällen vertraute Kaske aber nicht:
"Also, ich fand das damals, ach, ich sage mal ruhig, sehr mutig, so was zu sagen. Wo 20.000 Menschen arbeiten, gibt es immer Unregelmäßigkeiten. Das ist normal. Also, 20.000 Menschen arbeiten nicht wie Roboter, gleichgeschaltet. Das geht gar nicht. Die danach folgenden Geschichten haben uns ja recht gegeben, dass das völliger Blödsinn war."
Der Albtraum der Kölschen Rathaus-Klüngler
Für Blödsinn wiederum ist Axel Kaske selten zu haben. Er wurde schließlich nicht in Köln geboren, sondern an der Nordsee. Und ein bisschen von dem nordisch-sturen Temperament hat er behalten, auch wenn er schon lange in Köln lebt. Dieses Temperament hat ihm wohl auch dabei geholfen, so vehement daran zu arbeiten, den Kölnern die Korruption auszutreiben. Bevor er damit angefangen hat, wurden solche Fälle gerne unter den Teppich gekehrt. Fiel jemand auf, wurde der entstandene Schaden hinter den Kulissen ausgeglichen, und man tat so, als sei nichts passiert. Das änderte sich eben vor gut 20 Jahren, als Axel Kaske in den Stadtrat kam.
"Also, ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass wir es richtig gemacht haben, dass wir aufgeklärt haben. Es kann überhaupt gar nicht sein, dass man so was intern klärt. Das bringt nämlich nichts."
Nicht alle fanden das gut – war das Klüngelgeflecht in Kölns Amtsstuben doch bis dato lange herrlich ungestört gewachsen und gedeiht. Dann kam Kaske. Der Sozialdemokrat wurde zum Albtraum der Kölschen Rathaus-Klüngler, zusammen mit anderen Politikern sowie natürlich der Stadtverwaltung.
Ein hartes Geschäft
"Das war damals ein hartes Geschäft. Ich sage auch mal, es waren harte Leute, die dort gearbeitet haben. Sehr objektiv. Auch der Rat stand dahinter. Dann hatten wir zwei Wechsel in der Amtsleitung. Und heute versucht man, gewisse Dinge etwas loser und einfacher zu gestalten. Die Prüfaufträge – häufig hat man den Eindruck, sie sind weichgespült. Das ist der richtige Ausdruck."
Lasche Kontrollen? Hat der Klüngel-Schlendrian etwa wieder Einzug gehalten, im Kölner Rathaus? Das werden wir uns anschauen. Aber beschäftigen wir uns vorher noch einmal etwas intensiver mit Axel Kaske, dem Ostfriesen in Köln, dem geistigen Nachfolger von Nikolaus Gülich, dem Zugereisten, dem sein angeborenes Temperament hilft, im Kampf gegen die Korruption.
"Ja. Das liegt vielleicht am nordischen Charakter. Ich komme aus einer alten Offiziersfamilie. Möglicherweise liegt das daran. Da ist auch die Erziehung etwas anders wie bei normalen Menschen. Ich musste natürlich nicht Meldung vor dem Bett morgens machen, aber dahin war es doch eine relativ strenge Erziehung. Dann glaube ich, wenn man die genossen hat, geht man einen anderen Weg. Einen nicht so leichten, lockeren Weg wie andere vielleicht."
Post bekommen Mitglieder des Kölner Stadtrates ziemlich häufig – wenn auch inzwischen meist elektronisch. Hin und wieder kommt aber noch ein altmodischer Brief per Post. Das ist immer noch die sicherste Variante, anonym auf Missstände im Rathaus aufmerksam zu machen. Für Axel Kaske war ein solcher Brief der Auslöser dafür, unnachgiebig alle Hinweise auf Korruption zu verfolgen.
"Ich bekam einen Brief, anonym, natürlich keine Unterschrift, nichts. Und habe den Brief aufgemacht und denke: Ach, was ist das denn? Es war mehr oder weniger ein Unternehmer, der sich über eine Baugesellschaft beschwert hat, dass dort falsche Materialien eingebaut werden. Ich sage mal, ein Rohr statt fünf Millimeter drei Millimeter, statt zehn Meter sieben Meter, was weiß ich. Das war so detailliert, dass das eigentlich nur ein Wissender sein konnte. Jetzt war die Frage für mich: Was machst du damit?"
