Kostenpflichtige Coronatests

Ungeimpft im sozialen Brennpunkt

07:36 Minuten
Eine Geldbörse voller Scheine vor einem Corona-Schnelltest-Schild
Was passiert mit Menschen, die sich keine Coronatests leisten können? © imago / Sven Simon
Von Katharina Thoms |
Audio herunterladen
Coronatests gibt es nur noch für Selbstzahler und niederschwellige Impfangebote werden abgebaut. Was macht das mit Menschen, die eh schon wenig Geld haben? Die Impfbereitschaft scheint es zumindest nicht zu erhöhen. Ein Lagebericht aus Pforzheim.
Drei große weiße Zelte stehen auf dem riesigen Parkplatz im Westen von Pforzheim – dem größten Coronatestzentrum der Stadt. Ab und zu hält ein Auto. Oder jemand kommt zu Fuß. Ab der kommenden Woche kostet der Coronatest hier 15 Euro. Das würde er trotzdem bezahlen, sagt ein älterer Mann mit Schiebermütze, der lieber nicht seinen Namen sagen will.
Impfen lassen möchte er sich nicht. Dass man davon sterben könne, hat er von jemandem gehört oder im Internet gelesen. Dass es extrem unwahrscheinlich ist, im Zusammenhang mit einer Impfung zu sterben; dass die Verdachtsfälle laut dem für Impfungen zuständigen Paul-Ehrlich-Institut sehr gering sind – das alles zählt nicht viel für ihn.
Eine aktuelle Umfrage unter 3.000 Menschen im Auftrag der baden-württembergischen Landesregierung zeigt: Etwas weniger als die Hälfte der Nicht-Geimpften sind Totalverweigerer. Die Mehrheit der Befragten zögert laut Umfrage noch und schätzt das Covid-Risiko als harmlos ein.

Droht ein unüberwachtes Infektionsgeschehen?

Es kommen auch viele Schülerinnen und Schüler hier zum Testen. Für sie wird das erst mal kostenlos bleiben. Genau wie für Schwangere, Stillende oder Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können. Robin Stefan betreibt das Testzentrum in Pforzheim und noch 14 andere in der Region. Er rechnet für die Zukunft mit ein paar hundert statt 2.000 Menschen am Tag und warnt:
"Da wird es für uns schwierig, das Ganze zu finanzieren. Wenn jetzt der Zeitpunkt kommt, wo es Geld kostet, dann lassen sich die Leute wahrscheinlich gar nicht mehr testen. Und dann haben wir ein völlig unüberwachtes Infektionsgeschehen."
Die Impfquote in Pforzheim von etwas über 50 Prozent steigt jedenfalls nur sehr langsam. Die Stadt will sich dazu nicht äußern. Viele niedrigschwellige Impfaktionen hat es hier schon gegeben: in den Stadtvierteln, in Obdachlosenunterkünften und Familienzentren.
Wie dem Familienzentrum in Au, ein Stadtteil nahe der Innenstadt. Zwei von drei Menschen, die hier leben, haben eine Migrationsgeschichte. Im Integrationskurs tröpfeln an diesem kühlen Morgen nach und nach Frauen aus dem Irak, aus Syrien ein. Zum Deutsch oder überhaupt Schreiben und Lesen lernen. Das ist in der Pandemie ein großes Problem, sagt Anne Pieroth, Leiterin der Sprachschule:
"Wir verlangen, dass Menschen mit unzureichenden Informationen eine medizinische Entscheidung treffen. Und dann ist eben die Hürde diese fehlende Information und die fehlende Vertrauensperson."

Noch weniger soziale Teilhabe

Vertrauen sei hier durch die Kursleiterinnen entstanden. Corona und Impfen sei immer wieder auch im Unterricht Thema gewesen. Es kursieren viele Gerüchte, die Ängste sind groß, erzählt die Schülerin und fünffache Mutter Nora Hadschi. Es würde zum Beispiel erzählt, dass Geimpfte unfruchtbar würden. Solche Geschichten haben sie skeptisch werden lassen. Doch inzwischen ist sie vom Gegenteil überzeugt. Inzwischen sind die meisten der Schülerinnen in den Kursen geimpft. Ergebnis einer Impfaktion im Familienzentrum und vieler direkter Gespräche. Aber auch die persönlichen Erfahrungen bewegen viele, sagt Anne Pieroth:
"Ich glaube das größte Argument waren die Todesfälle oder heftige Erkrankungen in der Familie. Da hat sich dann sehr schnell eine Gruppendynamik entwickelt. Eine Frau hat zwei Familienmitglieder verloren. Bei einer anderen Dame kämpft ein Familienmitglied mit Long Covid. Das hat die Dynamik im Kurs sehr stark verändert."
Eine junge Frau im Kurs ist nicht geimpft. Sie will aber nicht darüber sprechen. Das sei ihre Sache. Wenn jetzt die Tests Geld kosten, dann wird das Familienzentrum erstmal kostenlose Selbsttests anbieten. Pieroth findet es falsch, Menschen aus finanziellen Gründen in medizinische Entscheidungen zu drängen. Und sie glaubt auch nicht, dass das klappt. Denn soziale Teilhabe ist hier ohnehin oft nicht drin:
"Die Dinge, für die man dann Tests braucht, sind für Menschen, die sehr wenig Geld haben, vielleicht sowieso nicht im Budget. Also regelmäßige Restaurantbesuche oder ins Kino. Dann holt man sich halt einen Döner und isst draußen oder zu Hause."

Impfen nur noch beim Hausarzt

Die Kreisimpfzentren sind jetzt alle geschlossen. Die niedrigschwelligen Angebote zurückgefahren im ganzen Land. Wer jetzt noch immunisiert werden möchte, muss zum Hausarzt. Immerhin: In Pforzheim wird auch an den kommenden Wochenenden ein Impfbus in der Innenstadt stehen. Anne Pieroth würde sich freuen, wenn es nochmal eine Impfaktion im Familienzentrum geben könnte. Auch wenn der Aufwand für die Beschäftigten hier hoch sei. Es lohnt sich.
Mehr zum Thema