Der Ukraine-Krieg und seine Folgen

Wie Putin den Kosovo spaltet

05:00 Minuten
Ein Mann geht an einem Graffiti vorbei, das die Verbundenheit von Serbien und Russland zum Thema hat.
Das Graffiti zeigt die russische und die serbische Flagge ineinander verflochten. Darunter steht in kyrillischen Lettern: „Kosovo ist Serbien. Die Krim ist Russland.“ © picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Darko Vojinovic
Von Franziska Tschinderle |
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Der Krieg in der Ukraine eint die Europäische Union und spaltet die Stadt Mitrovica im Kosovo. Im albanischen Süden wird Putin als Aggressor wahrgenommen, im serbischen Norden als Protektor. Impressionen aus zwei Welten.
„Wo war das noch mal? War es hier? Da gab es diese Bar für alte Männer, an die jemand ein Graffiti von Putin gesprayt hatte. Ich glaube, es ist hier links.“
Es ist kurz vor Mitternacht. In Zvečan, einer mehrheitlich von Serben bewohnten Kleinstadt im Norden des Kosovo, ist alles ruhig – bis auf die schreienden Katzen auf der Straße und die Motoren der vorbeirollenden Autos.

Ehrenbürger: Djoković und Putin

Seine Stadt habe zwei weltberühmte Ehrenbürger, erzählt Vasko, ein Mittzwanziger, der als Postbote arbeitet: den serbischen Tennisspieler Novak Djoković und den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Als es den Vielvölkerstaat Jugoslawien noch gab, arbeiteten in der Industriestadt Albaner und Serben gemeinsam in der Mine. Dann, in den 90er-Jahren, begann der Krieg. Seitdem leben die Albaner südlich und die Serben nördlich des Flusses. Zwischen dem Fluss liegen Welten. Das zeigen auch die unterschiedlichen Reaktionen auf den Krieg in der Ukraine.

Ich bin hier geboren. Ich bin die sechste Generation. Die junge Generation versteht das vielleicht nicht, aber die Älteren sind vorbelastet: Es kann immer etwas passieren. Wir hoffen, dass im Kosovo nichts passiert, und der Krieg in der Ukraine endet.

Mithat, 65, Albaner, aus Mitrovica-Süd

Hier flattern US-amerikanische Flaggen neben der albanischen: Der schwarze Doppeladler auf rotem Grund. Bezahlt wird in Euro. Neben der Moschee, im Stadtzentrum mit dem Brunnen, stehen Statuen von albanischen Guerillakämpfern. Unweit davon zündet sich Ismaili eine Zigarette an.
Der 22-Jährige stammt aus dem Kosovo, lebt aber seit Jahren in Deutschland, wo er als Automechaniker arbeitet. Auf der anderen Seite der Brücke war er noch nie. „In letzter Zeit wird hier nur noch über den Krieg gesprochen“, sagt er. „Das könnte auch heißen, dass die serbische Seite hier reinstürmt.“

„Russland hat Serbien immer unterstützt“

500 Meter weiter nördlich entfernt fallen die Reaktionen anders aus. Dort lebt Veroljub Petronić. Er stammt aus Mazedonien und ist nach dem Krieg in die Stadt gezogen. „Russland hat Serbien immer unterstützt“, sagt er, „im UN-Sicherheitsrat und auch in Bezug auf den Genozid in Srebrenica. Wir haben immer irgendeine Form der Unterstützung bekommen. Und jetzt gibt es folgendes Problem: Wie kannst du jemanden sanktionieren, der dir immer geholfen hat?“
Überquert man die Brücke in Richtung Norden, vorbei an den Militärfahrzeugen der NATO-Schutztruppe „Kfor“, dann steht man vor einem Graffiti. Es zeigt die russische und die serbische Flagge ineinander verflochten, darunter steht in kyrillischen Lettern: „Kosovo ist Serbien. Die Krim ist Russland.“
„Die Popularität Putins und Russlands erreicht ein historisch beispielloses Niveau. Vučić hat Angst, den pro-russischen Teil der serbischen Öffentlichkeit und die pro-russischen Wähler zu verärgern. Im April stehen Wahlen an“, erklärt der serbische Politikwissenschaftler Vuk Vuksanović, der am Zentrum für Sicherheitspolitik in Belgrad forscht.

Desinformation auf beiden Seiten

In den Restaurants von Mitrovica-Nord flimmern die Bildschirme, die Rede des serbischen Präsidenten Vučić wird live übertragen. Aleksander Vučić tut sich sichtlich schwer, eine Position im Ukrainekrieg einzunehmen. Belgrad hat sich der UN-Resolution gegen Russland angeschlossen, will jedoch die EU-Sanktionen gegen Russland nicht mittragen.
Wer verstehen will, wie Russland schon jetzt versucht, den Kosovo zu destabilisieren, der muss an den Zeitungskiosken vorbeischauen. Es ist Donnerstag, der 3. März, eine Woche nach Beginn der Invasion.
Vasko, der junge Serbe und Postbote, übersetzt die jüngsten Headlines:

„Zwei russische Panzer haben fast 200 ukrainische Neonazis getötet.“

„Der Westen ist bereit, Putin loszuwerden – genau wie damals Slobodan Milosević.“

„Russland ist bereit für den dritten Weltkrieg. Wenn der Westen einschreitet, kommt der Atomkrieg – mit verheerenden Folgen für die ganze Welt.“

„Großbritannien und Frankreich betteln Putin an, ihre Staatsbürger in der Ukraine zu retten.“

Die Desinformation, die auf beiden Seiten kursiert, macht ein Zusammenwachsen der Stadt so schwierig. Und die junge Generation spricht die jeweils andere Sprache nicht mehr.

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