Eine Art politischer Selbstverteidigung
Früher war es in Köln üblich, anonymen Hinweisen gar nicht nachzugehen. Unglaublich, aber wahr: Bis in die 1990er-Jahre vertraten Stadtverwaltung wie Justiz diese Ansicht. Wer anonym Anschuldigungen erhebe, habe sicher etwas zu verbergen. Viele echte Korruptionsfälle blieben ungesühnt. Eine Haltung, die für Axel Kaske nicht mehr infrage kam. Das war für ihn stets auch eine Art politischer Selbstverteidigung.
"Ganz einfach – ich schmeiße das jetzt in den Papierkorb. Und das Ding ist echt und platzt. Dann kommt möglicherweise derjenige welche, der den Brief geschrieben hat und sagt, das habe ich dem Kaske vor vier Wochen in den Briefkasten geworfen. Und wer bleibt dann auf der Strecke? Der Kaske."
Kaske wollte nicht auf der Strecke bleiben, nicht selbst ins Fadenkreuz des Klüngel-Verdachts geraten. Kein einfaches Ansinnen, ausgerechnet in Köln. Da, wo der Spruch "Man kennt sich, man hilft sich", ein wichtiges, wenn nicht sogar das wichtigste Lebensmotto ist. Mit dem SPD-Politiker saß plötzlich jemand im Stadtrat, der das Spiel nicht mehr mitspielen wollte. Die Zeiten hatten sich geändert. Kommunale Selbstverwaltung wurde zur kommunalen Selbstkontrolle.
"Ich habe vom ersten Tage an die Arbeit eigentlich immer so gesehen – das habe ich auch sehr offen gesagt –, wir sind nicht dazu da, die Scharfrichter zu spielen. Wir wollen aufklären. Wir wollen der Verwaltung Wege aufzeigen, wie sie es ändern kann, dass diese Dinge nicht mehr passieren können."
Wie aber sieht diese Kontrolle konkret aus? Natürlich wälzen Axel Kaske und seine Kollegen im zuständigen Rechnungsprüfungsausschuss des Stadtrates stapelweise Akten. Aber sie machen sich auch schon mal auf den Weg zum Ort des Geschehens. Zum Beispiel ans Kölner Rheinufer.
Eine Firma soll sich selbst überwachen
Der Rhein ist eine der wichtigsten Wasserstraßen in Deutschland. Weil so viele schwere Schiffe hier ihre Güter transportieren, droht das Ufer von den heftigen Wellen zerstört zu werden. Deshalb lässt die Stadt Köln Basaltsteine aufschütten, um den Wellenschlag abzufangen. Die Steine kommen per Schiff aus den Basaltwerken. Axel Kaske ist aufgefallen, dass die Kontrolle dieser Lieferungen offenbar nicht so ganz funktionierte. Möglichem Betrug waren die Schotten weit geöffnet. Der zuständige Amtsleiter erklärte ihm, dass es Aufgabe der Lieferfirmen selbst sei, sich zu überwachen. Die Mitarbeiter der Stadt würden nur vom Rheinufer aus nachschauen, ob alles in Ordnung ist.
„Ach so, sage ich, ich sehe das richtig, Sie setzen sich daneben, Stulle in der Hand und Fernglas, und dann gucken Sie, ob das alles so richtig ist? Sage ich, und wie wissen Sie, ich sage jetzt einfach mal ne Tonne, Tausend Tonnen Basalt drin sind und nicht 500 Tonnen Wasser und 500 Tonnen Basalt? Ich sage mal, das sind Dinge, da ärgert man sich kriminell. Das geht überhaupt gar nicht. Das haben wir auch abgestellt. Das geht gar nicht. Es kann nicht jemand etwas kontrollieren, bei einer Firma, der Angestellter dieser Firma ist, die die Stadt beliefert.“
Ein Anti-Korruptionsbeauftragter im Rathaus
In solchen Fällen guckt Axel Kaske genau hin. Man hat gelernt, in Köln – aus den ersten großen Razzien und Strafverfahren in Sachen Korruption bei der Stadtverwaltung. Ein Anti-Korruptionsbeauftragter wurde als Ansprechpartner im Rathaus eingerichtet, Kontrollen wurden verschärft. Auch mithilfe einer mobilen Kontrollgruppe: Fachleute, die ohne konkreten Verdacht an die Stellen fuhren, wo Aufträge der Stadt von privaten Firmen ausgeführt wurden.
"Man ging nach dem Zufallsprinzip. Hat morgens das Rad gedreht und hat gesagt: Jetzt fahren wir Baustelle Xy. Oder wir fahren an den und den Bachlauf, der gerade gereinigt wird und gucken, ob da alles in Ordnung ist. Das hat dazu geführt, dass wir tatsächlich viel, viel Geld eingespart haben und schon im Vorfeld irgendwelcher Geschichten – die uns ja hundertprozentig wieder auf die Füße gefallen wären – das ausgemerzt haben und gesagt haben: Freunde, zahlen!"
Wie wichtig eine solche Kontrolle ist, zeigt das Beispiel einer Fußgängerbrücke am Aachener Weiher in der Kölner Innenstadt.
In diesen Wochen wird die Brücke wieder einmal neu installiert. Immer wieder war bei den teuren Bauarbeiten etwas schief gelaufen, etliche Zehntausend Euro wurden verschwendet. Durch Schlamperei, durch Betrug, durch Korruption? So genau weiß das keiner. Fakt ist, dass die Stadt Köln viel Geld verloren hat.
"Das kann doch nicht richtig sein, dass sie für eine kleine Fußgänger – das ist ja noch nicht mal eine Fußgängerbrücke, das ist ja eigentlich ein Steg über den Stückchen Wasser, mehr ist das ja nicht –, dass ich da einfach über zehn Jahre brauche. Unverständlich! Wenn Sie dann manchmal die Argumente auch einiger Verwaltungsmitarbeiter hören, dann fehlt mir ganz einfach das Verständnis dafür."
Große Bauvorhaben per se verdächtig?
Den Besuch einer mobilen Prüfgruppe müssen die Bauunternehmer an der Fußgängerbrücke derzeit nicht fürchten. Aus Kostengründen wurde das Team weitgehend weg gespart. Unmöglich findet das der scheidende SPD-Politiker, schließlich gebe es nach wie vor genug auf städtischen Baustellen zu kontrollieren.
"Enorm große Bauvorhaben! Wenn ich nur die ganzen Schulsanierungen mit Hunderten Millionen sehe, da kann ich mir nicht vorstellen, also aufgrund der Erfahrung, die man über die Jahrzehnte gesammelt hat, dass da alles so sauber läuft. Dass man sagt, das ist alles hundertprozentig im grünen Bereich. Da fehlt mir das. Und da muss, glaube ich, auch die Verwaltung noch mal umdenken. Es gibt gewisse Gewerke in dieser Stadt, da geht es nicht an, dass man Personal abbaut. Ganz im Gegenteil: Das muss aufgefüllt werden mit Fachleuten, die möglicherweise auch teurer sind."
Ortswechsel in ein Kölner Nobelhotel. Karnevalsklänge schallen durch den Raum. Die Gesellschaft "Fidele Zunftbrüder" feiert ausgelassen. Unter den Hunderten Teilnehmern ist Axel Kaske mit seiner Frau. Wieder mal.
"In dieser Session ist es relativ ruhig, das ist jetzt die zwölfte heute nachmittag."
Im Laufe der Karnevalszeit kommen noch mehrere Dutzend solcher Sitzungen dazu. Immer ist Kaske Ehrengast. Er klatscht und lächelt. Zwischendurch nippt er an einem Kölsch. Die Texte der Kölner Karnevalsschlager kann er fast auswendig.
"Axel Kaske singt schrecklich. Kann das überhaupt gar nicht beurteilen. Aber wenn es sich nicht verhindern lässt, bewege ich zumindest tüchtig die Lippen."
Ums Singen geht es auch gar nicht, eigentlich noch nicht mal ums Feiern. Axel Kaske ist gewählter Volksvertreter. Noch. Sitzungskarneval ist für ihn zuweilen eine Aufgabe mit großer Ernsthaftigkeit.
"Da hat man das ganze Spektrum der Bevölkerung. Da kann man mit den Leuten reden. Da wird man auch angemacht oder nicht angemacht. Da werden Unmutsäußerungen getätigt, das ist äußerst spannend. Und aber auch sehr lehrreich unter dem Strich, wo man dann schlussendlich für seine Politik im Rathaus etwas entnehmen kann. Wenn man es denn möchte."
Einladungen von Unternehmern anzunehmen, hält er für unanständig
Einen großen Teil der Sitzungszeit bei den "Fidelen Zunftbrüdern" findet man Axel Kaske nicht am festlichen gedeckten Tisch. Er steht im Foyer am Kölsch-Stand, prostet anderen Menschen zu. Aber er ist auch auf der Hut, sich nicht selbst mit denen zu verbrüdern, die er in seinem Ehrenamt als Politiker kontrollieren soll.
"Ich würde nie, habe ich auch nie, eine Einladung annehmen von einem Unternehmer. Weil das für mein Dafürhalten – auch mit allem was wir mit Korruption erlebt haben, und was noch läuft oder auch nicht läuft – halte ich das nicht nur für grenzwertig, sondern für unanständig, so was anzunehmen."
Dazu zählt natürlich nicht die Einladung zum vereinzelten Glas Kölsch. Die 0,2 Liter können niemanden bestechen. Zuweilen werden aber ganz andere, handfeste Vorteile offeriert.
"Ich habe es schon erlebt, dass bekannte Unternehmer dann am Tresen gestanden haben und gesagt haben, morgen müssen wir mal essen gehen. Ich habe da das und das Projekt, da müssen wir mal drüber reden. Ich kannte natürlich die Leute, die angesprochen worden sind, habe die anschließend gefragt, war das richtig, was ihr jetzt gemacht habt? Das war sehr unangenehm für die Leute, und ich hoffe mal, sie haben die Einladung nicht angenommen. Das gibt es in der Tat wirklich, ja, das gibt's."
Wo er auftaucht, rechnen die Leute mit Kontrolle
Die strengen Augen des Axel Kaske – sie passen irgendwie nicht so richtig zur ausgelassenen Mischung aus Karneval, Kölsch und Klüngel. Wenn Kaske bald nicht mehr Mitglied des Stadtrats sein wird, wird er wohl nur noch von echten Freunden zu solchen Veranstaltungen eingeladen.
"Es wird keine 30, 40 Einladungen mehr geben, vielleicht nur noch zehn. Aber ich muss sagen, da kann ich gut mit leben, das muss ich nicht unbedingt haben."
Weniger Karneval, mehr Ernsthaftigkeit. So wird der politische Ruhestand des gebürtigen Norddeutschen im lebenslustigen Köln aussehen. Axel Kaske wird etwas fehlen. Auch die Aufmerksamkeit, der er bisher stets genießt, wenn er in Räumen der Stadtverwaltung auftaucht. Immer hängt ihm der Ruf nach, gerade wieder etwas gezielt kontrollieren zu wollen. Er erinnert sich noch daran, als er jüngst wie jeder Bürger seinen Personalausweis verlängern musste. Zu der Zeit wurde öffentlich viel über lange Wartezeiten in den Meldeämtern der Stadt diskutiert.
"Aber das hatte ich gar nicht im Kopf. Ich bin da hin und dachte, da gehste jetzt mal hin und erweiterst deinen Pass. Habe ne Marke gezogen und habe mich hingesetzt. Waren auch nicht viele Leute da. Plötzlich eine Stimme von hinten: Ach, Herr Kaske, wollen Sie mal kontrollieren, wie es läuft oder so? Ich drehe mich um, war es der stellvertretende Bezirksamtsleiter. Ich sage: Ich will überhaupt gar nichts kontrollieren, ich will meinen Pass verlängern, wie kommen Sie da drauf? Naja, ist ja so, aber wir bemühen uns ja und so weiter. Also, das war für mich das untrügliche Zeichen, dass die immer glaubten, wenn ich irgendwo auftauchte, sei irgendwas im Argen oder irgendwas. Gut, man kann das natürlich auch so sehen, dass man sich sagt: Hat ja auch was Gutes. Werden sie auch alle vorsichtiger! (lacht)"
Was vor Kaske als lässlich galt, ist heute eine Straftat
Im Laufe der 20 Jahre, die Axel Kaske die Kölner Stadtpolitik mitgeprägt hat, hat sich die Sichtweise auf Korruption deutlich verändert. Was früher als lässliche Sünde betrachtet wurde, ist heute eine Straftat. Allen ist bewusst, dass die Gefahr überall lauert, dass Kontrollen nötig sind. Nicht nur durch die Politiker, sondern vor allem mithilfe von entsprechend ausgebildeten Mitarbeitern bei der Verwaltung. Die aber fehlen an allen Ecken und Enden. So gibt es kaum jemanden, der sachkundig Angebote von Unternehmen bei ausgeschriebenen, teuren Bauaufträgen überprüfen kann.
"Wir erkennen die Fehler nicht, weil wir es ja gar nicht prüfen können. Die bauen die schon ein. Es muss ja nicht so sein, aber es könnte ja so sein. Dann kommen dann die Rückläufer. Dann ist auch keiner mehr, der das kontrollieren kann. Im Nachhinein kann ich ja sagen: Wenn die keinen Fachmann haben, wenn ich keinen Tiefbauingenieur habe, dann weiß ich das ja gar nicht. Das ist immer wieder das Übel, das immer wieder beklagt wird. Wir haben keine klaren Leistungsverzeichnisse, wir haben keine klare Kontrolle, wir haben keinen, der eine Nachkontrolle machen kann. Das geht einfach nicht."
Ohne Kontrollen kehrt der Klüngel-Schlendrian wieder ein
In dem Moment, wo man mit der Kontrolle nachlässig werde oder sogar aufhöre, sei der Manipulation zulasten der Steuerzahler Tür und Tor geöffnet, meint Axel Kaske. Der Klüngel-Schlendrian kehrt wieder ein. Deshalb wälzt er nicht nur Akten, sondern besucht die zuständigen Kontrolleure bei der Stadtverwaltung immer wieder höchstpersönlich.
"Ich warte ja nicht immer auf den Ausschuss, sondern ich bin ja auch dazwischen tätig. Ich gehe im Amt ein und aus. Viele lächeln darüber, ich lächle nicht darüber. Weil ich genau weiß, warum ich es tue. Damit die immer das Gefühl haben, da ist er wieder. Also lass es uns besser machen. Der fragt sowieso nächstes Mal nach. Das hat mich, glaube ich, auch immer ausgezeichnet und die anderen immer erschrocken, wenn ich nach Wochen oder Monaten irgendwie plötzlich gesagt habe, da haben wir doch damals, da und da … Was ist denn damit jetzt?"
Ein letztes Treffen mit Axel Kaske in einem Kölner Café. Zeit für einen ganz persönlichen Blick zurück. Denn auch der ehrenamtliche Politiker lebt nicht auf einer einsamen norddeutschen Insel, sondern mitten im pulsierenden Köln. Bevor er in Rente ging, hatte er einen Job als Autoverkäufer. Dabei geriet auch er zuweilen ins Visier von Gerüchten und Verdächtigungen.
"Es ist richtig: Es gab immer mal wieder Ansatzpunkte, die aber ganz klar ins Leere liefen, weil da nichts war."
Und dann gab es noch so eine unangenehme Erfahrung für Axel Kaske in seinem politischen Leben. Er hat sich hochgekämpft vom unbedeutenden Hinterbänkler zum obersten Korruptions-Kontrolleur. Und auch zum Vize-Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Stadtrat. Er ist da so etwas wie der Elder Statesman. Denn viele seiner alten Weggefährten sind nicht mehr politisch aktiv. Vor einigen Jahren wurden die Kölner Genossen von einem Müll- und Spendenskandal erschüttert. Beim Bau der örtlichen Müllverbrennungsanlage waren Schwarzgelder in die Parteikasse geflossen.
Nach dem Schwarzgeld-Skandal überlegt er, hinzuschmeißen
"Also, ich muss ganz ehrlich sagen: Ich war zu dem Zeitpunkt geschockt. Das hatte ja schlagartig … Das hatte eine Beschleunigung wie ein Starfighter. Von null auf tausend. Du kannst ja sagen, von jetzt auf nu war das ein Super-Gau."
Etliche Strafverfahren, bundesweite Negativ-Schlagzeilen, ein wahrer Rücktrittsreigen waren die Folgen des Korruptionsskandals der Kölner SPD. Mittendrin der unschuldige Axel Kaske als Volksvertreter.
"Das war ein Punkt, auch in meinem politischen Leben, wo ich wirklich in mich gegangen bin – nicht nur ich, muss ich ganz ehrlich sagen –, auch mit der Familie gesprochen habe: Kann das noch richtig sein? So eine Partei? Oder soll man jetzt sagen, waren ja nicht alle so, machen wir mal weiter? Ich habe mich dann entschieden, weiterzumachen."
Jetzt aber macht Axel Kaske nicht mehr weiter. Er will Platz machen für Jüngere. Für politischen Nachwuchs, der in der Klüngel-Hauptstadt Köln hoffentlich auch darauf achtet, dass Korruption keine Chance bekommt. Für seine möglichen Nachfolger hat er auch einen Tipp parat, wie man auf zweifelhafte Einladungen von Unternehmern verzichten und trotzdem Spaß an der kommunalpolitischen Kontrollarbeit haben kann:
"Das gebe ich zu, und das ist ein Luxus, den ich mir leiste, wenn ich wieder mal einen großen Erfolg hatte im Rechnungsprüfungsausschuss, und ich hatte viele davon, glaube ich sagen zu können, dann habe ich mich zu Hause in Ruhe hingesetzt, dann habe ich auch mal ein Gläschen Rotwein getrunken und eine Zigarre geraucht. Das war für mich das Allergrößte."